Der braune Spuk – die „Weihnachtsbesuche“ der Partei „Die Rechte“ – sind vorbei. Sie sind – wie viele der Aktionen der Neonazis in den vergangenen Monaten – ein Schlag ins Wasser gewesen. Denn anders als ihre Selbstdarstellungen in ihrem „Weltnetz-Zentralorgan“ behaupten, waren sie alles andere als erfolgreich. Dort feiern sie Siege, die keine waren. Oder – noch besser – wo die Neonazis sogar die Schlacht gescheut haben. Was ist passiert?
Verbote der Hausbesuche zeigten Wirkung – Neonazis knickten ein
Wieder einmal hat die Dortmunder Polizei die Neonazis in ihre Schranken verwiesen. Sie wollten missliebigen politischen Gegnern erneut Hausbesuche abstatten. Anders als in den beiden Vorjahren gingt es aber nicht nur um politisches Spitzenpersonal, sondern auch nahezu unbekannte Nachwuchspolitiker und einen Journalisten.
Daher hatte Polizeipräsident Gregor Lange für dieses Jahr die Reißleine gezogen und diese Hausbesuche am 8. Dezember verboten. Auf 22 Seiten Verbotsverfügung machte er dezidiert deutlich, dass diese Veranstaltungen nicht vom Versammlungsrecht gedeckt seien, weil es dabei nicht um die politische Meinungsäußerung, sondern nur um Bedrohung und Einschüchterung von politischen Gegnern gehe.
Schutz der Privatsphäre und der Meinungsfreiheit wiegen höher
Daher wiege das Recht auf Privatsphäre der Menschen höher, vor deren Haustüren die „Weihnachtsbesuche“ der Dortmunder Neonazis stattfinden sollten.
Zudem – auch dieses Grundrecht sah Lange bedroht – sollten mit solchen Einschüchterungsaktionen Menschen von ihrem eigenen Recht der Meinungsäußerung gegen Rechtsextremismus abgehalten werden.
Die Strategie der Rechtsextremen ist mehr als deutlich: Jede/r, die/der sich gegen die Neonazis engagiert, soll bestraft werden und muss mit Hausbesuchen rechnen.
Bei einem früheren Weihnachtsbesuch war zum Beispiel auch der verurteilte Totschläger Sven Kahlin vor dem Haus von OB Ullrich Sierau als Redner dabei…
Konzept der Neonazis: Klima der Angst und Einschüchterung erzeugen
Dieses Mal standen zehn Demokratinnen und Demokraten zur Wahl. Wobei „Wahl“ der falsche Begriff war – in einer per Video verbreiteten Verlosung wurden die Kandidaten von vermummten Weihnachtsmännern gezogen. Auch dieses Video wertet Lange als Beweis für die Erzeugung eines Klimas der Angst.
Diese Strategie hat er in den vergangenen Monaten mehrfach durchkreuzt. Bekanntestes Beispiel ist das Verbot des „Stadtschutz Dortmund“. Hier müssten sich Aktivisten wegen Uniformierung verantworten, weil sie im Stil der SA vor 1934 Angst und Schrecken verbreiten wollten.
Dortmunder Medien haben im Vorfeld absichtlich auf Berichterstattung verzichtet
„Ich will gerichtlich klären lassen, dass diese Form von Demonstrationen im Privatumfeld unzulässig ist“, machte Lange Dortmunder Journalistinnen und Journalisten nach der Zusendung der Verbotsverfügung deutlich.
Zu lesen war dies aber bisher nicht: Die Dortmunder Medienvertreter – darunter auch die Nordstadtblogger – haben sich entschieden, die Berichterstattung im Vorfeld der Weihnachtskundgebungen zu unterlassen.
Es war eine Entscheidung der Medien – nicht des Polizeipräsidenten. Sie diente auch dem Schutz des Kollegen und seiner Familie. Daher wurden auch die vielfältigen Solidaritätsbekundungen mit den Demokraten nicht veröffentlicht.
Die Dortmunder Medien wollten dieser rechtsextremen Ein-Prozent-Partei im Vorfeld keine große Bühne geben. Denn nur darum geht es dieser Partei: Provokation, Einschüchterung und Volksverhetzung. „Die Rechte“ setzt in schöner Regelmäßigkeit darauf, dass es empörte Aufschreie aus der Zivilgesellschaft gibt. Die größte Strafe für sie ist allerdings die Missachtung. Oder – wie in diesem Fall – das Durchkreuzen ihrer Absichten und das Offenbaren der Strategien.
Gerichtliche Klärung war nicht nötig, da die Neonazis klein beigaben
Eine gerichtliche Klärung hat es nicht gegeben. Warum nicht? Die Neonazis sind in ihrer Klageschrift gegen die Verbotsverfügungen der Weihnachtskundgebungen auf ganzer Linie eingeknickt.
Die Anmelder haben gleich in ihrer Klage deutlich gemacht, dass Demonstrationen „irgendwo“ in der Stadt auch okay seien. Daher war eine gerichtliche Klärung nicht mehr möglich bzw. nötig. Das Thema war damit in einem normalen Kooperationsgespräch zu klären.
Erneute juristische Lehrstunde für Neonazis
Was ist die Bilanz? Die Neonazis – nicht wenige studieren Jura – haben von der Dortmunder Polizei mal wieder eine juristische Lehrstunde erhalten. Natürlich liest sich das auf ihren eigenen Propaganda-Seiten ganz anders. Aber ihre Leserinnen und Leser durchschauen das wohl nicht oder wollen es nicht begreifen.
Kurze Kundgebungen in Mengede, Hörde und in der Nordstadt geplant
Dieses Einknicken der Neonazis führte dazu, dass es nun nur kurze Standkundgebungen in Mengede (Marktplatz), der Nordstadt (Münsterplatz) und Hörde (Platz vor der schlanken Mathilde) geben sollte. Denn klar ist: Ein Rechtsstaat gibt auch jenen Kräften, die das demokratische System bekämpfen, ein Recht zur Meinungsäußerung.
Allerdings hat die Polizei ihnen „den Spaß“ verdorben, dies vor den Haustüren der politischen Gegner zu tun. Die drei Orte hatten nun nichts mehr mit dem eigentlichen Zweck der Veranstaltungen zu tun.
Daher hatten die Verbotsverfügungen auch keinen Bestand mehr. Außerdem fanden die Kundgebungen unter strengen Auflagen statt, die die Polizei bereits schon für die Kundgebung am 10. Mai in der Nordstadt gerichtlich erstritten hatte.
Neonazis wurden in der Nordstadt eingekesselt und festgesetzt
Allerdings schafften es die Neonazis noch nicht einmal, überhaupt ihren zweiten Kundgebungsort zu erreichen. Das Bündnis BlockaDO, aber auch viele Demokraten, Anwohnerinnen und Anwohner und vor allem Autonome machten alle Straßen und Wege dicht.
Sie zeigten eindrucksvoll, dass die Neonazis nicht in der Nordstadt willkommen sind. Dabei kam es allerdings auch zu massiven Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Neonazis wurden so in die Ecke gedrängt, dass sie ihre Protestveranstaltung abbrechen mussten. Die dritte Kundgebung im Hörde viel völlig aus.
Weitere Kundgebung gegen angebliche „Polizeiwillkür“ geplant
Wie getroffen die Neonazis schon vorher durch die polizeilichen Maßnahmen waren, zeigt sich am 24. Dezember: Sie haben aus Protest gegen angebliche „Polizeiwillkür“ eine Demonstration vor dem Polizeipräsidium angemeldet. Nach einer Auftaktkundgebung geht es über Nebenstraßen zum Westentor.
Beeinträchtigungen für Anwohner wird es durch die Streckenführung quasi keine geben. Und auch keinen Grund, dagegen zu demonstrieren. Die Demokraten sollten sich daher die Weihnachtsstimmung nicht vermiesen lassen und sich selbst ein Geschenk machen: Lasst die Neonazis einfach „links“ liegen.
Dann wäre auch dieser erneute Provokationsversuch der Neonazis gescheitert. Ach ja: Das Konzept der Neonazis, den Polizisten Weihnachten zu verderben, wird nicht aufgehen. Auch wenn sich das auf ihrer Lügen – Pardon „Nachrichtenseite“ natürlich auch ganz anders liest: „Euren Feierabend bestimmen wir“, steht dort zu lesen.
Schon wieder ebenso falsch wie anmaßend: Ein Blick in das Gesetz erleichtert die Entscheidungsfindung: Statt, wie von den Neonazis gefordert, bis 22 Uhr, ist der braune Spuk an Heiligabend spätestens um 16 Uhr beendet. So steht es im Gesetz. Aber warum sollten das angehende Juristen auch wissen?!
Na dann: „Frohes Protest“!
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Reader Comments
David Grade
Danke für einen unaufgeregten Artikel, der mehr Hintergrund liefert als die Printpresse.