Wenn Bintou Bojang gegen Genitalverstümmelung laut wird, dann weiß sie, wovon sie spricht. Damit weitere Mädchen diese schmerzhafte Beschneidung und die verheerenden körperlichen und seelisch Schäden nicht erleiden müssen, geht sie mit anderen Frauen auf die Straße, erhebt ihre Stimme, wird laut und fordert: „Internationale Solidarität – Soldidarität gegen FGM.“ FGM ist die Abkürzung des englischen Ausdrucks für Genitalverstümmelung, die Abkürzung für Female Genital Mutilation.
Genitalverstümmelung ist in Deutschland eine Straftat – unabhängig vom Tatort
Am Internationalen Tag gegen die Genitalverstümmelung zog Bintou Bojang vom Verein Crocodile mit Frauen aus Dortmund, Berlin und dem Rheinland von der Reinoldi- zur Petrikirche, rief unermüdlich „Solidarität gegen FGM“ und verteilte die druckfrischen Flyer mit Informationen in vier Sprachen und Telefonnummern von drei Hilfestellen.
Genitalverstümmelung ist in Deutschland eine Straftat, auch wenn der Tatort im Ausland liegt. Die Weltgesundheitsorganisation nennt die Zahl von 200 Millionen Frauen und Mädchen, die beschnitten seien, drei Millionen jedes Jahr seien gefährdet. Ein Teil dieser gefährdeten Mädchen lebt in Deutschland.
Weil Kultur, Religion, Tradition und die Stammesgeschichte es forderten, würden viele Familien, die in Deutschland lebten, in den Ferien mit ihren Töchtern in Länder reisen, in denen die Beschneidung Alltag sei, erzählt Bojang.
Doch über die Genitalverstümmelung zu reden, das sei in diesen Ländern, in den sie praktiziert werde, ein Tabu und können bestraft werden. Aufklärung und Bildung seien nötig, um die Beschneidung aus den Köpfen der Menschen zu bekommen.
Das Psycho-Soziale Zentrum in Dortmund bekommt das ganze Leid zu hören
Die Folgen der Genitalverstümmelung sind und können sein, wie in dem oben erwähnten Flyer aufgezählt: schmerzbedingter Schock, hoher Blutverlust, Infektionen, Blutvergiftung, HIV, Tod, Inkontinenz, Unterleibsentzündungen, Abszesse, Verzögerungen beim Wasserlassen und bei der Menstruation, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Unfruchtbarkeit, Risiken bei der Geburt.
Bei dieser Beschneidung kommen Messer und Rasierklingen, Glasscherben und Scheren zum Einsatz, die häufig nicht sterilisiert seien, sagen die Frauen rund um Bintou Bojang und von Terre des Femmes. Je nach Land und Tradition erleiden die Frauen unterschiedliche Verstümmelungen: die teilweise oder vollständige Entfernung der Klitoris, die zusätzliche Entfernung der inneren und zum Teil auch äußeren Schamlippen sowie das anschließende Zusammennähen der Wunde mit Dornen, bei dem nur eine kleine Öffnung für das Abfließen von Urin und Menstruationsblut gelassen wird. Die Folgen für die Psyche und das soziale Leben sind oft kaum in Worte zu fassen.
Das bekamen auch die Fachleute in den Dortmunder Lebensberatungsstellen mit, als viele Frauen, die aus Ländern flüchten mussten, in denen die Beschneidung üblich ist, Hilfe suchten und bekamen. In Dortmund baute die AWO in Absprache mit dem Sozialamt das Psycho-Soziale Zentrum (PSZ) auf, in dem Geflüchtete beraten werden.
Neuer Flyer informiert Leser*innen in verschiedenen Sprachen
Am PSZ war auch dank des Geldes von amnesty international für einige Monate ein Frauenprojekt angesiedelt, dessen Teilnehmerinnen den erwähnten viersprachigen Flyer sowie die dazugehörenden Plakate gestaltet haben.
Auf Deutsch, Englisch, Französisch und Arabisch werden die Leser*innen über die Folgen der Genitalverstümmelung informiert. Zudem finden sich drei Telefonnummern von Informations- und Beratungsstellen auf dem Flyer, an die sich die Frauen wenden können.
Neben den Kontaktdaten von Crocodile und dem bundesweiten Hilfe-Telefon ist die Adresse des PSZ (Psycho-Soziale Zentrum) der AWO aufgeführt, in dem Fachleute geflüchteten Menschen eine vertrauliche Beratung anbieten oder diese an andere Hilfestellen weitervermitteln.
Weitere Informationen:
Ein psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge soll das Dortmunder Gesundheitssystem entlasten
Ein psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge soll das Dortmunder Gesundheitssystem entlasten
Reader Comments
Edward von Roy
·
“Retten Sie das wichtige Verbot der FGM in Gambia!”
·
21.03.2024. Eine Petition an den Gesundheitsminister von Gambia, Herrn Dr. Ahmadou L. Samateh, und an die gambische Ministerin für Angelegenheiten der Frau, für Kinder und Soziales, Frau Fatou S. Kinteh. Bei Change.org lässt sich die Petition mitzeichnen.
·
https://www.change.org/p/retten-sie-das-wichtige-verbot-der-fgm-in-gambia
·
·
A petition to:
Hon. Dr. Ahmadou Lamin Samateh, Minister of Health
Ministry of Health
The Quadrangle
Banjul
Republic of The Gambia
and to:
Hon. Fatou Sanyang Kinteh, Minister of Women’s Affairs, Children and Social Welfare
State House
Banjul
Republic of The Gambia
·
21.03.2024
Petition
Retten Sie das wichtige Verbot der FGM in Gambia!
·
Petitionstext
Sehr geehrter Herr Minister Dr Samateh, sehr geehrte Frau Ministerin Kinteh, retten Sie das wichtige Verbot der FGM in Gambia! Nur das beibehaltene Verbot jeder Form von Female Genital Mutilation (FGM Typ I, II, III, IV), nur der nicht verhandelbare Schutz der heutigen Mädchen als der künftigen Frauen Gambias in Bezug auf ein intaktes weibliches Geschlechtsorgan verwirklicht körperliche Unversehrtheit und universelle Menschenrechte. Auch die Berufung auf die Religion Islam, und tatsächlich, einen Islam ohne FGM gibt es nicht, kann keine Rechtfertigung für das Durchführen einer FGM (Typ I, II, III, IV) sein, die Islamic FGM (chitan al-inath) muss ebenso verboten bleiben und ggf. bestraft werden wie jede anders motivierte Female Genital Mutilation.
·
Petitionsbegründung
Im Dorf Bakadagi-Mandinka im Distrikt Niani in der Central River Region (CRR) des westafrikanischen Staates Gambia hatten drei Frauen geplant, acht zwischen vier Monaten und einem Jahr alte Mädchen zu “beschneiden”, genital zu verstümmeln. Fünf Mädchen konnten vor der FGM (female genital mutilation, weibliche Genitalverstümmelung) gerettet werden, an drei Mädchen führten die Frauen das Verbrechen aus. In der Gerichtsverhandlung am Kaur/Kuntaur Magistrate Court im Herbst 2023 wurden die Täterinnen verurteilt, zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr oder zu einer Geldstrafe von 15.000 Dalasi (≈ 204 €) für jede. Seit 2015 ist in Gambia die FGM, mithin jede Form (FGM Typ I, II, III, IV) verboten.
Gambias wichtiges FGM-Verbot dekriminalisieren: “Women’s (Amendment) Bill 2024”
Mit Gesetzesinitiative Women’s (Amendment) Bill 2024 hat die Bewegung für eine Straffreistellung der weiblichen Genitalverstümmelung (FGM) ihren Gesetzesvorschlag ins Parlament von Gambia eingebracht. Erste Lesung im gambischen Parlament (The National Assembly, Nationalversammlung) am 4. März 2024, Zweite Lesung und Abstimmung am 18. März. Von den 47 anwesenden Abgeordneten stimmten nur vier dagegen, sprich sie stimmten für den Erhalt des wichtigen FGM-Verbots in Gambia, 42 hingegen stimmten für den kinderfeindlichen und frauenfeindlichen Gesetzesentwurf, es gab eine Enthaltung. Mindestens drei Monate lang, mindestens bis Mitte Mai 2024 wird das Gesetz in den Ausschüssen diskutiert werden.
Schon zur Ersten Lesung hatte Imam Fatty mit einem gecharterten Bus Frauen vor das Parlament bringen lassen, die Slogans für eine straffreie Islamic FGM skandierten, welche sie freilich “weibliche Beschneidung” (female genital cutting, FGC) nennen, und von denen mehrere den Niqab trugen, den islamischen Gesichtsschleier, eine in Gambia bislang sehr ungewöhnliche Weise von Kleidung bzw. Hidschab.
Zu den bekanntesten Lobbyisten einer in Gambia künftig wieder straffreien FGM gehört neben dem Imam Abdoulie Fatty (Abdullah Fatty) auch der Parlamentarier Almameh Gibba, mögen die beiden diesbezüglich keinen Erfolg haben.
Imam Abdoulie Fatty hatte den Täterinnen die Strafe bezahlt oder bezahlen lassen, und die höchsten religiösen Autoritäten des Landes, gemeinschaftlich tätig am 1992 gegründeten Gambia Supreme Islamic Council (GSIC oder SIC, Oberster Islamischer Rat Gambias), bekundeten am 25. September 2023 mit Fatwa Nummer (002), arab., bzw. (003), engl., die islamrechtliche – die islamische – Rechtmäßigkeit der weiblichen Beschneidung.
Am 10.03.2024 hatten das 1975 gegründete IICPSR (International Islamic Center for Populations Studies and Research, Direktor ist Gamal Serour, Gamal Abou el-Serour, angesiedelt am Kairoer Al-Azhar) und der GSIC (Gambia Supreme Islamic Council) unter dem Tagungstitel “The National Dialogue on FGM and Islam” eine Konferenz veranstaltet. (youtube.com/watch?v=DIsJQzh4owU) Der ägyptische Gynäkologe Serour (el-Serour) war Mitglied der WHO Strategic and Technical Advisory Group (STAG) (2011-2016), Chair of STAG (2017–2018) sowie Co-Chair of the Ethics Review Committee at the WHO Regional Office for the Eastern Mediterranean (seit 2017).
Innerhalb der gambischen Parlamentarier treibt Mai Fatty (Mai Ahmed Fatty), Gründer und Vorsitzender der Oppositionspartei Tugendkongress Gambia (GMC · Gambia Moral Congress) die unmoralische Pro-FGM-Kampagne voran.
“Le parlementaire Almameh Gibba a introduit la proposition de loi en première lecture. L’examen a été renvoyé à une seconde lecture prévue le 18 mars. L’homme indique l’excision n’est pas une nécessité en Islam.” (fr.africanews, 06.03.2024.) Eine Notwendigkeit (nécessité) des “Beschneidens” d. h. des Genitalverstümmelns auch der Mädchen entspräche seiner Einstufung als wadschib ( واجب · wāǧib ) bzw. fard ( فرض · farḍ ), englisch mandatory oder obligatory, wie bei der Islamic FGM der Schafiiten. Die meisten Menschen in Gambia sind zwar sunnitische Muslime, aber als Malikiten. Der chitan al-inath (ختان الإناث · ḫitān al-ināṯ ), die weibliche Beschneidung, eine Genitalverstümmelung, ist gemäß malikitischer Jurisprudenz nicht wadschib (obligatorisch), sondern mandub ( مندوب · mandūb ) bzw. mustahabb ( مستحب · mustaḥabb ), empfohlen. Mandub (mustahabb) bedeutet, dass der Muslim für das Unterlassen dieser Handlung vor allem im Jenseits zwar nicht bestraft, für das Durchführen dieser Handlung hingegen belohnt werden wird. Das zur Sicht der Malikiten, die Mädchenbeschneidung zu verbieten ist verboten.
Um Allahs Befehl sowie dem Madhhab maliki, seinem auf den islamischen Juristen Malik ibn Anas (711 — 795) zurückgehenden Fiqh (Islamjurisprudenz) zu entsprechen, fordert der westafrikanische Teil der weltweiten Bewegung zur Straffreistellung der Islamic FGM, jedes FGM-Verbot zu verbieten, und betont zu diesem Zweck den hohen Wert der Familie und der elterlichen Wahlfreiheit (freedom of choice). Der Höchste Islamische Rat von Gambia und sein Kommittee für Fatwa und Mondsichtung (The Gambia Supreme Islamic Council’s Fatwa and Moon Sighting Committee) haben ihre Religion richtig verstanden.
Noch die geringst invasive Form von FGM muss in jedem Staat verboten werden oder verboten bleiben. Auch um die WHO-Kategorie zur FGM mit ihren vier FGM-Typen (I, II, III, IV) nicht anzutasten, ist stets Wert auf die korrekte Terminologie zu legen, auf den Begriff FGM, weibliche Genitalverstümmelung.
Edward von Roy, Diplom-Sozialarbeiter/-Sozialpädagoge (FH)
·
·
change.org/p/retten-sie-das-wichtige-verbot-der-fgm-in-gambia
·
·
Feministischer Stadtkirchengottesdienst: „Freiräume – Gottesdienst in Sankt Petri“ (PM)
Sankt Petri lädt ein zum Feministischen Stadtkirchengottesdienst am Sonntag, 26.5. um 11.30 Uhr. Es geht um Freiräume im Denken und Entscheiden. Dabei können zwei biblische Frauen Vorbild sein. Predigen werden Ulrike Böhmer und Dr. Meike Rieckmann-Berkenbrock. Durch den Gottesdienst führen Pfarrerin Christel Schürmann, Kantor Manfred Grob an Orgel und Klavier und Sängerin Janina Harwardt. Zu Gottesdienst und Mahlfeier in offener Form sind alle Frauen, Männer, Diverse – unabhängig von Konfession – eingeladen. Es wird um eine Kollekte gebeten für Frauen, die von Weiblicher Genitalverstümmelung betroffen sind.
Ort: Ev. Stadtkirche Sankt Petri | Westenhellweg | Petrikirchhof | gegenüber Hauptbahnhof