„Wegweiser“-Beratungsstelle: Stadt und Land engagieren sich in Dortmund verstärkt in der Salafismus-Prävention

Salafisten-Demonstration in Dortmund
Immer wieder gibt es Salafisten-Demonstrationen und Koran-Verteilaktionen in Dortmund. Fotos: Alex Völkel

Stadt und Land wollen gemeinsam stärker auf das Thema Salafismus in Dortmund blicken. „Wir wollen nicht in Alarmismus machen, aber Prävention betreiben. Da braucht man viel Fingerspitzengefühl“, betont OB Ullrich Sierau in Anwesenheit von NRW-Innenminister Ralf Jäger und Verfassungsschutzchef Burkhard Freier bei der Vorstellung von „Wegweiser“.

Neue Beratungsstelle: „Wegweiser – gemeinsam gegen gewaltbereiten Salafismus“

Dortmund ist die fünfte NRW-Kommune, wo eine „Wegweiser“-Anlaufstelle eingerichtet wird.
Dortmund ist die fünfte NRW-Kommune, wo eine „Wegweiser“-Anlaufstelle eingerichtet wird.

Das NRW-Präventionsprogramm „Wegweiser – gemeinsam gegen gewaltbereiten Salafismus“ ist erfolgreich und wird weiter ausgebaut.

Im Dezember startete in Dortmund eine neue Beratungsstelle mit ihrer Arbeit. Betrieben wird sie vom Multikulturellen Forums Lünen e.V. – Kenan Küçük ist dessen Geschäftsführer und gut in der Region vernetzt. Bis Ende des nächsten Jahres sollen es in NRW 13 Anlaufstellen geben sowie ein mobiles Team.

„Die vielen Nachfragen von besorgten Angehörigen, Freunden und Lehrern zeigen: Das Projekt wird angenommen“, erklärte NRW-Innenminister Ralf Jäger. Weitere Anlaufstellen in Duisburg, im Kreis Wesel und Köln werden in den nächsten Wochen hinzukommen. Der stetige Ausbau der Anlaufstellen spiegelt den immensen Bedarf wieder.

Sierau dankte dem Innenministerium dafür, dass auch Dortmund als fünfte Kommune in das „Wegweiser“ – Programm dabei ist: „Zwar hat sich der Salafismus in Dortmund bisher nicht von seiner gewalttätigen Seite gezeigt oder sich gar bei uns eingenistet“, so Sierau.

Rekrutierungsversuche, Buchverteilungen und Veranstaltungen in Dortmund

Salafisten-Demonstration in Dortmund
Salafisten-Demonstration in Dortmund.

Allerdings hat es schon Rekrutierungsversuche gegeben. Auch salafistische Prediger und Buchverteiler kommen immer wieder auch nach Dortmund. „Daher können wir nicht sagen, dass es hier nicht nichts gibt“, erklärt Ordnungsdezernentin Diane Jägers.

„Wir müssen Vorsorge treffen gegen gewaltbereite Fanatiker, die versucht sein könnten, in Dortmund Fuß zu fassen. Die religiöse Toleranz hört da auf, wo der Glaube zur Diskriminierung Anderer missbraucht und mit Gewalt gegen unsere Freiheit instrumentalisiert wird“, so Sierau.

Daran soll das Team von Kenan Küçük arbeiten. Er ist froh, sowohl einen türkisch wie auch einen arabisch sprechenden Mitarbeiter zu haben – außerdem gibt es sowohl Männer und Frauen im Team der Anlaufstelle.  „Es sind erfahrene Pädagogen, keine Islamwissenschaftler“, verdeutlicht Küçük. „Wir wollen mit den Menschen arbeiten.“

Damit hat das Multikulturelle Forum seit 30 Jahren Erfahrung. So betreiben sie bisher Projekte gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. „Wir freuen uns, hier im Feld Salafismus-Prävention Verantwortung zu übernehmen“, so Küçük.

Weitere Anlaufstellen geplant – Angehörige, Freunde oder Lehrer fragen an

Salafisten-Demonstration in Dortmund
Regelmäßig gibt es Koranverteil-Aktionen in Dortmund – zu verbieten sind sie nicht.

In den bisherigen „Wegweiser“-Anlaufstellen in Düsseldorf, Bochum Bonn und Wuppertal wenden sich pro Woche rund 50 Hilfesuchende an die Beratungsteams.

Die Sozialarbeiter arbeiten zurzeit mit rund 40 Jugendlichen besonders intensiv, um ihre Radikalisierung zu stoppen. „Wir haben genau den richtigen Weg eingeschlagen und werden ihn konsequent fortsetzen“, unterstrich Jäger.

Oft sind es Mütter, Schwestern, Lehrerinnen, die die Veränderungen bemerken. Dass ihre Söhne – aber auch ihre Töchter – sich verändern, sich anders kleiden, plötzlich streng gläubig werden. Die Ursache liegt aber zumeist nicht in den Moscheevereinen, sondern die Gehirnwäsche erfolge über das Internet und in der persönlichen Ansprache.

Empfänglich seien junge Leute, die um Orientierung und Werte ringen, am Rande ihrer Peergroup stünden, sich nicht ernst genommen fühlen, Versagenserlebnisse und geringes Selbstwertgefühl hätten.

Sie sind „leichte Beute“ für salafistische Anwerber. Diese geben ihnen ein Gemeinschaftsgefühl, das Gefühl, etwas wert zu sein und etwas erreichen zu können. Und sie geben einfache Antworten auch auf komplexe Fragen.

Auch Dortmunder Moscheevereine arbeiten bei „Wegweiser“ mit

Um dort gegensteuern zu können, kann „Wegweiser“ auch auf viele Moscheevereine zählen. Deren Interesse sei es, die salafistische Radikalisierung zu bekämpfen. Denn sie schadeten dem Ruf des Islam in Deutschland.

In Dortmund leben 43.000 Muslime – es gibt mehr als 30 Moscheevereine. Bundesweit gebe es vier Millionen Muslime. Darunter seien lediglich 8000 politisch motivierte Salafisten. Der gewaltbereite Teil ist nochmals kleiner.

Sollte es in der Präventions- und Ausstiegsarbeit zu religiösen Debatten kommen, können sich die Sozialarbeiter von Geistlichen und Islamwissenschaftlern Unterstützung holen.

Persönliche BetreuerInnen vor Ort „weisen den Weg“ in eine andere Zukunft

Kenan Küçük ist Geschäftsführer des Multikulturellen Forums Lünen e.V..
Kenan Küçük ist Geschäftsführer des Multikulturellen Forums Lünen e.V. – Sein Verein organisiert die neue Anlaufstelle in Dortmund.

Wegweiser ist als umfassendes Präventionsprogramm konzipiert: Es setzt früher an und wirkt breiter als ein Aussteigerprogramm. Das Programm nimmt die Ursachen in den Blick.

Ziel von „Wegweiser“ ist es, den Einstieg junger Menschen in die gewaltbereite salafistische Szene zu verhindern. Dabei setzen die MacherInnen auf passgenaue und unmittelbare Hilfe. Persönliche BetreuerInnen vor Ort „weisen den Weg“.

Es geht dabei in der Regel um ganz konkrete Probleme – zum Beispiel in der Schule, bei der Ausbildungsplatzsuche, in der Identitätsfindungsphase. „Wir haben beispielsweise auch Schulverwaltung und Arbeitsagentur am Tisch.

Am Ende steht Erziehungsberatung im Mittelpunkt. Es geht darum, Wege zu glätten, die die Familie alleine nicht geglättet bekommen“, so Jägers.

„Das ist dann keine religiöse Frage, vermeidet aber politische und religiöse Radikalisierung. Radikalisierung ist zu Beginn immer ein Hilferuf. Normal führt Radikalisierung zur Ausgrenzung. Wir wollen den anderen Weg gehen.“

Dreiklang aus Repression, Prävention und Ausstiegshilfe

„Wegweiser“ gehört damit zum Dreiklang aus Repression, Prävention und Ausstiegshilfe. Die Beratung und die Hilfen erfolgen allerdings vertraulich.

Daher ist die Beratungsstelle auch bei einem zivilgesellschaftlichen Träger angesiedelt und nicht bei Sicherheits- oder Ordnungsbehörden: „Wegweiser ist unverdächtig, dass sofort eine Sanktion droht“, so Jägers.

In Kürze wird eine Dortmunder Hotline-Nummer veröffentlicht. Die Beratungsstelle ist am Friedensplatz 7. Bis dahin können sich Betroffene, Angehörige und Interessierte telefonisch unter 0211-8712728 oder unter www.wegweiser.nrw.de informieren.

Die Arbeit lohne sich: „Im Kampf gegen gewaltbereite Salafisten setzen wir neue Impulse“, betont Innenminister Jäger. „Prävention schützt uns gegen den Terror von morgen.“

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  1. Präventionsprogramm „Wegweiser“: Beratung jetzt anonym und online möglich – Reul: Kompass in unserer Demokratie ist unser Grundgesetz* (PM)

    Das Ministerium des Innern teilt mit: Das Präventionsprogramm „Wegweiser – Stark ohne islamistischen Extremismus“ geht mit einer neuen Website mit Live-Chatfunktion an den Start. Innenminister Herbert Reul stellte am Mittwoch, 15. November 2023, gemeinsam mit dem Chef des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, Jürgen Kayser, die Website und die dazugehörige Kampagne vor. Über die Website http://www.wegweiser.nrw.de können sich Ratsuchende jetzt auch abends und am Wochenende, anonym und vertraulich, an die Beraterinnen und Berater von „Wegweiser“ wenden.

    Innenminister Herbert Reul: „Leider sehen wir in diesen Tagen, dass sich Teile unserer Gesellschaft einen islamistischen Gottesstaat herbeisehnen. Aber unser Land ist eine Demokratie, der Kompass ist unser Grundgesetz. Prävention muss da beginnen, wo Radikalisierung beginnt. Das passiert heute mehr und mehr in Sozialen Medien. Ich bin froh, dass wir das ‚Wegweiser‘-Beratungsangebot weiter ausbauen. Wenn Rat gebraucht wird, ist mit dem Live-Chat eine einfache, unkomplizierte Beratung an der richtigen Stelle, im richtigen Moment möglich.“

    Die Bereitstellung einer Online-Komponente des Wegweiser-Programms ist Teil des in der vergangenen Woche von Ministerpräsident Hendrik Wüst vorgestellten 10-Punkte-Plans der Landesregierung gegen Antisemitismus in Nordrhein-Westfalen. Neben der Internetseite mit neuem Logo und Chatfunktion, ist „Wegweiser“ künftig auch auf YouTube, Instagram und Facebook zu finden. Zusätzlich machen ab November Plakatwerbung, Suchmaschinen-, Social-Media- und In-App-Werbung auf das Beratungsangebot aufmerksam.

    Beraterinnen und Berater von Wegweiser – Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Pädagoginnen und Pädagogen, Islam- oder Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler – betreuen den Chat, der höchste Sicherheitsstandards erfüllt.

    Der Leiter des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes Jürgen Kayser betont: „Der Chat und die Online-Beratung sind einzigartig in Deutschland. Nordrhein-Westfalen ist das erste Bundesland, in dem es diese Online-Chat-Variante gibt. Als Sicherheitsbehörde müssen wir besonders drauf achten, dass die Sicherheitsanforderungen erfüllt und die Anonymität und der Datenschutz gewährleistet sind. Der Ratsuchende kann völlig anonym bleiben. Es müssen keine Namen und kein Geburtsdatum angegeben werden. Das Chatmodul erhebt und speichert keine IP-Adressen. Nur so verdienen die Wegweiser das Vertrauen.“

    Das Präventionsprogramm „Wegweiser – Stark ohne islamistischen Extremismus“ des Landes Nordrhein-Westfalen richtet sich an junge Menschen, die bereits mit der islamistischen Szene sympathisieren oder sich zu ihr hinwenden. Ziel ist es, deren Einstieg in die Szene zu verhindern. Seit 2014 gibt es „Wegweiser“ in Nordrhein-Westfalen. Die über 80 Beraterinnen und Berater in den 25 landesweiten Stellen stehen auch Eltern, Lehrkräften oder Freunden mit Hilfe und Handlungssicherheiten im Umgang mit den vorwiegend Jugendlichen zur Verfügung.

    Nach der Pandemie stellen die Beratungsstellen einen gestiegenen Beratungsbedarf fest. Insbesondere Schulen fragen die Expertise der Wegweiser-Beratungsstellen an.

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