Wegen angespannter Lage auf dem Wohnungsmarkt: Vor allem Familien zieht es aus Dortmund ins angrenzende Umland

Stadtumlandwanderung, Vergleich 2008 (l.) zu 2018 (r.): immer mehr Fortzüge Richtung der Nachbarregionen relativ zu den Zuzügen nach Dortmund. Quelle (5): dortmundstatistik

Dortmund wächst. Immer mehr Menschen lassen sich hier nieder. Doch einige kehren der Stadt auch den Rücken. Und dies in den letzten Jahren in nicht unbeträchtlicher Zahl. Die Wanderungsverluste sind gegenüber dem angrenzenden Umland (s. die  beiden Karten) sogar größer als die Gewinne. Mit anderen Worten: Aus Dortmund ziehen mehr Menschen weg, als von dort, den angrenzenden Regionen in die Stadt ziehen. Warum eigentlich? – Das wollte die Verwaltung genauer wissen und hat nach den Motiven für die Abwanderung geforscht. Dies tat sie hauptsächlich aus zwei Gründen: Um Erkenntnisse über Steuerungsmöglichkeiten zu gewinnen und zu Planungszwecken für den Wohnungsmarkt.

Trotz Bevölkerungswachstum in Dortmund: Wanderungsverluste ins angrenzende Umfeld

Werden Zuzüge und Wegzüge insgesamt bilanziert, wächst Dortmund.

In Dortmund sterben jährlich mehr Menschen, als in der Stadt geboren werden. Doch statt zu schrumpfen, steigt die Bevölkerungszahl. Die Ursache liegt in der Zuwanderung: Mehr Menschen kommen hierhin, als abwandern; 2018 waren es im Saldo gut 1.800. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise sogar über 9.000. ___STEADY_PAYWALL___

Jedoch: Wird nur die Zu- und Abwanderung ins angrenzende Umland betrachtet, kehrt sie diese Tendenz um. Hier muss die Stadt Wanderungsverluste verzeichnen – und dies seit Jahren. Es zieht die Menschen beispielsweise nach Schwerte, Castrop-Rauxel oder Lünen (s.o.). Von wo weniger nach Dortmund kommen. War gegenüber Witten im Jahr 2008 die Bilanz noch positiv: auch hier gibt es mittlerweile einen Nettoverlust.

Was zieht Dortmunds Einwohner*innen so stark in Richtung Nachbarschaft? Die Frage ist bedeutsam für die Stadtentwicklung. Denn weiß ich etwas über die Motivation der Wander*innen, allgemeiner: darüber, wonach Wohnortwahlen entschieden werden, kann ich drüber nachdenken, wie gegengesteuert werden könnte, um die Abwanderung einzudämmen.

Motiv: Erklärung der Wegzüge aus Dortmund und Verfügung über Steuerungsinstrumente

Das Verhältnis dreht sich um, wird nur die unmittelbare Nachbarschaft berücksichtigt.

Muss das überhaupt sein? – Nur dann, wenn ich der Logik westlicher Wirtschaftssysteme auch bevölkerungspolitisch folge: wachsen, und nochmals wachsen. Ansonsten wäre zumindest das Motiv, den Abfluss in die Region auszudünnen, sinnlos. Anders für die Stadtplanung: Um zukünftige Bedarfe etwa an Wohnraum zu evaluieren, braucht es einigermaßen verlässliche Zahlen, was an Migrationsströmen zu erwarten ist. Und wenn die in irgendeiner Form kontrollierbar sind, erhöht das Planungssicherheit.

Schließlich: Sollen sich Menschen in Dortmund wohlfühlen, dann ist das Mehr an Abwanderung in die Region gegenüber dem Zuzug ein Hinweis darauf, dass es Handlungsbedarf geben könnte. Also wollte die Stadtspitze mal genauer hinschauen und bildete eine ämterübergreifende Arbeitsgruppe (AG), die mit einer „Wanderungsmotivuntersuchung“ beauftragt wurde.

Im Sommer 2019 wurden dazu 7.000 Fragebögen an zufällig ausgewählte Ex-Bürger*innen versandt, die zwischen 2016 und 2018 in das Umland gezogen waren, weitere 6.000 gingen an Neu-Dortmunder*innen. Zusätzlich wurden persönliche Interviews aus Dortmunder Neubaugebieten geführt sowie Workshops mit Expert*innen des Wohnungsmarktes veranstaltet.

Angespannte Lage auf dem Dortmunder Wohnungsmarkt motiviert Wegzug ins benachbarte Umland

Wohnen in Dortmund: ein Vergnügen, das für manche nicht mehr realisierbar ist, weil es der Markt allein nicht hergibt. Foto: Thomas Engel

Die Ergebnisse liegen nun vor. Sie sind teils uneinheitlich, lassen aber dennoch einige wichtige Aussagen zu. Die wohl entscheidende: Der Bevölkerungsabfluss hängt danach mit der angespannten Situation auf dem Dortmunder Wohnungsmarkt zusammen. Die dortigen Angebote werden knapper, das Preis-Leistungsverhältnis stellt sich außerhalb der Stadt als günstiger dar. – Konsequenz für viele: nichts wie weg!

Bezeichnend: Die in das Umfeld abgewanderten Personen gäben häufiger an, heißt es in dem Ergebnisbericht der AG (siehe den Link unten; hier S. 46), sie hätten eigentlich „keine räumliche Präferenz“ und daher eher nach dem passenden Wohnobjekt gesucht.

Vor ihrem Wegzug bemühten sie sich erfolglos im Dortmunder Stadtgebiet. „Bei einer Verfügbarkeit eines entsprechenden Wohnungsangebotes wären demnach viele Weggezogene auch gerne in Dortmund geblieben.“ Ginge es – umgekehrt – dagegen um den Zuzug in die Stadt, spielte hier stärker der Standort (sprich: dessen Zentralität) eine Rolle.

Alarmierende Erkenntnis: verhältnismäßig schlechte Karten für Familien mit Kindern

Kinder und Personen im Elternalter zieht es verstärkt in die Nachbarkommunen.

Was die weitere Analyse der Daten zeigt: Die Nahwanderungstendenz aus der Stadt, aufgeschlüsselt nach Altersgruppen, steigt besonders bei den unter  17-Jährigen sowie bei den 31- bis 45-Jährigen. Im Klartext, so die alarmierende Interpretation, die durch die Auswertung nahegelegt wird: es sind gerade die Familien, die zunehmend auf Schwierigkeiten stoßen, bezahlbaren und dazu passenden Wohnraum zu finden.

„Sie suchen im Schnitt länger als andere Haushaltstypen (je mehr Personen im Haushalt, desto länger die Suchdauer). Sie verlassen tendenziell häufiger die Stadt als die anderen befragten Haushaltstypen und nehmen dafür weitere Wege in Kauf“, heißt es im Weiteren dazu (S. 46) seitens der AG.

Für Singles, kinderlose Paare oder WG’s hingegen ist es deutlich leichter, auf dem Markt fündig zu werden. Oftmals handelt es sich hier um Haushaltsgründungen wegen des Berufs oder eines Studiums. Auch einige gut betuchte Senior*innen wissen offenbar die verhältnismäßig zentralen Lagen in Dortmund zu schätzen.

Mögliche Konsequenzen? – Benennung von Handlungserfordernissen für angepasstes Wohnkonzept

Angesichts dessen – was sind Handlungsoptionen der Kommune? In dem Bericht der AG unter Federführung des Amts für Wohnen werden eine Reihe von Vorschlägen aufgeführt, die freilich noch auf deren Umsetzbarkeit wie Zweckmäßigkeit hin zu untersuchen wären. Unter anderem sind genannt (S. 47f.):

Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, Wohnbauflächenentwicklung (unter anderem durch die konsequente Umsetzung der 25-Prozent-Quotenregelung für den öffentlich geförderten Wohnungsbau), Entwicklung eines Steuerungsinstruments, mit welchem Qualitäten und Nachhaltigkeit bei der Entwicklung von Flächen gegenüber wirtschaftlichen Interessen der Investoren gesichert werden können.

Vorrangige Entwicklung von infrastrukturell gut angebundenen Flächen, Vielfalt berücksichtigen (verschiedene Nachfragegruppen, flexible Grundrisse u.a.), unterschiedliche (Lage-)Qualitäten profilieren, höherwertige Objekte im oberen Preissegment für einkommensstärkere Haushalte.

Und schließlich: Wohneigentum im guten Preis-Leistungs-Verhältnis sowie familiengerechter Wohnraum, sowohl in innerstädtischen Lagen als auch in den Außenbezirken (Förderungsmöglichkeiten für große Wohnungen erweitern), höhere bauliche Dichte, weniger Individualwohnfläche, mehr Gemeinschaftsfläche, Barrierefreiheit, Energieeffizienz.

Weitere Informationen:

  • Ergebnisbericht_Wanderungsmotivuntersuchung; hier:
  • Umfragebericht 2018 – Nachfrageanalyse zur Situation auf dem Dortmunder Wohnungsmarkt; hier:
  • Dortmundstatistik 2019, Bevölkerung; hier:
  • Dortmundstatistik 2019, Stadtteile; hier:

 

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    Hinter allen kartographischen Darstellungen stehen Kennzahlen, die, neben einer textlichen Zusammenfassung, auch in tabellarischer Form zur Verfügung stehen. Seit der Erstauflage des Statistikatlasses im Jahr 2007 finden all diese Kennzahlen regelmäßig Eingang in die Fachplanung der Stadtverwaltung, dabei ist vor allem die Zusammenschau der dargestellten Lebensbereiche von Bedeutung:

    So greift die Stadtplanung für ihre integrierten Stadtbezirksentwicklungskonzepte (InSEKts) auf das Datenmaterial zu, die Stadterneuerung erhält räumliche Hinweise, welche Quartiere sie zukünftig intensiver in den Blick nehmen sollte, die Wohnungsmarktbeobachtung, wo die Fluktuation hoch und wo in „gealterten“ Quartieren ggf. Wohnraum frei wird, die Sozialplaner*innen sehen, wo ein erhöhter Transferleistungsbezugs evtl. mit anderen Indikatoren wie Bildung und Haushaltsgröße einhergehen kann und die Wirtschaftsförderung, wo Dienstleistungen zielgruppenspezifisch oder kundenorientiert angesiedelt werden können.

    Aber auch für alle anderen Akteurinnen und Akteure, die sich vor Ort in ihrem Nahbereich engagieren, ob kommunalpolitisch oder in Vereinen und Verbänden, ob beruflich oder ehrenamtlich: Der aktualisierte vierte Statistikatlas steht in Kürze online auf den Seiten der Dortmunder Statistik http://www.statistik.dortmund.de zur Verfügung.

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