Sehr schwere Zeiten in der „Herzkammer der Sozialdemokratie“ – in Dortmund wird es auch für die SPD immer schwerer, Wahlen zu gewinnen. Während Thomas Westphal (SPD) bei der Oberbürgermeister*innen-Wahl mit 35,9 Prozent die Nase vorn hat, haben sich dahinter Daniela Schneckenburger (Grüne) und Dr. Andreas Hollstein (CDU) ein Rennen um den Einzug in die Stichwahl geliefert. Hollstein hatte schließlich Oberwasser – er kam auf 25,9 Prozent, Schneckenburger als Dritte auf 21,8 Prozent (Stand 23.50 Uhr).
Die SPD muss in der Stichwahl erstmals nach 74 Jahren um ihren OB-Posten fürchten
Sicher sein kann sich SPD-Bewerber Thomas Westphal für die Stichwahl nicht – deren Beibehaltung könnte ihm den Einzug ins Rathaus vermasseln, weil die Wechselstimmung ihm zum Verhängnis werden könnte.
Zumindest dann, wenn sich die bisherigen Grünen- bzw. CDU-Wähler*innen in der Stichwahl zusammen tun – in diesem Fall läge es im Bereich des Möglichen, dass es nach 74 Jahren erstmals keinen SPD-OB in Dortmund gäbe.
Doch Westphal gab sich – anders war es nicht zu erwarten – zuversichtlich: „Bei den anderen herrscht jetzt gerade keine Entspannung. Wir können zufrieden sein, finde ich“, verweist der SPD-Kandidat für das Dortmunder Spitzenamt kurz nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse auf den Abstand zur grün-schwarzen Konkurrenz und deren Rennen um den Platz hinter ihm.
Allerdings muss seine Partei kämpfen wie nie und in den nächsten zwei Wochen massiv um die Gunst der Wähler*innen buhlen, um massiven (nicht nur Image-) Schaden abzuwenden.
CDU-Kandidat Andreas Hollstein hat gute Chancen – und Erfahrungen in einer Koalition mit Grünen
CDU-Kandidat Andreas Hollstein wird es ihm jedenfalls nicht leicht machen – noch nie war ein Wechsel in Dortmund so mit Händen greifbar, auch wenn vor sechs Jahren die Stichwahl zwischen dem damaligen SPD-Amtsinhaber Ullrich Sierau und Dr. Annette Littmann (CDU) überraschend knapp ausgegangen war.
Hollstein war im Wahlkampf angetreten, um nach 74 Jahren die SPD-Dominanz an der Spitze der Stadt zu brechen. Es steht zu erwarten, dass der bisherige Bürgermeister aus Altena für viele Wähler*innen der Grünen in Dortmund eine Alternative darstellen könnte – denn in Altena, wo er 20 Jahre Bürgermeister war und nicht mehr kandidiert hat hatte er auch eine Koalition von CDU und Grünen geschmiedet.
Auf Platz 4 im Rennen um den OB-Posten landete Utz Kowalewski (Linke) mit 4,3 Prozent. Eine besondere Schmach gab es für den früheren FDP-Bundestagsabgeordneten und Kreisvorsitzenden Michael Kauch – er musste um Platz 5 mit dem Bewerber der Neonazi-Partei „Die Rechte“ – dem früheren AfD-Kreisvorsitzenden Bernd Schreyner – kämpfen. Beide lagen zwischenzeitlich bei um die drei Prozent. Einen Achtungserfolg erzielte Judith Storb von der Partei „Die Partei“ – sie erzielte nach Auszählung von ca. 95 Prozent der Wahlkreise knapp 2,4 Prozent.
Massive Verschiebungen im Stadtrat – SPD, CDU und Grüne sind mittlerweile auf Augenhöhe
Unabhängig vom Wahlausgang der OB-Wahl: Die Dominanz der SPD im Rat ist gebrochen. Auch wenn sie weiter die Nase vorn hat, musste sie doch massive Stimmenverluste hinnehmen.
Bis zum Ende der Auszählung lieferten sich CDU und Grüne ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Während die SPD nur noch knapp an der 30-Prozent-Marke kratzen konnte, lagen CDU und Grüne lange jeweils bei rund 24 Prozent (Stand 23.55 Uhr: CDU 22,5 Prozent, Grüne 24,8 Prozent – in 662 von 671 Wahlkreisen).
„Fakt ist, die stärkste Kraft in Dortmund ist die Sozialdemokratie“, bewertete Thomas Westphal die 18-Uhr-Prognose unter Beifall der anwesenden Genoss*innen – es ist dennoch das schlechteste Dortmunder SPD-Ergebnis seit 1946.
SPD-Bürgermeisterin Birgit Jörder verpasst den Wiedereinzug in den Rat
Besonders schmerzlich ist für die SPD der Verlust des Direktwahlkreises ud damit auch des Mandates von Bürgermeisterin Birgit Jörder – sie hat ihren Wahlkreis überraschend an die Grünen verloren und damit den Wiedereinzug in den Rat verpasst.
Denn mit 27 Direktwahlmandaten für die SPD, sieben für Grüne und sechs für die CDU wird die SPD-Reserveliste nicht ziehen. Im Gegenteil: Die anderen Parteien können mit Ausgleichs- und Überhangmandaten rechnen, weil die SPD im Verhältnis mehr Direktmandate erreicht hat, als ihr entsprechend der Ratswahlergebnisse zustehen würde.
Die SPD kommt nur noch auf knapp 30 Prozent – ein Verlust von mehr als acht Prozentpunkten gegenüber der Wahl vor sechs Jahren. Auch die CDU verliert fast fünf Prozentpunkte und kommt „nur noch“ auf 22,5 Prozent. Klare Gewinner sind hier die Grünen: Sie können massiv zulegen und kommen auf 24,8 Prozent – 9,4 Prozentpunkte mehr als bei der Kommunalwahl 2014. Während die SPD nur noch mit 27 Ratsmitgliedern vertreten ist, kommen die Grünen auf 22 und die CDU auf 20.
Dass dies auch in der thematischen Ausrichtung der künftigen Dortmunder Politik eine gewichtige Rolle spielen muss, ist für CDU-Fraktionsvize Dr. Jendrick Suck ausgemachte Sache. Seine Partei habe mit dem verhältnismäßig grünen Wahlprogramm „gerade noch die Kurve“ gekriegt – seiner Ansicht nach eine längst überfällige Neuausrichtung, um „thematisch in einer modernen Großstadt anzukommen“, sagte er im Gespräch mit Nordstadtblogger.
Linke und AfD liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz vier der Fraktionen
Beim Rennen um die viertgrößte Ratsfraktion trafen Linke und AfD aufeinander – während die Linke Einbußen hinnehmen musste, legte die AfD zu – wenn auch nicht so stark wie im Landestrend und anderen Wahlen in Dortmund.
Die Linke kam auf 5,57 Prozent (Minus 1,2 Prozentpunkte) und fünf Sitze, die AfD auf 5,47 Prozent (plus zwei Prozentpunkte) und fünf Sitze. Wenn die Linke wieder eine Fraktionsgemeinschaft mit den Piraten bildet, wären sie erneut die viertstärkste Fraktion.
Die Partei „Die Partei“ hat erstmals den Einzug in den Rat geschafft (2,7 Prozent) und kann mit drei Mandaten sogar eine Fraktion bilden.
Auch die FDP ist wieder vertreten (3,44 Prozent) – mit drei Sitzen. Die Piraten und die Bürgerliste können nach der vorläufigen Sitzverteilung jeweils mit einem Ratsmandat rechnen. In der vergangenen Wahlperiode haben FDP und Bürgerliste eine Fraktionsgemeinschaft gebildet. Neu im Rat wären nach der vorläufigen Sitzverteilung die Tierschutzpartei sowie das „Bündnis für Vielfalt und Toleranz“ (BVT) mit jeweils einem Sitz. (Stand: Montag 11.30 Uhr)
Umwelt und Klima war landesweit der beherrschende Themenkomplex
Die SPD hatte vor allem auch darum landesweit massive Probleme, weil trotz der Corona-Krise die Themen Umwelt und Klima laut Infratest-Dimap mit 31 Prozent die wichtigsten für die Wähler*innen sind – vor sechs Jahren waren das noch 12 Prozentpunkte weniger.
Das Thema Wirtschaft landete mit 28 Prozent (2014: 36 Prozent) nur auf Platz 2. Das Thema Schule und Bildung war rund einem Viertel der Wähler*innen besonders wichtig. (23 statt 25 Prozent).
Das Themenfeld Einwanderung und Integration landete mit 21 Prozent (2014: 23 Prozent) auf Platz 4 der wichtigsten Themen, der Komplex Verkehr und Stadtplanung legte hingegen auf 19 Prozent zu (2014: 15 Prozent).
Anmerkung der Redaktion: Wir werden am Montag noch weitere Berichte bringen.
Alle Zahlen gibt es hier: https://wahlen.digistadtdo.de/wahlergebnisse/…../index.html
Es berichten Leopold Achilles, Thomas Engel, Sascha Fijneman, Karsten Wickern und Alexander Völkel
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Presseerklärung: DIE LINKE. Dortmund zum Ausgang der Kommunalwahl
Presseerklärung: DIE LINKE. Dortmund zum Ausgang der Kommunalwahl
Dortmund hat gewählt. Das Ergebnis zeigt wie erwartet massive Stimmengewinne der Grünen und größere Verluste der SPD. – Auch die LINKE musste leichte Stimmenverluste hinnehmen. Im Stadtrat verlor sie ein Mandat, ist aber in allen Bezirksvertretungen mit derselben Zahl an Sitzen vertreten wie bisher.
Positiv ist, dass die Neonazis (Die Rechte) keine Erfolge feiern konnten und die NPD ganz von der Bildfläche verschwunden ist. Ebenfalls positiv ist, dass die AfD in Dortmund ein im Vergleich zu Bundes- oder Landtagswahlen weit unterdurchschnittliches Ergebnis erzielte.
„Die Grünen werden sich an ihren Versprechen messen lassen, sofern eine aufmerksame Öffentlichkeit ihr Handeln verfolgt. – Für die Linke wird es darauf ankommen, ihre Kompetenz und ihr Engagement in Ökologie und Umweltbelangen deutlicher sichtbar zu machen (kein Flughafenausbau, kein Ausbau der OW IIIa, Verringerung des Autoverkehrs zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs), aber im Unterschied zu den anderen Parteien auch den Abgehängten und Verarmten eine Stimme zu geben.“, so Kreissprecher Christian Seyda.
Grüne Jugend gewinnt Dortmunder Direktwahlkreis gegen Bürgermeisterin (PM)
Grüne Jugend gewinnt Dortmunder Direktwahlkreis gegen Bürgermeisterin
Die Grüne Jugend-Kandidatin Hannah Sassen hat den Dortmunder Direktwahlkreis 2 Hafen-Süd gegen die bisherige Bürgermeisterin Birgit Jörder gewonnen. Während neben Hannah Sassen auch die zweite Grüne Jugend-Kandidatin Katrin Lögering in den Stadtrat gewählt wurde, hat Birgit Jörder somit zum ersten Mal seit 1994 den Einzug verpasst. Die Grünen gewannen bei der Kommunalwahl erstmalig Direktmandate.
In ganz NRW erreichten die Grünen bei den 16- bis 26-Jährigen einen Stimmanteil von 34%. Die Wünsche und Hoffnungen genau dieser jungen Wähler*innen vertreten in Zukunft im Dortmunder Stadtrat zwei Kandidatinnen der Grünen Jugend. Auch die Interessen der Anwohner*innen im Direktwahlkreis Hafen-Süd sollen nun endlich im Rat mehr berücksichtigt werden. „Wir wollten diesen Wahlkreis unbedingt gewinnen. Dass Hannah ausgerechnet gegen eine amtierende Bürgermeisterin antritt, hat uns nur noch mehr motiviert,“ sagt Stefan Rath, Sprecher der Grünen Jugend Dortmund.
Monatelang hat die Grüne Jugend Dortmund ihren eigenen Wahlkampf geplant und durchgeführt. Grüne Jugend-Plakate und dutzende Stände und Verteilaktionen in der ganzen Stadt waren das Ergebnis. Die Wähler*innen in Dortmund sollten sehen, dass eine Stimme für GRÜN auch eine Stimme für eine junge, weibliche und mutige Politik ist. Neben den beiden Grüne Jugend-Kandidatinnen sind in der neuen Grünen Fraktion viele weitere junge Gesichter, unter anderem Lisa Schultze, Julian Jansen, Jenny Brunner, Pia Soldan-Bank und Leander Schreyer.
Pressemitteilung: GRÜNE Dortmund beschließen Gespräche mit SPD und CDU zur Stichwahl
GRÜNE Dortmund beschließen Gespräche mit SPD und CDU zur Stichwahl
Die Mitgliederversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Dortmund stellt fest:
Das Ergebnis der Kommunalwahl am 13.09. hat deutlich gemacht: Viele Menschen in Dortmund setzen darauf, dass sich etwas ändert in unserer Stadt.
Dieser Veränderungswunsch ist mit einem hohen Vertrauen in GRÜNE Politik und der Erwartung verbunden, dass sich Veränderung erfahrbar und spürbar in der kommenden Ratsperiode umsetzt.
24,81 % der Wähler*innen haben den GRÜNEN ihre Stimme und damit ihr Vertrauen geschenkt und damit das bislang beste Ergebnis der GRÜNEN in Dortmund möglich gemacht. Sieben Direktmandate für GRÜNE Kandidat*innen zeigen, dass Wähler*innen sich eine stärkere Vertretung von GRÜNEN Themen im Rat und in den Bezirksvertretungen Dortmunds wünschen.
Dies ist auch einem hoch motivierten Wahlkampf zu verdanken, in dem die Kandidat*innen auf den Reservelisten für den Rat und die Bezirksvertretung, die Mitglieder in den Ortsverbänden, im Vorstand, in der GRÜNEN Jugend und weitere Unterstützer*innen ebenso wie unsere OB-Kandidatin Daniela Schneckenburger, Mitarbeiter*innen im Team und viele für GRÜN engagierte Menschen dafür gesorgt haben, dass GRÜNE Themen im Wahlkampf sichtbar wurden.
Ihnen allen gebührt unser herzlicher Dank. GRÜNER Erfolg, das hat uns dieser Wahlkampf wieder gezeigt, ist Teamarbeit und Politik auf Augenhöhe mit den Menschen in Dortmund.
In Dortmund darf es nun kein „weiter-So“ nach dieser Wahl geben. Die Verluste von SPD und CDU haben deutlich gemacht, dass das Vertrauen der Menschen, dass die bislang in Dortmund prägenden Zusammenarbeit zwischen SPD und CDU die Stadt in eine richtige Richtung führt, geschwunden ist. Es geht darum, in Dortmund eine Wende einzuleiten, die den Auftrag den Wechsel zu organisieren, ernst nimmt.
Die GRÜNEN haben als gestaltende Kraft der linken Mitte die Aufgabe, das gewachsene Zutrauen zu GRÜNER Politik nun in konkrete Projekte umzusetzen und ein Maximum an GRÜNER Politik möglich und sichtbar zu machen. Dafür sind wir gewählt worden.
Dabei beziehen wir auch ein, dass dem in der Stichwahl noch zu bestimmenden Oberbürgermeister der Stadt Dortmund eine entscheidende Rolle dabei zukommt, Verwaltung zu führen, Aufträge des Rates umzusetzen und auf Augenhöhe, wertschätzend und vertrauensvoll mit den Mitgliedern des Rates der Stadt Dortmund zum Wohl der Stadt zusammenzuarbeiten.
Die Mitgliederversammlung beauftragt daher die Sprecher*innen des Kreisverbandes, die beiden Spitzenkandidat*innen, die OB-Kandidatin und ein entsandtes Mitglied der GRÜNEN JUGEND, in Sondierungsgesprächen mit SPD und CDU auszuloten, in welcher Kooperation ein Maximum an GRÜNER Politik machbar ist, und auf dieser Basis der Mitgliedschaft in einer nächsten Mitgliederversammlung am 22. September einen Vorschlag zu unterbreiten, ob, in welcher Form und auf welcher Grundlage eine Empfehlung für eine Stichwahl zur Wahl des Oberbürgermeisters der Stadt Dortmund durch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erfolgen kann.