Die nordwestdeutsche Stahlindustrie steuert auf einen massiven Arbeitskampf zu. In den Verhandlungen gab es in der zweiten Runde keinen Fortschritt. Die Beschäftigten fordern eine prozentuale Entgelterhöhung, aber die Arbeitgeber bieten bislang lediglich eine Einmalzahlung an. Um den berechtigten Forderungen der Beschäftigten Nachdruck zu verleihen, finden massive Warnstreiks statt, um Druck auf die nächste Verhandlung am kommenden Freitag zu machen.
Knut Giesler: „Wir haben im Stahl eine besonders gute Konjunktur“
Auch die IG Metall-Geschäftsstelle Ruhrgebiet Mitte beteiligt sich daran – am heutigen Dienstag (7. Juni 2022) mit dem ersten Warnstreik in Dortmund und am Mittwoch in Bochum. Die Stimmung ist kämpferisch. Denn weiter könnten die Positionen kaum entfernt sein. Während die Arbeitgeber bisher lediglich eine Einmalzahlung von 2100 Euro angeboten haben, fordern die Beschäftigten 8,2 Prozent mehr Lohn und Gehalt.
Die IG Metall sieht sich mit der Position im Recht, denn die Stahlindustrie fährt aktuell riesige Gewinne ein. „Wir haben im Stahl eine besonders gute Konjunktur, die Stahlbetriebe sind die einzige Branche, die ihre Kosten komplett weitergeben können“, verdeutlicht Knut Giesler, Verhandlungsführer IG Metall NRW, im Gespräch mit Nordstadtblogger.
„Eine Tonne Stahl kostet normalerweise um die 500 Euro, heute liegt sie bei 1200 Euro. Die Stahl-Unternehmen haben ihre Belastungen an die Kunden weitergeben können. Das können unsere Kolleg:innen nicht“, sagt Giesler mit Blick auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten und die massive Inflation. „Daher fordern sie 8,2 Prozent mehr.“ Die Personalkosten machen zudem nur zu zehn Prozent der Gesamtkosten aus.
Ulrike Hölter: „Die Kolleg:innen haben sich die Kohle echt verdient“
Auch Ulrike Hölter, Chefin der IG Metall Ruhr-Mitte, sieht die Unternehmen in der Pflicht: „Ich mache schon lange Tarifpolitik. Wenn es schlecht läuft sagen sie, wir können nichts fordern und wenns gut läuft sagen sie, es könnte ja schlechter werden. Das ist die Ausrede.“ Daher sei die Streikbereitschaft hoch – ebenso wie der Unmut auf Unternehmen wie ThyssenKruppSteel.
Sie wollen ihrer Forderung Nachdruck verleihen. „Insbesondere in Dortmund ist das besonders wichtig, weil die Kolleg:innen hier echt geackert haben und richtig viel geleistet“, so Hölter. Daher haben die „Hoeschianer“ auch alle Anlagen auf der Westfalenhütte still gelegt, um ein deutliches Zeichen zu setzen.
Am Mittwoch gehen die Warnstreiks in Bochum weiter, um die Forderungen zu untermauern: „In der Stahlindustrie ist echt viel Geld verdient worden. Wir sind jetzt in einer sehr guten Situation, und da wollen wir dran teilhaben – die Kolleg:innen haben sich die Kohle echt verdient“, so Hölter.
Ab der kommenden Woche droht unbefristeter Streik
„In der vergangenen Woche hatten wir schon über 9000 Kolleg:innen, die sich an den Warnstreiks beteiligt haben. Das werden wir in dieser Woche noch toppen“, sagt Verhandlungsführer Giesler mit Blick auf die Verhandlungsrunde am Freitag.
Es sei quasi die letzte Chance der Arbeitgeberseite, ein deutlich verbessertes Angebot zu machen. „Wenn nicht, wird es ab nächster Woche schwierig, noch auf diesem Weg zu einer Lösung zu kommen“, so Giesler.
Dann könnte es in der Folge zu unbefristeten Streiks kommen. Die Belegschaften aus Dortmund sind jedenfalls bereit: „8,2 – Friedenspflicht vorbei“ skandierten sie mit Blick auf den ausgelaufenen Tarifvertrag bei ihrem Demozug rund um den Borsigplatz.
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Warnstreik in der nordwestdeutsche Eisen- und Stahlindustrie am 13.06.2022 (PM)
Nachdem die Verhandlungen in der nordwestdeutschen Eisen- und Stahlindustrie am Freitag ohne Ergebnis geblieben sind, hat die Tarifkommission am Samstag, den 11.06.2022 die Fortführung der Warnstreiks ab Montag, den 13.06.2022 beschlossen.
Das aktualisierte Angebot der Arbeitgeber von 4,7 Prozent für 21 Monate ist weit von der Forderung von 8,2 Prozent entfernt, so die einhellige Meinung der Tarifkommission. Die IG Metall Geschäftsstelle Ruhrgebiet Mitte ruft folgende Betriebe für Montag, den 13.06.2022 zum Warnstreik auf:
thyssenkrupp Steel Europe AG, Werk Dortmund, Doncasters Precision Castings-Bochum
thyssenkrupp Steel Europe AG, Werk Bochum NO Stahlwerke Bochum GmbH und
thyssenkrupp Steel Europe AG.
6,5 Prozent mehr Geld für Stahl-Beschäftigte auch im Osten (PM IG METALL)
Höchster Tarifabschluss seit 30 Jahren in der Stahlindustrie: 6,5 Prozent mehr Geld für 18 Monate. Dazu kommt eine Einmalzahlung von 500 Euro. Fast 34000 Beschäftigte haben dafür mit Warnstreiks Druck gemacht. Jetzt hat auch die ostdeutsche Stahlindustrie den Abschluss übernommen.
Ab August gibt es 6,5 Prozent mehr Geld für die Beschäftigten in der nordwestdeutschen und ostdeutschen Eisen- und Stahlindustrie. Für die Monate Juni und Juli wurde eine einmalige Zahlung von 500 Euro vereinbart. Die Auszubildenden erhalten 200 Euro. Dieses Verhandlungsergebnis hat die IG Metall am frühen Mittwochmorgen in der vierten Verhandlungsrunde in Düsseldorf durchgesetzt.
Am heutigen Freitag haben sich auch IG Metall und die Stahlarbeitgeber in der ostdeutschen Stahlindustrie auf die Übernahme des Tarifergebnisses der nordwestdeutschen Stahlindustrie verständigt. Die Tarifkommission der ostdeutschen Stahlindustrie hat das Ergebnis im Anschluss der Verhandlung diskutiert und die Annahme empfohlen.
Die Laufzeit der Entgelttarife beträgt 18 Monate und endet am 30. November 2023. Zudem wurde die Verlängerung der Tarifverträge über Altersteilzeit, zur Beschäftigungssicherung sowie über den Einsatz von Werkverträgen beschlossen. Bis 31. Juli 2022 wollen IG Metall und Arbeitgeber einen Tarifvertrag für Dual Studierende vorlegen.
„In Zeiten einer hohen Inflation ist uns ein Verhandlungsergebnis gelungen, das den Beschäftigten sofort ein deutliches Plus von 6,5 Prozent ins Portemonnaie bringt“, meint Knut Giesler, IG Metall-Bezirksleiter in NRW und Verhandlungsführer. „Das ist die höchste prozentuale Erhöhung in der Stahlindustrie seit 30 Jahren. Die unteren Entgeltgruppen sowie die Auszubildenden profitieren zudem von den 500 Euro beziehungsweise 200 Euro überdurchschnittlich. Mit diesem Ergebnis erhalten die Beschäftigten ihren berechtigten Anteil an der momentan sehr guten wirtschaftlichen Situation der Branche.“
Der Tarifabschluss betrifft 68 000 Beschäftigte in der nordwestdeutschen Stahlindustrie (NRW, Niedersachsen, Bremen, Hessen) und 8500 Beschäfigte in der ostdeutschen Stahlindustrie.
„Die Stahlindustrie fährt derzeit hohe Gewinne ein und sie reicht die hohen Energie- und Rohstoffpreise vielfach an ihre Kunden weiter“, erklätz Birgit Dietze, ostdeutsche Verhandlungsführerin und Bezirksleiterin der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen. „Das können unsere Kolleginnen und Kollegen nicht. Aber sie sind es, die tagtäglich die Gewinne erwirtschaften und die für die Produktion erforderliche Flexibilität erbringen. Deshalb ist es gut, dass dieser Abschluss ihnen einen berechtigten Anteil an den Gewinnen verschafft.“