Der „Dortmunder Rathaussturm“ und kein Ende? Nach mehr als zwei Jahren will das Amtsgericht Dortmund zumindest bei den 14 Nötigungsverfahren gegen die „Rathausblockierer“ einen Schlussstrich ziehen. Die Staatsanwaltschaft hat zugestimmt – die Beschuldigten werden dies voraussichtlich auch tun.
Gegen 65 Menschen aus dem bürgerlichen oder linken Lager wurde ermittelt
Insgesamt gegen 65 Menschen aus dem bürgerlichen oder linken Lager und gegen 23 Rechte war ursprünglich ermittelt worden. Gegen 45 „Rathausblockierer“ gab es keinen hinreichenden Tatverdacht.
Gegen eine große Gruppe ging das Verfahren als Beschuldigte jedoch weiter: 14 Strafbefehle wurden wegen gemeinschaftlicher Nötigung, zwei wegen versuchter Körperverletzung und zwei wegen Beleidigung erlassen.
Die Staatsanwaltschaft hat nun den 14 DemokratInnen und AntifaschistInnen, die der gemeinschaftlichen Nötigung beschuldigt wurden, die Einstellung des Verfahrens angeboten. Wenn überhaupt, sei die Schuld gering.
Außerdem räumte auch die Staatsanwaltschaft ein, dass „nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit der Täter besondere Umstände vorliegen, die eine Verhängung von Strafe entbehrlich machen.“ Teilweise wurden die der Nötigung Beschuldigten von Neonazis auch körperlich verletzt – es gab entsprechende Verurteilungen wegen Faustschlag bzw. Flaschenwurf.
Mit der Einstellung des Verfahrens ist kein Schuldeingeständnis verbunden
Die Kosten des Verfahrens sowie die den Beschuldigten durch das Verfahren entstandenen Kosten wird die Staatskasse übernehmen. Die 14 Beschuldigten müssen dieser Einstellung jedoch noch schriftlich zustimmen.
Vorsorglich weist das Gericht in dem fünfseitigen Schreiben darauf hin, dass mit der Einstellung weder ein Schuldeingeständnis noch ein „Makel der Strafe“ verbunden sei.
„Ob sich der Betroffene wirklich schuldig gemacht hat, kann offen bleiben. In der Einstellung liegt auch kein Unwerturteil. Er kann sich weiterhin auf die Unschuldsvermutung berufen“, heißt es in dem Schreiben, welches die Beschuldigten und ihre Anwälte erreicht hat.
Durch die angekündigte Einstellung des Verfahrens geht eine unendliche Geschichte zuende, die in der Stadt zu erheblichen Spannungen zwischen der Stadtgesellschaft auf der einen und Polizei und Justiz auf der anderen Seite geführt hat.
Amtsgericht hatte bereits im vergangenen Jahr nicht verhandeln wollen
Auch das Amtsgericht riss sich nicht gerade um das Verfahren und hatte vor rund einem Jahr die Eröffnung abgelehnt. Der zuständige Amtsrichter machte in seinem 17-seitigen Schreiben deutlich, dass ein Verfahren mit 14 Angeschuldigten und bis zu 14 Verteidigern erheblich vom üblichen Umfang abweiche.
Denn das Amtsgericht sah eine „schwierige Sach- und Rechtslage“ und befürchtete einen großen Zeitaufwand durch die Auswertung des umfangreichen Videomaterials und die Vernehmung von mehreren Dutzend Zeugen.
Zudem scheute das Amtsgericht die zu erwartende überregionale Aufmerksamkeit und die politische Dimension des Verfahrens und sah daher das Landgericht in der Pflicht. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft jedoch erfolgreich Beschwerde ein.
Anwalt Gregor Gysi glaubt nicht, dass es zu Verurteilungen gekommen wäre
Im Oktober 2015 kam der „Schwarze Peter“ daher zurück: Das Landgericht entschied, dass das Verfahren gegen die sogenannten „Rathaus-Blockierer“ nun doch vor dem Amtsgericht geführt werden müsse. Dazu kommt es nun wahrscheinlich nicht mehr – falls die Betroffenen zustimmen.
Die ersten Betroffenen haben der Einstellung schon zugestimmt – so auch die Vorsitzende der Dortmunder Piraten, Nadja Reigl. Ihr Anwalt, der frühere Linken-Fraktionschef im Bundestag, Dr. Gregor Gysi, betonte gegenüber seiner Mandantin, dass die Anklage wohl selber nicht geglaubt habe, eine Verurteilung zu erzielen.
Dies werde dadurch deutlich, dass sie sowohl auf die Kostenübernahme und die Schuldfreiheit pochten, so Gysi zu der Dortmunder Politikerin.
„Sie hätten von Anfang an die Verfahren einstellen müssen. Es ist peinlich, dass die dafür zwei Jahre gebraucht haben“, betont Reigl. Sie ist selbst noch Zeugin in einem Verfahren gegen einen Neonazi, der sie vor der Rathaustür ins Gesicht geschlagen hatte.
Juristische Aufarbeitung des Wahlabends vor dem Amtsgericht wäre beendet
Damit wäre dann zumindest vor dem Amtsgericht das Thema „Rathaussturm“ durch. Dort sind auch die Verfahren gegen die Neonazis u.a. wegen Körperverletzungs-Vorwürfen abgeschlossen – die meisten mit einem Schuldzuspruch.
Jetzt sind nur noch Berufungsverhandlungen bzw. Revisionen vor dem Landgericht bzw. dem OLG anhängig.
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