Im Rahmen der aktuellen Ausstellung „Technoschamanismus“ lädt der Hardware Kunst- und Medienverein (HMKV) zu einem Veranstaltungsabend mit dem Berliner Künstler Leon Kahane vom Forum demokratische Kultur und zeitgenössische Kunst der Amadeu Antonio Stiftung. Er wird am kommenden Freitag, 19. November 2021, um 19 Uhr einen Vortrag unter dem Titel „Der Schamane in der neuen esoterischen Rechten“ halten und im Anschluss mit den Gästen über das Thema diskutieren. Die Veranstaltung findet im Kino im Erdgeschoss des Dortmunder U statt. Wer es an dem Abend nicht in das Dortmunder U schafft, hat die Möglichkeit, die Veranstaltung auf der Website über den Videostream live mitzuverfolgen (Link im Anhang des Artikels). Für den Besuch gilt in Sachen Infektionsschutz die 2G-Regel und es muss ein medizinischer Mund-Nasen-Schutz (OP-Maske, FFP2 o.a.) getragen werden.
Künstler Leon Kahane ist am Freitag zu Gast beim HMKV
Schamanismus und Esoterik sind in der neuen Rechten eine Antithese zur Moderne, von der sie ihre eigene, vermeintlich ungebrochene Identität bedroht sieht. In den Gesellschaftsphänomenen der modernen Welt sehen Anhänger:innen der neuen Rechten die Zerstörung der eigenen Ursprünglichkeit, die sich meist mündlich über Mythen und Sagen überliefert.
Die Idee, dass man Teil einer indigenen Gruppe ist, stammt aus einer Herrenmenschen-Idee, bei der die sogenannte weiße Rasse an der Spitze einer ethnopluralistisch organisierten Welt steht. Die eigene Identität wird also zu einem alles definierenden und unhinterfragbaren Argument erhoben. Auf dieser Basis von vermeintlicher Konfliktlosigkeit inszenieren sich diese neurechten Bewegungen als friedens- und harmonieorientiert.
Leon Kahane, geboren 1985 in Berlin, schafft konzeptuelle Videoarbeiten, Fotografien und Installationen, in denen Themen wie Migration, Identität und die Auseinandersetzung mit Mehr- und Minderheiten in einer globalisierten Gesellschaft im Zentrum stehen. Vor allem die soziokulturelle Verortung aktueller politischer Diskurse und Dynamiken ist von zentraler Bedeutung für seinen künstlerischen Ansatz, der eine Form der Kulturkritik darstellt.
Bedrohung der Identität: Schamanismus und Esoterik als Antithese zur Moderne
In der konflikt- und widerspruchsoffenen Moderne sehen Neurechte einen direkten Widerspruch zur eigenen Idealwelt. Sie gilt außerdem als Ursprung von Krieg und Konflikt. Schamanismus und Esoterik versprechen also als direkte Antithese zur modernen Welt und den eigenen Lebensrealitäten eine besonders ungebrochene Identität mit einem starken Bezug auf Ursprünglichkeit und Authentizität.
Die neue Rechte besinnt sich damit auf das kulturpessimistische Weltbild des ausgehenden 19. Jahrhundert zurück, welches eine Mischung aus Romantizismus, deutschem Idealismus und apokalyptischen Weltuntergangsszenarien ist.
Der Schamane ist eine transzendente Figur, die zwischen dem Jenseits und dem Diesseits eine Brücke schlägt. Für neurechte Milieus ist klar, dass durch die modernen Gesellschaften die Welt ihrer Zerstörung immer näher rückt.
In dieser zutiefst kulturpessimistischen Phantasiewelt gibt es jedoch auch ein „optimistisches“ Moment: Die Wiedergeburt bzw. Reinkarnation einer Idealgesellschaft, die ethnopluralistisch (bzw. neo-rassistisch) organisiert und von allen Konflikten der modernen Welt befreit sein wird.
Leon Kahane: „Juden dürfen auf der Weltkarte des Ethnopluralismus nicht existieren.“
Der Weg zu dieser vermeintlichen Idealwelt ist vom Wunsch nach Ausstieg, nach Widerstand, und danach endlich zum eigenen Recht zu kommen geprägt. Das kulturelle Feindbild, gegen das man sich im Widerstand befindet, sind die Juden, die in ihrer eigenen Kultur so etwas wie das Jenseits gar nicht erst akzeptieren.
Sie sind Ursprung und Profiteure des Bösen im dichotomischen (in sich widersprüchlich, ambivalent, zwiespältig) Weltbild der neuen Rechten. Vom vermeintlichen Verrat an Jesus Christus bis zu den Rothschilds und dem Zionismus liefert das Judentum das perfekte kulturelle Gegenstück und damit Feindbild zu einer ins Eindeutige verzerrten Welt, in der alle Völker ethnopluralistisch organisiert in vermeintlichem Frieden nebeneinander leben.
„Juden dürfen auf der Weltkarte des Ethnopluralismus nicht existieren. Sie sind das einzige Volk, welches nach dem Verständnis der neuen Rechten die Moderne in sich trägt. Sie sind die Urheber der Völkervermischung – dem sogenannten großen Austausch – und den damit entstehenden Konflikten“, so Leon Kahane.
Weitere Informationen:
Die Veranstaltung findet vor Ort im Kino des Dortmunder U (EG)statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Sprache: Deutsch
Wer es an dem Abend nicht in das Dortmunder U schafft, hat die Möglichkeit, die Veranstaltung auf der Website über den Videostream live mitzuverfolgen: www.hmkv.de/vortrag-leon-kahane-der-schamane-in-der-neuen-esoterischen-rechten.html
Zugangsregelung zum Dortmunder U: 2G-Regelung (geimpft, genesen), kein Zutritt mit Erkältungssymptomen, Zutritt nur mit medizinischen Mund-Nasen-Schutz (OP-Maske, FFP2 o.a.), vgl. www.dortmunder-u.de/coronaregeln
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Online-Führung durch Pawāaraibu von Jana Kerima Stolzer & Lex Rütten (PM)
Liebe Freund*innen des HMKV,
schon übermorgen, am Donnerstag, 2. Dezember 2021 um 19 Uhr findet die zweite Veranstaltung des Rahmenprogramms zur aktuellen HMKV-Ausstellung Technoschamanismus statt. Die Dortmunder Künstler:innen Jana Kerima Stolzer und Lex Rütten führen durch ihr Online-Projekt Pawāaraibu – filling the vacuum: Episode 02 – wandering the archive (2021) auf Mozilla Hubs (eine browser-basierte Social VR Plattform). Bei der virtuellen Tour werden vier Szenen aus ihrer Videoarbeit besucht, dabei könnt ihr Euch sogar einen eigenen Avatar aussuchen und mit anderen Teilnehmenden interagieren. Anschließend ist Raum zur Diskussion. Die Künstler:innen freuen sich, mit Euch ins Gespräch zu kommen.
Meldet Euch einfach formlos per Mail an event@hmkv.de an… Und keine Angst vor der Technik – nach Eurer Anmeldung erhaltet Ihr eine detaillierte Anleitung, wie Ihr Euch einloggt.
Dauer: ca. 45 Minuten
Sprache: Deutsch/ Englisch
Anmeldung: event@hmkv.de
HINWEIS: Am selben Tag, also am Donnerstag, 02. Dezember 2021, findet direkt im Anschluss um 20 Uhr im Rahmen der Ausstellung Weird Gnosis (IMPAKT, Utrecht) ein online-Vortrag des US-amerikanischen Kult-Autors Erik Davis zu „okkulten Ritualen und esoterischer Psychedelik“ statt. Kostenlos, Regsistrierung erforderlich, in englischer Sprache. Hier gelangt ihr zur Veranstaltung: http://www.impakt.nl/events/2021/impakt-tv/weird-gnosis-with-erik-davis
Gut zu wissen: Erik Davis wird auch in unserem Ausstellungsmagazin zu Technoschamanismus mit einem Artikel vertreten sein (erscheint im Januar 2022)!
Wer es an dem Termin nicht schafft, kann an einem der zwei weiteren Termine im neuen Jahr teilnehmen: 13. Januar 2022 oder 24. Februar 2022.
Online-Gesprächsrunde mit Sahej Rahal und Suzanne Treister (PM)
Liebe Freund*innen des HMKV,
schon übermorgen, am Donnerstag, 09. Dezember 2021 um 18:00 Uhr ist es soweit:
Die Künstler:innen Suzanne Treister und Sahej Rahal, deren Arbeiten in der aktuellen HMKV-Ausstellung Technoschamanismus zu sehen sind, treten in unserer Online-Gesprächsrunde auf Zoom (Sprache: Englisch) in einen spannenden Austausch. Moderiert wird die Runde von Dr. Inke Arns, Kuratorin der Ausstellung und Direktorin des HMKV.
Suzanne Treister zeigt in Technoshamanic Systems auf 50 Aquarellen, Zeichnungen und Drucken vielfältige, „mikrokosmische“ Pläne für eine nicht-kolonialistische Expansion ins Weltall (Abbildung). Wie können wir auf andere Weise auf der Erde überleben? Wie können wir den Kosmos bewohnen? Sie entwickelt Alternativen zu aktuellen Ideen aus dem Silicon Valley und bedient sich dabei schamanistischer und spiritueller Konzepte.
Sahej Rahal lässt in seinem Video finalforest.exe eine maskierte schamanische und mit künstlicher Intelligenz versehene Kreatur auftreten. Mit einer Mischung aus Folklore, urbanen Legenden, archäologischen Aufzeichnungen, Verschwörungen und Science-Fiction hinterfragt er dabei das mythologische Narrativ des Hindu-Nationalismus.
Um die Zoom-Zugangsdaten zu erhalten, ist eine Anmeldung erforderlich via Mail an event@hmkv.de
Wir freuen uns Euch schon übermorgen online willkommen zu heißen!
Euer Team HMKV
PS: Das Kaput Magazin für Insolvenz & Pop hat am Wochenende begonnen, Videos zu unserer Ausstellung Technoschamanismus zu posten. Den Anfang macht ein spannendes Interview mit der Ausstellungskuratorin Inke Arns. Schaut mal rein!
PPS: Am Samstag, 04. Dezember 2021 haben wir im Bauhaus Museum in Dessau die Auszeichnung für die Ausstellung des Jahres 2020 entgegengenommen. 200 in der deutschen Sektion der AICA organisierte Kunstkritiker:innen haben für unsere Ausstellung Artists & Agents: Performancekunst und Geheimdienste (2019-20) votiert! Die Urkunde hängt bald im HMKV im Dortmunder U – neben unseren anderen Auszeichnungen!