In geheimer Abstimmung auf Antrag der SPD: die „Wahlkabine“ war schon vor der Sitzung der Bezirksvertretung (BV) Innenstadt-Ost im betreffenden Sitzungssaal des Dortmunder Rathauses aufgebaut. Das beantragte Prozedere kam mithin nicht überraschend. Niemand wollte offenbar politisch dafür verantwortlich gemacht werden, muslimischen MitbürgerInnen eine öffentlich gelebte Fastenzeit zu verweigern. Und das war’s für „Festi Ramazan“ 2018 in Dortmund.
Einwohnerfragestunde der Bezirksvertretung: Bewohnerinnen des Stadtbezirks Innenstadt-Ost sind genervt
Es hatte sich in der Einwohnerfragestunde der BV Innenstadt-Ost eingangs bereits angedeutet. Die Wortbeiträge von BewohnerInnen aus dem Stadtbezirk bezogen sich in einem hohen Maße auf Belastungen und Störungen durch Großveranstaltungen quasi vor der Haustür.
Und dabei ging es nicht nur um Fußballspiele im Westfalenstadion oder Konzerte und Messen in den Westfalenhallen.
Vor allem „Festi Ramazan“ erregte anscheinend die Gemüter. Das Fest um den islamischen Fastenmonat herum wollten die VeranstalterInnen wie schon 2013 auch in diesem Jahr auf den – direkt an der nördlichen Seite des TSC Eintracht-Geländes gelegenen – Parkplätzen E1 und E2 an der Ardeystraße stattfinden lassen.
Keine gute Idee aus Sicht einiger AnwohnerInnen, die sich jetzt in der BV-Sitzung Gehör verschafften: Was über das Fest 2013 geschrieben worden sei, entspräche nicht der Realität, gibt eine Frau mit Wohnsitz in der Umgebung des Festivalgeländes vor den BezirksvertreterInnen spürbar entnervt zu Protokoll.
Klagen über Behinderungen während „Festi Ramazan“ 2013 – und größere Befürchtungen zu 2018
Es habe 2013 Hupkonzerte gegeben, alles sei zugeparkt gewesen, Besucher, die nicht rechtzeitig bis zum Festzelt kamen, hätten versucht, sich in ihrem Garten zu erleichtern. – Und überreicht eine Unterschriftenliste an die Bezirksvertretung gegen die Ausrichtung des Festes auf dem anvisierten Gelände.
Auch andere AnwohnerInnen befürchten Schlimmes, zumal die Ardeystraße in dem Bereich wegen der dortigen Baustelle aktuell nur einspurig ist. Und es wird immer wieder betont, dass die erwarteten Störungen sich über geschlagene vier Wochen hinzögen und zudem ebenfalls zu nächtlicher Stunde zu erwarten seien, wenn die VeranstaltungsbesucherInnen das Gelände verließen.
Es stand also bereits im Vorfeld nicht gut um die öffentliche Ausrichtung islamischen Fastens wie Fastenbrechens in Dortmund. Denn das gebrandmarkte Festgelände an der Ardeystraße/Victor-Toyka-Straße war in diesem Jahr für die Veranstaltung aus verschiedenen Gründen alternativlos.
Lokalität am Eintracht-Gelände für die Veranstaltung 2018 alternativlos: entweder dort, oder gar nicht!
Erstens, weil der letztjährige Festplatz an der Ebertstraße in der Nordstadt zu klein gewesen sei, erklärt Patrick Arens, Schausteller und Spezialist für Organisation und Durchführung besonderer Events vor der BV.
Ab 2014 bis 2016 fand das Festival rund um die Westfalenhallen statt, teilweise in ihnen. Auch diese Option ist, zweitens, aktuell versperrt. Wegen der Großbaustelle zur kompletten Umgestaltung des Eingangsbereichs der Westfalenhallen/Messe.
Entweder Festi Ramazan fände in diesem Jahr auf dem vorgesehenen Gelände (von stadtauswärts gesehen linksseitig der Ardeystraße) statt, oder gar nicht, so Arens als Veranstaltervertreter vor der BV Innenstadt-Ost. Die nun über Wohl und Wehe des Vorhabens zu befinden hatte.
VeranstalterInnen legen ein Verkehrskonzept mit differenzierten Prognosen vor – umsonst
Um ersteres herbeizuführen, hatten die Ausrichter eigens ein „Verkehrskonzept für das Festi Ramazan 2018“ von der in Dortmund ansässigen „Planersociät“ erarbeiten lassen. Von den darin angestellten Prognosen zur Vermeidung von Anwohnerbelastungen durch die Veranstaltung nahm während der BV-Sitzung allerdings genau sowenig jemand explizit Notiz, wie den ParteivertreterInnen in der BV andere Kleinigkeiten auffielen.
Dass etwa die Erkundungsbohrungen zur Sicherung eines ehemaligen Bergbauschachtes durch etwaige Verpressung von Stollen – die von AnwohnerInnen gefürchtete Baustelle an der Ardeystraße – nach aktueller Auskunft des Geoportals Dortmund am 27. April 2018 beendet sein sollen.
Also zeitnah offenkundig keine einspurige Fahrbahn mehr. Und deswegen auch kein zusätzliches Verkehrschaos während des für den Frühsommer geplanten Fastens unserer moslemischen MitbürgerInnen. – Aber was soll‘s: Die Würfel für eine bestimmte politische Entscheidung schienen eh bereits gefallen.
Antrag auf geheime Abstimmung in der BV: Was soll dadurch für die Öffentlichkeit unsichtbar bleiben?
Denn schon vor der Debatte um Festi Ramazan ist klar: Es wird eine geheime Abstimmung über die Genehmigung der Veranstaltung in der BV geben. Der Antrag wird von einer der beiden größten Fraktionen in der BV Innenstadt-Ost gestellt, die mit jeweils fünf Mitgliedern vertreten sind – SPD oder CDU, hier SPD.
Aber eigentlich egal, von wem; beide Parteien zusammen machen vereint 10 der 19 stimmberechtigten Mitglieder aus.
Und alles ist bestens organisiert: Der Sichtschutz zur Wahlabgabe stand bereits vor der entscheidenden Sitzung der BV im Sitzungssaal. Scheinbar mag keine der beteiligten Parteien wegen der Anwohnerklagen den Kopf für politischen Opportunismus hinhalten, wenn sie gleich gegen das Festival stimmen werden.
Zumal dabei das immer wieder betonte Integrationsmotiv der kommunalen Mehrheitsgesellschaft mal wieder über die Klinge zu springen scheint. So hingegen ist am Ende niemand wirklich verantwortlich.
Bemühungen um verbesserte Konzeption stoßen auf politisch motivierte Wahrnehmungsresistenz
Entsprechend windelweich die Debatte im Vorfeld der Abstimmung, kaum weiterer Erwähnung wert. Weil feststeht: Nix wird‘s mit dem nach Veranstalterangaben größten Fest um Ramadan in Europa – im Dortmund der Toleranz und Vielfalt. Und die Organisatoren hätten sich die vorgetragenen Rettungsversuche für ihr Projekt in der BV auf die Pro-forma-Nachfragen der kommunalen VolksvertreterInnen ziemlich sicher sparen können.
Die Konzeption sei nach den Erfahrungen von 2013 um das jetzt wieder beantragte Veranstaltungsareal – wo seinerzeit einiges zugegebenermaßen schief gelaufen sei, es aber zudem parallel dazu noch Großveranstaltungen gegen habe – überarbeitet worden, so Patrick Arens. Die Parkplätze um die Veranstaltung würden beispielsweise jetzt kostenlos angeboten, damit nicht wild geparkt werden müsse.
Und: Es sei eine einmalige Lösung, in den kommenden Jahren wolle man diesen Platz nicht mehr beanspruchen. Etc. Tonträger ab 22 Uhr seien jetzt nicht mehr zulässig, erklärt Michael Solf vom Ordnungsamt ergänzend, das neben anderen Akteuren an dem Arbeitskreis zur Vorbereitung des Festivals beteiligt war.
Ramazan ist keine „Kirmesveranstaltung“ – BV-Innenstadt-Ost zeigt sich allerdings unbeeindruckt
Eine Sprecherin der Fraktion Bündnis90/Die Grünen bringt es auf den Punkt: Es ginge auf der einen Seite um die legitimen Interessen der Anwohnerinnen, andererseits um ein wichtiges Fest der muslimischen MitbürgerInnen. Sie sähe in der Veranstaltungsvorlage allerdings einen guten Kompromiss.
Und, und vor allem: Es könne ein politisches Signal gesendet werden, denn es handele sich hier immerhin nicht um eine Kirmesveranstaltung.
Das Zeichen hat die Bezirksvertretung Innenstadt-Ost dann allerdings gesendet: Ablehnung von Festi Ramazan – bei 17 (von 19) anwesenden stimmberechtigten Mitgliedern: mit zwölf zu fünf, ohne Enthaltung, ging der Daumen nach unten.
Epilog: Ob denn das Ordnungsamt seine Entscheidung (Genehmigung oder nicht) analog zum BV-Beschluss fälle, will Bezirksbürgermeister Udo Dammer (SPD) wissen. Michael Solf ist eindeutig: Seine Behörde warte auf das Votum des Oberbürgermeisters. Der habe allerdings signalisiert, er entschiede nicht gegen die BV.
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Reaktionen
Lee O
Bitter und traurig. Menschen, die keinen Arsch in der Hose haben und sich einen feuchten Dreck um Integration und Offenheit scheren. Ich als „Biodeutscher“ habe das Fest quasi durchgängig besucht und es immer auch als Bereicherung für unser kulturelles Leben in Dortmund verstanden.
Ja, die Anwohner am Festgelände sollten vernünftig vor Wildparken und -pinkeln geschützt werden. Aber beim Fußball passiert es doch auch und öfter?!
Danke für den Artikel.
Christine P.
Der Vergleich mit den BvB Spielen hinkt ein bißchen. Erstens spielt der BvB nicht 4 Wochen am Stück und auch nicht bis 5 Uhr morgens. Und die Anwohner haben sich auch schon beschwert das bei Veranstaltungen in der Westfalenhalle oder beim BvB Gewege und Straßen so zugeparkt sind das die Feuerwehr nicht durchkommt. Auch bei der Love Parade waren die Umstände chaotisch, da wurden auch Vorgärten als WC genutzt. Der Hauptbahnhof war stundenlang gesperrt.Auch da gab es Bescherden.
Ich finde es falsch wenn man das jetzt auf Toleranz und Religion begrenzt. Auch bei der Love Parade gab es Ärger und bei BvB Spielen oder anderen Großveransaltungen auch.
Und Ramazan Fredenbaum, in vder Nordstadt lebe ca. 50 % Migranten, davon waren auch nicht viele begeistert.