Die Videobeobachtung in der Brückstraße kann kommen – die Kommunalpolitik hat sich mehrheitlich für den Pilotversuch in Dortmund ausgesprochen. Sie hat zwar formal kein Mitspracherecht bei dieser polizeitaktischen Entscheidung. Aber Polizeipräsident Gregor Lange stand dennoch im Fachausschuss Rede und Antwort. Vor allem die Frage der Ortswahl – Brückstraße statt Münsterstraße – war Thema.
Videobeobachtung erfolgt durch PolizistInnen, die sofort eingreifen sollen
Zunächst räumte Lange mit einem gängigen Missverständnis auf: Es geht nicht um Videoüberwachung, sondern um eine temporäre Videobeobachtung.
Denn bei der Überwachung geht es ausschließlich um das Aufzeichnen von Vorkommnissen, die später zur Beweissicherung ausgewertet werden. Doch dieses reine Aufzeichnen durch die Polizei schließt NRW gesetzlich aus.
Anders bei der Videobeobachtung: Hier beobachten Beamte in Echtzeit und möglichst in unmittelbarer Nähe die Geschehnisse, um bei einer sich anbahnenden Gefahrenlage sofort eingreifen zu können – möglichst bevor eine Straftat begangen wird oder eine Situation eskaliert.
„Wenn ich über Videobeobachtung spreche, spreche ich nicht ausschließlich oder isoliert darüber, sondern über eine Maßnahme in einem Gesamtkonzept zur Steuerung des Kontrolldrucks und der Präsenz“, verdeutlicht Gregor Lange. Sie sei ein Teil eines 15-Punkte-Programms.
Die Beobachtung ist an Voraussetzungen gekoppelt. Sie ist nur an Häufungspunkten von Straftaten gestattet, an denen es durch eine Videobeachtung die Chance gibt, eine Straftat zu vereiteln anstatt sie bloß zu verdrängen.
Streitfrage: Brückstraße, Nordseite des Hauptbahnhofs oder Münsterstraße?
Die spannende Frage: Welche Orte kommen bei dieser restriktiven Gesetzeslage in Betracht? Neben der Brückstraße hat die Polizei natürlich die Nordseite des Hauptbahnhofs mit dem Busbahnhof im Blick sowie verschiedene Orte in der Nordstadt – darunter auch die Münsterstraße.
Allerdings sind diese Orte mit Ausnahme der Brückstraße polizeilich gesehen austauschbar – eine Beobachtung würde nur zur Verdrängung führen. Nicht so bei der Brückstraße – glaubt zumindest Lange.
Denn in diesem eng umrissenen Bereich in der City gebe es verschiedene Merkmale, die eine Verdrängung nicht möglich machen, weil es die „Opferstrukturen“ nur hier gebe.
Hinter diesem technokratischen Begriff verbergen sich beispielsweise KundInnen der Geschäfte in der Fußgängerzone, Passanten auf dem Weg in die City sowie Konzerthaus-, Kino- und Diskotheken-BesucherInnen.
Für die Polizei bedeutet das: Sie sind für Täter als Opfer „einplanbar“. Sie können nicht in Nebenstraßen ausweichen, weil sie ja ein bestimmtes Ziel haben – wie zum Beispiel das Konzerthaus.
So könnten die „Täterstrukturen“ auch fest auf potenzielle Opfer bauen. Das könnten in dem beliebten Kneipen- und Diskotheken-Quartier zum Beispiel Angetrunkene sein, die leicht Opfer eines Raubes werden könnten.
Brückstraßenviertel ist ein eng umrissener Schwerpunkt der Straßenkriminalität
An solchen neuralgischen Punkten könne die Videobeobachtung etwas erreichen. Denn auch vor dem Hintergrund, dass in Dortmund in weiten Teilen die Straßenkriminalität (dazu gehören Raub, Taschendiebstahl, Körperverletzung auf Straßen, Wegen und Plätzen) im vergangenen Jahr auf hohem Niveau rückläufig war, gibt es Handlungsbedarf.
Denn im Brückstraßenquartier kommen diese Taten besonders häufig vor. Vergleichspunkt ist für Lange die Situation innerhalb der Wälle. Der zu überwachende Bereich in der Brückstraße ist 9000 Quadratmeter groß – das sind 4,4 Prozent der City.
Allerdings wurden 2015 33 Prozent der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, 22,8% der Fälle von räuberischer Erpressung, 22,9% der Raubdelikte, 22,4% der Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung sowie 26,4% der Antanzdelikte und Taschendiebstähle genau in diesem Bereich begangen – gemessen an der Gesamtzahl innerhalb des Wallrings.
Zudem werden die Taten vor allem in den Abendstunden insbesondere am Wochenende verübt. Genau auf diese Zeiten will sich die Polizei dann konzentrieren. „Mit Videobeobachtung können wir dort etwas erreichen“, begründete Lange sein Vorhaben.
Lange: Die Nordstadt braucht andere polizeiliche Maßnahmen als Videobeobachtung
Diese Argumentation überzeugte die große Mehrheit der Ausschussmitglieder – zumal das Vorhaben als Pilotprojekt auf ein Jahr befristet ist. Einen Startzeitpunkt gibt es noch nicht.
Doch die Frage nach der Situation in der Münsterstraße im Speziellen und der Nordstadt im Allgemeinen trieb die KommunalpolitikerInnen dennoch um. Die Bezirksvertretung der Nordstadt hatte eine entsprechende Resolution verfasst und auch eine Videoüberwachung in der Münsterstraße gefordert.
Dort gibt es diese Straftaten auch – auch in vergleichbarer Anzahl. Allerdings ist der Bereich deutlich größer. Und dort würden – anders als bei Disko oder Konzerthaus – die Delikte nur in die nicht-überwachte Nachbarstraße verlagern.
Eine punktuelle Überwachung würde wenig bringen. Sie müssten dann Mallinckrodtstraße, Nordmarkt, Keuningpark, Borsigplatz, Stahlwerkstraße und viele weitere Ecken überwachen.
„Da macht die Beobachtung keinen Sinn, weil sie nur eine Verdrängung produziert. Das untersagt das Gesetz“, verdeutlichte Lange und betonte zugleich, dass die Polizei deshalb natürlich nicht untätig bliebe.
Polizei will Präsenz und Kontrolldruck in der Nordstadt noch weiter erhöhen
„Wir müssen in der Nordstadt andere Antworten geben. Geeignet ist das Kontrolldruck- und Präsenzkonzept.“ Der Polizeipräsident versprach, Kontrollen und Präsenz hoch zu halten und weiter zu erhöhen, um nicht nur punktuell, sondern die Nordstadt insgesamt in den Blick nehmen.
Übrigens: Auch in der Nordstadt war im Jahr 2015 die Zahl der Straftaten rückläufig – wenn auch nicht ganz so stark wie in der Gesamtstadt – manche überregionale Schlagzeile lässt dies nicht vermuten. „Wir haben also eine Wirkung erzeugt“, betont Lange.
Doch damit will er sich nicht zufrieden geben: „Die Polizei in der Nordstadt wird auch als Ansprechpartner im öffentlichen Raum ihre Wirkung haben – nicht durch Beobachtung.“
Eine Videoüberwachung bzw. -beobachtung für den Busbahnhof gibt es übrigens schon: Dort sitzen allerdings MitarbeiterInnen der Busunternehmen vor dem Bildschirm. Die Polizei kann auf das Bildmaterial für die Strafverfolgung zurückgreifen. Die „EK Tasche“ und die Präsenzdienste machen davon bereits Gebrauch.
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