Die nationalsozialistischen ‚Novemberpogrome‘ jähren sich zum 84. Mal

Veranstaltungen zur Reichspogromnacht: Erinnern, Gedenken und Mahnen in Dortmund

Gut besucht war das würdige Gedenken am 83. Jahrestag der Pogromnacht in Dortmund-Dorstfeld.
Gut besucht ist in der Regel das würdige Gedenken am Jahrestag der Pogromnacht in Dortmund-Dorstfeld. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Am 9. November 1938 kam es im ganzen Land zu organisierten antisemitischen Angriffen: Synagogen wurden in Brand gesetzt, jüdische Einrichtungen, Wohnungen und Geschäfte wurden zerstört und geplündert. Rund 30.000 Jüdinnen und Juden wurden in Folge in Konzentrationslager verschleppt. Auch in Dortmund brannten Synagogen. Anlässlich des Jahrestags der Reichspogromnacht am 9. November 2022 gibt es in Dortmund eine Vielzahl von Veranstaltungen – sowohl in der City als auch in mehreren Stadtteilen.

Auftakt mit der Gedenkveranstaltung am Mahnmal in Dorstfeld

 In diesem Jahr jähren sich die nationalsozialistischen ‚Novemberpogrome‘ zum 84. Mal. Die Pogrome markierten einen gewalttätigen Übergang zu der systematischen Verfolgung von jüdischen Menschen in Deutschland, die in der Shoah, der grausamen Vernichtung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden, mündete. Antisemitismus ist in unserer Gesellschaft weiterhin präsent. 

Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Regelmäßig kommt es zu Beleidigungen und Angriffen gegen Jüdinnen und Juden, die dazu führen, dass jüdisches Leben in Deutschland weiterhin gefährdet ist. Um den Opfern der nationalsozialistischen Verbrechen zu gedenken und ein Zeichen gegen aktuellen Antisemitismus zu setzen, wird am 9. November um 15 Uhr eine Gedenkstunde mit Rede- und Kulturbeiträgen am Mahnmal für die ehemalige Synagoge in Dortmund-Dorstfeld unweit des Wilhelmplatzes stattfinden. 

Begleitet wird die Kundgebung von einem Rahmenprogramm auf dem Wilhelmplatz, bei dem Dortmunder Schulen, Organisationen und Initiativen ihre Arbeit zu den Themen Nationalsozialismus, Gedenken und Antisemitismus vorstellen. Los geht es damit um 14 Uhr. Die Botschaft: „Gemeinsam möchten wir zeigen, dass wir Verantwortung dafür tragen, dass diese schrecklichen Ereignisse nie wieder passieren und Antisemitismus auch heute in Dortmund keinen Platz haben darf.“ Mit dabei sein wird auch der neue Dortmunder Rabbiner Avigdor Nosikov.

Zentrale Gedenkveranstaltung zum 84. Jahrestag der Pogromnacht 

Auf dem Platz der alten Synagoge legten die Stadt und die jüdische Kultusgemeinde Kränze nieder.
Auf dem Platz der alten Synagoge legen die Stadt und die jüdische Kultusgemeinde Kränze nieder.

Die zentrale Gedenkveranstaltung zum Novemberpogrom findet am Mittwoch um 17 Uhr im Foyer des Dortmunder Opernhauses (Platz der Alten Synagoge) statt. Ansprachen wird es von Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal und Zwi Rappoport, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe und Vorstand der  Jüdischen Kultusgemeinde Dortmund geben. 

Zudem wird es einen Vortrag von Professor Dr. Julius H. Schoeps, Vorstandsvorsitzender der Moses-Mendelssohn-Stiftung geben. Das Thema: „Der latente Judenhass: Wie Vorurteilsbilder entstehen, was sie bewirken und wie sie bekämpft werden können“

Für den musikalischen Rahmen sorgen die Musikschule Dortmund und Kantor Arie Mozes. Im Anschluss gibt es eine Kranzniederlegung auf dem Platz der Alten Synagoge. Ab 16.30 Uhr findet auf dem Platz der Alten Synagoge eine theatral-musikalische Aktion der Jugendclubs des Theaters Dortmund statt. Eine temporäre Wiederherstellung des historischen Grundrisses der Synagoge auf dem Platz der Alten Synagoge erfolgt durch das Team der Gedenkstätte Steinwache. 

Die „Scherbenspur“ erinnert an die Verfolgung jüdischer Mitbürger:innen

Das Bündnis gegen Rechts führt anlässlich des Gedenkens an die Pogromnacht eine „Scherbenspur“ auf. Sie findet um 18 Uhr an der Katharinenstraße (oberhalb der Katharinentreppe) statt. Die Aktion „Scherbenspur“ ist eine Bild-, Klang- und Sprachcollage, die eindringlich an die unmenschlichen Ereignisse dieses Tages erinnern und auch dazu aufrufen will, gegen aktuellen Antisemitismus vorzugehen. 

Foto: Bündnis Dortmund gegen Rechts

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten in ganz Deutschland die Synagogen, wurden jüdische Wohnungen und Geschäfte zerstört und geplündert, jüdische Menschen gejagt, verletzt und getötet, verhaftet und in die Konzentrationslager verschleppt. Auch die Dortmunder Jüdinnen und Juden wurde von diesem zentral gesteuerten Pogrom nicht verschont. Die Synagoge in Hörde ging in Flammen auf, 75 Prozent der erwachsenen jüdischen Mitbürger:innen wurden verhaftet und in die Steinwache verschleppt. 

Nicht nur in der Innenstadt bot sich ein Bild der Verwüstung, die Nazis zwangen jüdische Mitbürger:innen, barfuß über die mit Glassplittern bedeckten Straßen zu laufen. Nach diesem Tag gelang es nur noch wenigen Dortmunder Jüdinnen und Juden, ins Ausland zu fliehen und den Vernichtungslagern der Nazis zu entkommen.

„Die Geschichte mahnt: Kein Schweigen zu Antisemitismus, Rassismus und Neonazismus: Die Erinnerung an diese grauenvolle Nacht muss wach gehalten werden! Auch heute ist es dringend geboten, Antisemitismus, Rassismus und Neonazismus entgegenzutreten, den hiervon Betroffenen Solidarität zu zeigen und in allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens Schutz zu geben. Wir dürfen nicht schweigen!“ heißt es im Aufruf.

Es werden Berichte von Augenzeugen gelesen und Bezüge zu aktuellen antisemitischen und rassistischen Verbrechen und Tendenzen hergestellt. Musikalische Beiträge kommen von den Musikern Oriewskij und Rosenberg.

Gedenkveranstaltungen in Wickede, Mengede und der Ev. Stadtkirche St. Marien

Am Abend finden in mehreren Stadtteilen Aktionen und Gedenkveranstaltungen statt.In Wickede gibt es auf dem Levi-Cohen-Platz eine Veranstaltung. Dort werden die Steinbrink-Grundschule und die Hauptschule Husen kurze Beiträge halten. Im Anschluss gibt es einen gemeinsamen Gang zum ehemaligen jüdischen Friedhof. Der Ausklang findet in der Ev. Kirchengemeinde in Wickede statt. Veranstalter ist die Bezirksvertreter Brackel.

Um 18.30 Uhr lädt die Ev. Stadtkirche St. Marien (Kleppingstr. 5) zum Gedenken mit Impulsen und Musik in die Marienkirche ein. Anschließend werden die Teilnehmenden schweigend Stolpersteine im Umfeld der Marienkirche abgehen. Das Gedenken wird gemeinsam mit Schüler:innen des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums und der BVB Fan- und Förderabteilung organisiert. Für die musikalische Begleitung sorgt Franziska Matz.

Ebenfalls um 18.30 Uhr findet ein gemeinsamer Weg ab dem Amtshaus in Dortmund-Mengede statt, an den sich um 19 Uhr  eine Andacht in der Ev. St.-Remigius-Kirche anschließt. Der Ausklang wird im Gemeindehaus der Ev. St.-Remigius-Kirche (Wiedenhof 2) stattfinden. Die Veranstaltung wird musikalisch begleitet durch die Familie Dieterle Biosca und Reinhard Kraus.

Auch im Umfeld des 9. November gibt es interessante Lesungen

Auch im Umfeld der Progromnacht ginbt es Veranstaltungen: Bereits am heutigen 7. November 2022  gibt es um 19 Uhr im Museum für Kunst und Kulturgeschichte (Hansastraße 3) eine Lesung mit Tom Segev: „Jerusalem Ecke Berlin – Erinnerungen“. Segev, 1945 in Jerusalem geboren, verlor den Vater im ersten arabisch-israelischen Krieg. Er und seine Mutter blieben daraufhin in Israel, doch sein deutsches Erbe sollte Segev nicht mehr loslassen. Seit nunmehr über 50 Jahren gehört der Publizist und Historiker zu den aufmerksamsten und klügsten Beobachtern der deutsch-israelischen Geschichte.

Am 15. November 2022 um 19 Uhr findet in der Jüdischen Gemeinde Dortmund (Prinz-Friedrich-Karl-Straße 9) eine  Lesung mit Akiva Weingarten: „Unorthodox – Mein Weg“ statt. Als Akiva Weingarten auf die Welt kommt, ist sein Werdegang schon beschlossene Sache. Er wird in der Thora unterwiesen werden, er wird früh heiraten, Rabbiner und Vater zahlreicher Kinder werden. Dieses Buch erzählt von Selbstwerdung und Befreiung in einer Welt, die für alles eine Regel hat.

Am 16. November 2022 um 18 Uhr wird im Bürgerhaus Pulsschlag Dorstfeld (Wittener Straße 120) eine  Lesung im Rahmen von ‚Dorstfeld im Gespräch‘ mit Max Czollek: „Desintegriert euch!“ stattfinden. Max Czollek liest aus seinem Buch „Desintegriert Euch!“ und wartet mit starken Thesen zu Fragen der gesellschaftlichen Integration, der Funktion von Erinnerungs- und Gedenkveranstaltungen und zur Perspektive jüdischer Intentität in Deutschland auf.  Czollek legt den Finger in Wunden und regt mir klarer Ansprache zum Diskurs und Perspektivwechsel an.

Und am 29. November 2022  um 18 Uhr findet Stadtteilladen Wilma (Wilhelmplatz 6) ein Buchvorstellung mit Anselm Meyer statt: „Vladimir Ze’ev Jabotinsky: „Die jüdische Kriegsfront“. Vladimir Jabotinsky versuchte Anfang 1940 in diesem seinem letzten und posthum publizierten Buch die Situation zu umreißen, wie sie sich für den Zionismus in und nach dem eben begonnenen Krieg darstellen werde.

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  1. Veranstaltung an Haltestelle »Wittener Straße« am 9. November – Einschränkungen bei Stadtbahnlinien U43 und U44 wahrscheinlich (PM)

    Wegen einer größeren Veranstaltung an der Haltestelle »Wittener Straße« in Dorstfeld am 9. November sind Einschränkungen bei den Stadtbahnlinien U43 und U44 sehr wahrscheinlich. Darauf weist DSW21 seine Fahrgäste im Vorfeld hin. Von etwa 13 Uhr bis 16 Uhr könnten es bei beiden Linien im Streckenabschnitt zwischen der Haltestelle »Heinrichstraße» und den Endstellen in Dorstfeld bzw. Marten zu Betriebsunterbrechungen kommen. In diesem Fall wird kein Schienenersatzverkehr angeboten. DSW21 empfiehlt den Fahrgästen, soweit möglich auf die S-Bahn auszuweichen.

  2. Max Czollek und sein „Versöhnungstheater“: Berliner Autor zu Gast beim „Talk im DKH“ (PM)

    „Versöhnungstheater“ heißt das neue Buch des Berliner Autors Max Czollek. Am Donnerstag, 9. Februar, 19 Uhr stellt er es beim „Talk im DKH“ im Keuning.haus (Leopoldstr. 50-58) vor. Der Eintritt kostet 5 Euro.

    Aus dem Inhalt: Max Czolleks Bücher „Desintegriert Euch!“ und „Gegenwartsbewältigung“ streuten lustvoll Zweifel an den deutschen Narrativen von Integration bis Leitkultur. „Versöhnungstheater“ schließt diesen Kreis, wenn es nach der aktuellen Erinnerung an die Verbrechen der Vergangenheit fragt.

    Seit dem Warschauer Kniefall und dem Holocaust-Mahnmal hat sich einiges verändert: Das Berliner Stadtschloss feiert Preußens Könige, mit dem neuen Militärhaushalt wird eine Zeitenwende beschworen, und der Bundespräsident bedankt sich auf Israelreise ungefragt für die „Versöhnung“. Deutschland ist wieder wer, auch weil es sich so mustergültig an den Holocaust erinnert. Herzlich willkommen zum Versöhnungstheater!

    Max Czollek (Jahrgang 1987) ist Mitherausgeber des Magazins Jalta – Positionen zur jüdischen Gegenwart und war Mitinitiator des Desintegrationskongress 2016 sowie der Radikalen Jüdischen Kulturtage 2017 am Maxim Gorki Theater. Er hat drei Gedichtbände publiziert, bei Hanser erschienen bisher seine vieldiskutierten Essays „Desintegriert euch!“ (2018), „Gegenwartsbewältigung“ (2020) und „Versöhnungstheater“ (2023). Im Frühjahr 2022 war Czollek Kurator der Ausstellung „Rache. Geschichte und Fantasie“ am Jüdischen Museum Frankfurt, deren Begleitband ebenfalls bei Hanser erschien.

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