Ungewollt schwanger wegen Corona? Ein Blick auf Dortmund zeigt, dass auch in der Krise keine Frau allein gelassen wird

Ungewollt schwanger während Corona? Dortmund hält das Beratungsangebot für Frauen aufrecht. Fotos (3): Pexels

Von Gina Thiel

„Millionen ungewollt schwanger durch Corona“ titelten in den vergangenen Wochen mehrere große deutsche Medien. Sie bezogen sich auf eine Untersuchung des UN-Bevölkerungsfonds, die ergab, dass weltweit rund 1,4 Millionen Frauen ungewollt schwanger wurden seit Beginn der Corona-Pandemie. Gründe lagen vor allem in der Unterbrechung der Lieferketten für Verhütungsmittel und der Überlastung bis hin zu Schließungen von Beratungsdiensten. Die weltweite Studie bezieht sich dabei auf Frauen aus 115 Ländern und verweist darauf, dass längst nicht nur Armutsländer von der aktuellen Notlage betroffen sind. Wir haben die Studie zum Anlass genommen, einmal in Dortmund nachzufragen, wie hier die Lage der Frauen während der Corona-Pandemie aussieht, in Schwangerschaftsberatungsstellen, bei den Apotheken und den Krankenkassen.

Zahl der Schwangerschaftsabbrüche auf Vorjahresniveau – Beratungszentren erhalten Angebot aufrecht

Die Zahlen des Statistischen Landesamtes für 2019 und 2020 können die Ergebnisse der UN-Studie zumindest für Nordrhein-Westfalen nicht bestätigen. Obwohl für das vierte Quartal 2020 noch keine konkreten Zahlen vorliegen, lässt sich anhand der ersten drei Quartale keine Zunahme der Schwangerschaftsabbrüche feststellen. Ein Überblick über die genauen Zahlen der Abbrüche sind auf dem Bild links zu sehen.

Zahl der Schwangerschaftsabbrüche für 2019 und 2020 in Nordrhein-Westfalen. Foto: Statistisches Landesamt NRW

Nun könnte man argumentieren, dass Frauen einfach keine Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen haben, weil die Möglichkeit dazu nicht bestand und sich die Zahlen deshalb nicht verändert haben. Das kann Bärbel Nellissen, Diplom Psychologin und Leiterin der AWO-Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte, Familienplanung, Paar- und Lebensberatung nicht bestätigen. Kurzarbeit gab es im Beratungszentrum der AWO nicht: „Alle haben zu 100 Prozent weitergearbeitet“, und auch das Zentrum selbst sei weiterhin erreichbar gewesen.

Eine weitere Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle für Frauen ist das Beratungszentrum „Donum Vitae“ in Dortmund. Beraterin und Diplom Sozialpädagogin Sandra Dolch erzählt auf Nachfrage, dass auch ihr Beratungszentrum in Zeiten des harten Corona-Lockdowns das Beratungsangebot in gewohntem Umfang aufrechterhalten konnte. Im Jahr 2020 habe eine Mischung aus Telefonberatung, Videoberatung und Präsenzberatung stattgefunden, je nachdem, was im Rahmen der Corona-Maßnahmen möglich war.

Eine Unterbrechung des Beratungsangebotes gab es also weder bei der AWO noch bei „Donum Vitae“. Generell hat man versucht, Frauen in ihrer schweren Situation nicht noch mehr Steine in den Weg zu legen. Beratungsscheine, die für eine straffreie Durchführung des Schwangerschaftsabbruches vorgeschrieben sind, wurden per Post versendet oder konnten vor Ort in den Beratungszentren abgeholt werden.

Zugang zu Verhütungsmitteln gesichert  – keine verstärkte Nachfrage bei Schwangerschaftskonfliktberatungen

Sowohl die Schwangerschaftskonfliktberatung der AWO, als auch die der „Donum Vitae“ können für das Jahr 2020 keinen erhöhten Anstieg für Beratungen verzeichnen. Im Zentrum der AWO fanden im Jahr 2019 insgesamt 692 Beratungsgespräche und im Jahr 2020 682 Beratungsgespräche statt.

„Donum Vitae“ ist die kleinste Beratungsstelle in Dortmund und konnte im vergangem Jahr 160 Beratungsgespräche durchführen. Die Zahl liege damit auf dem Niveau von 2019, sagt Sandra Dolch. Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) gibt für die ersten drei Quartale 2020 in Dortmund sogar einen Rückgang der Schwangerschaftsabbrüche um 3,5 Prozent zum Vorjahr an.

Nina Grunsky vom Dortmunder Apothekenverband kann Versorgungsengpässe bei den Verhütungsmitteln in Dortmund nicht bestätigen. Zwar komme es immer wieder vor, dass einzelne Präparate der Anti-Baby-Pille nicht lieferbar seien, es stünden in solchen Fällen aber immer genug Alternativen zur Verfügung.

Ungewollt schwanger aufgrund von Lieferkettenunterbrechungen bei Verhütungsmitteln müsse in Dortmund niemand werden. Lediglich bei der Drei-Monats-Spritze haben Dortmunder Apotheken in den vergangenen Monaten Lieferschwierigkeiten feststellen können. Grunsky betonte aber: „Auch in diesen Fällen jedoch finden Ärzte und Apotheken Lösungen“.

Ein Schwangerschaftsabbruch ist nach §218 StGB rechtswidrig, dank Beratungszentren aber straffrei

Diplom-Psychologin Bärbel Nellissen
Diplom-Psychologin Bärbel Nellissen ist Leiterin der Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte, Familienplanung, Paar- und Lebensberatung der AWO. Archivbild: Alex Völkel

Bei einer ungewollten Schwangerschaft drängen sich viele Fragen auf: Soll ich die Schwangerschaft abbrechen? Welche Methode ist für mich die geeignetste? Und was muss ich für Schritte durchlaufen, bis es zum Abbruch kommt? Hier können die Schwangerschaftskonfliktberatungen Hilfestellungen geben, nicht nur weil sie eine Pflichtstation beim Weg des Abbruches darstellen.

Nach Paragraf § 218 Strafgesetzbuch (StGB) ist ein Schwangerschaftsabbruch rechtswidrig. Eine Ausnahme dazu findet sich im folgenden Paragraf 218a StGB, er garantiert schwangeren Frauen und den Ärzten Straffreiheit beim Abbruch, wenn zuvor bestimmte Bedingungen erfüllt wurden.

Dazu gehört zum einen der Besuch in der Schwangerschaftskonfliktberatung (nach § 7 SchKG), beispielsweise der AWO in Dortmund oder bei „Donum Vitae“. Hier findet eine ergebnisoffene Beratung statt, bei der am Ende die Frau selbst entscheidet, ob sie einen Abbruch durchführen lassen möchte oder nicht. Die Schwangerschaftskonfliktberatung stellt einen sogenannten Beratungsschein aus, ohne den ist ein Abbruch nicht straffrei möglich.

Paragraf § 219a sorgt seit vielen Jahren für Diskussionen und öffentliche Debatten

Zwischen dem Beratungstermin und dem Abbruch selbst müssen drei ganze Werktage liege. Damit soll der Frau genügend Zeit eingeräumt werden, ihre Entscheidung ausreichend zu überdenken. Fand also die Beratung am Montag statt, kann ein Abbruch erst am Freitag erfolgen. Dieser kann von einem spezialisierten Gynäkologen oder im Krankenhaus durchgeführt werden – bis zur 14. Schwangerschaftswoche.

Eine Liste über alle Ärzt*innen und Krankenhäuser, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen, kann man ebenfalls in der Schwangerschaftskonfliktberatung bekommen. Das ist oft auch nötig, denn nach Paragraf § 219a dürfen Gynäkolog*innen nicht für einen Schwangerschaftsabbruch werben und damit nicht offen kommunizieren, dass sie Abbrüche durchführen. Der genannte Paragraf sorgt seit vielen Jahren für Diskussionen und öffentliche Debatten.

Kommt es zu einem Abbruch, muss sich die Frau noch für eine geeignete Methode entscheiden. Man unterscheidet zwischen einem operativen Eingriff mit Vollnarkose oder einem medikamentösen Abbruch in den eigenen vier Wänden. Dabei ist die Entscheidung, welche die richtige Methode für einen persönlich ist, nicht einfach.

Schwangerschaftsabbrüche: häufig sind es Frauen mit Kindern, die sich gegen ein weiteres Kind entscheiden

Die Gründe der Frauen, sich für einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden, seien vielfältig, sagt Bärbel Nellissen. Einige Frauen haben bereits Kinder und ihre Familienplanung abgeschlossen oder grundsätzlich keinen Familienplanungswunsch. Andere wiederum nennen die fehlende Stabilität in der Partnerschaft oder die ungünstige Arbeitssituation als Grund. Nicht zu unterschätzen ist auch die psychische Belastung, die eine Frau dazu veranlassen kann, sich gegen ein Kind zu entscheiden.

Hohe psychische Belastung sind oft Gründe für Schwangerschaftabbruch.

Die Gründe der Frauen, sich für einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden, seien vielfältig, sagt Bärbel Nellissen. Einige Frauen haben bereits Kinder und ihre Familienplanung abgeschlossen oder grundsätzlich keinen Familienplanungswunsch. Andere wiederum nennen die fehlende Stabilität in der Partnerschaft oder die ungünstige Arbeitssituation als Grund. Nicht zu unterschätzen ist auch die psychische Belastung, die eine Frau dazu veranlassen kann, sich gegen ein Kind zu entscheiden

Die Gründe haben sich auch im Corona-Jahr nicht maßgeblich verändert. Sandra Dolch von „Donum Vitae“ erzählt, dass zu Beginn der Pandemie vermehrt Frauen auch die Umstände der Coronapandemie und die damit verbundenen Unsicherheiten als Grund für einen Schwangerschaftsabbruch genannt haben. Das habe sich aber in den Folgemonaten relativiert und andere Gründe seien wieder in den Vordergrund gerückt. Dieses Bild bestätigt auch Bärbel Nellissen von der AWO: „Grundsätzlich können wir sagen, dass es den Menschen sehr schlecht geht“. Das gelte auch für Bereiche außerhalb der Schwangerschaftskonfliktberatung.

Dortmunder Beratungsstellen werden auch weiterhin und besonders in Krisenzeiten für die Frauen da sein

Gerade aus diesem Grund sind die Berater*innen der Schwangerschaftskonfliktstellen umso bemühter ihre Arbeit unter allen Umständen weiterhin in gewohntem Umfang fortsetzen zu können. Sie wissen, dass die Frauen besonders in Krisensituationen ihre Unterstützung und Hilfe umso mehr brauchen.

Frauen sollen in „keinster Weise genötigt werden, eine Schwangerschaft aufrecht zu erhalten, die ungewollt ist“, verspricht Nellissen. Dass wichtige Beratungszentren in schweren Zeiten die Rückendeckung des Ministeriums schnell und unkompliziert zugesichert bekommen, freut Nellissen sehr.

Die Coronapandemie hat in Deutschland und der ganzen Welt viel verändert. In Dortmund ist eins aber zumindest gleich geblieben: „Auch unter normalen Bedingungen ist es so, dass wir für Schwangere immer sofort einen nächstmöglichen Termin bereithalten – war unter Corona nicht anders“, versichert Nellissen zum Schluss noch einmal.

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  1. Schwangerschaftskonfliktberatung – SPD-Ratsfraktion bringt besseren Online-Zugang auf den Weg (PM)

    Ungewollte Schwangerschaften bringen Frauen häufig in Not. Die erste Anlaufstelle bei der Suche nach Hilfe und Informationen ist heute das Internet. Nun hat die SPD-Ratsfraktion in der Sitzung des Sozialausschusses die Verwaltung gebeten, die vorhandenen Angebote zu verbessern und transparenter zu gestalten.

    „Im Falle einer ungewollten Schwangerschaft findet man unter den entsprechenden Suchbegriffen vier „Schwangerschaftsberatungsstellen“, die schon vom Layout auf werdende Eltern zugeschnitten sind, die den Nachwuchs geplant haben. So werden bei vielen Beratungsstellen gleichzeitig Angebote für junge Mütter oder Familien angeboten, wie Stillcafes oder Babyturnen. Das sind Angebote die Frauen in der Notlage einer ungewollten Schwangerschaft eher abschrecken“, begründet die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion Daniela Worth den Antrag.

    Darüber hinaus sind Hinweise zum gesetzlich vorgeschriebenen Ablauf bei Interesse an einem Schwangerschaftsabbruch ebenfalls nur schwer zugänglich. Dies baut besonders hohe Hürden bei den Betroffenen aus, die aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse Probleme haben.

    „Einen weiteren Bedarf sehen wir in einer Beratung, die nicht nur sprachlich auf die Bedürfnisse von Frauen mit Migrationshintergrund angepasst sein sollte, sondern auch auf spezielle familiäre Probleme eingehen kann. Hierbei wäre eine Beratung in der jeweiligen Herkunftssprache aus unserer Sicht hilfreich“, so Daniela Worth abschließend.

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