Die Ermittlungen ungeklärter Kriminalfälle geraten erneut ins Rollen. Die Ermittlungsgruppe (EG) „Cold Case” widmet sich seit knapp einem Jahr den Fällen, die einst als unlösbar galten. Bereits Anfang des Jahres präsentierten Dortmunder Ermittler:innen behandelte Fälle. Polizei und Staatsanwaltschaft Dortmund ziehen nun eine Zwischenbilanz.
Wissenschaftlicher Fortschritt ermöglicht Aufklärung ungelöster Mordfälle
Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren – mit Erfolg. Die im letzten Jahr ins Leben gerufene EG „Cold Case” befasst sich mit etwa 42 ungelösten Fällen. Neben der Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen verstärken Ermittler:innen aus dem Ruhestand, auch „Senior Experts” oder „Rentercops” genannt, die Besatzung. Vielversprechend ist dabei der wissenschaftliche Fortschritt, der neue Methoden der Spurensicherung mit sich bringt.
Bislang konnten zwei Altfälle erfolgreich abgeschlossen werden, berichten der Erste Kriminalhauptkommissar Gregor Schmidt und Staatsanwältin Gülkiz Yazir. Zum einen handelt es sich um den Mordfall Nicole-Denise Schalla, die zur Tatzeit 16 Jahre alt war und 1993 ermordet wurde. Der im Januar 2021 verurteilte Täter Ralf H. ist im Mai diesen Jahres in Haft verstorben.
Der zweite Fall betrifft den Mord an Ursula Scheiwe, der 1987 in Soest-Ostönnen geschah. Nachdem sie nachts eine Feier in ihrem Heimatdorf verlassen hatte, wurde die junge Frau am nächsten Tag leblos und mit zahlreichen Verletzungen in ihrer Wohnung aufgefunden.
Dank neuer Untersuchungsmethoden konnten aufschlussreiche DNA-Treffer erzielt werden. In beiden Fällen wurden die Täter verurteilt und die Ermittlungen konnten nach über 20 Jahren erfolgreich abgeschlossen werden. Schmidt betont, dass man es vor allem den Hinterbliebenen und Angehörigen schulde, diese Fälle aufzuklären, denn „Mord verjährt nicht.“
Neue Entwicklungen in den Ermittlungen zu Kötting und Milata
Wie erfolgversprechend die neuen Spurensicherungen sind, zeigt sich auch in den Fällen von Josef Milata und Heike Kötting. Tatverdächtige wurden bereits ermittelt und müssen sich vor Gericht verantworten, ein Urteil wird jedoch erst im November erwartet, so Yazir.
Heike Kötting wurde 1991 in ihrem Haus in Dortmund-Scharnhorst von Einbrechern getötet. Nach Veröffentlichung des Falls meldeten sich zahlreiche Zeug:innen bei der Polizei. Zudem wurde der Mordfall im Januar dieses Jahres bei Aktenzeichen XY ausgestrahlt.
Durch DNA-Spuren gelang es, eine 60-jährige Tatverdächtige aus Mönchengladbach und einen 62-jährigen Tatverdächtigen aus Dortmund zu identifizieren, gegen die die Staatsanwaltschaft Dortmund bereits Anklage wegen Mordes erhoben hat. Die Ermittler:innen gehen jedoch davon aus, dass eine dritte Person beteiligt war. Eine weitere DNA-Spur konnte gesichert werden, doch ist sie bislang nicht in der Datenbank verzeichnet.
Josef Milata wurde 1986 ebenfalls in seinem Einfamilienhaus tot aufgefunden. Aufgrund der Art der Verletzungen und der Anzahl der verwendeten Tatwerkzeuge geht die Polizei von mindestens zwei Täter:innen aus. Zudem konnten unterschiedliche DNA-Spuren sichergestellt werden.
Da Milata für den Besitz hoher Bargeldsummen bekannt war, ist für die Ermittler:innen ein Raubmotiv naheliegend. Eine Neubewertung der damals gesicherten Spuren und erneute Zeugenanhörungen führten zu einem heute 56-jährigen Tatverdächtigen.
Die Ermittler nahmen ihn im April in seiner Wohnung in Bergkamen fest. Bekannt ist laut den Ermittlern zudem Milatas homosexuelle Neigung. Dabei passte der Angeklagte, der zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alt war, ins Profil der Männer, mit denen Milata verkehrte. Der Tatverdächtige wurde bereits in der Vergangenheit verdächtigt.
DNA-Analysen liefern Spuren, jedoch keine identifizierbaren Täter:innen
Die DNA Erfassung ist ein fundamentaler Hinweis in der Spurensuche der Cold Case Fälle. Jedoch betont Yazir „eine DNA ist ein Indiz, kein Beweis”. Der Nachweis einer DNA-Spur allein reicht nicht für eine Verurteilung aus, auch wenn es wichtige Schritte in der Strafverfolgung setzt. In zwei bislang ungelösten Fällen konnten DNA-Spuren erfasst, aber noch nicht Personen zugeordnet werden.
Ein Fall ist das Vergehen an Anna Saußen im Jahr 1998. Die Witwe wurde in der Nacht in ihrer Wohnung in Bergkamen überfallen und am nächsten Morgen tot aufgefunden. Die Ermittler:innen gehen davon aus, dass die Täter:innen durch eine Einstiegsleiter in das Mehrfamilienhaus eingedrungen sind.
Dies stützt sich unter anderem auf die DNA-Spuren, die sowohl auf der Einstiegsleiter als auch am Leichnam sichergestellt werden konnten. Die erfassten DNA-Spuren sind jedoch nicht in der Datenbank registriert. Derzeit laufen weitere DNA-Untersuchungen, die möglicherweise auch Hinweise auf eine:n zweite:n Täter:in geben könnten.
Ähnlich verhält es sich im Fall Marc Gutte. Der Elfjährige war 1986 mit dem Fahrrad auf dem Weg zu einem Freund, kam dort jedoch nie an. Sein Leichnam wurde schließlich in einem Maisfeld zwischen der B1 und der Alfred-Nobel-Straße in Unna gefunden.
Im Jahr 2020 wurde eine umfangreiche DNA-Untersuchung durchgeführt, die negativ ausfiel. Anfang dieses Jahres konnte jedoch eine DNA-Spur erfasst werden, die keinen Treffer in der Datenbank lieferte, da sie dort nicht erfasst ist. Aktuell läuft eine Operative Fallanalyse (OFA), deren Ergebnis bislang aussteht, wie Yazir erklärt.
Ein Täter, zwei Strafdelikte – Ermittler:innen sehen einen Zusammenhang
Die Suche nach Sylvia Beerenbergs Mörder ist nach 37 nach wie vor nicht beendet. Die Prostituierte stieg nachts am 23. Oktober 1987 am Straßenstrich in der Dortmunder Nordstadt in einen Mercedes, der mit ihr wegfuhr. An einem Feldweg angekommen stach der Fahrer etliche Male auf sie ein, bis Beerenberg ihren Verletzungen erlag. Schmidt erläutert, dass an dem besagten Abend die Prostituierten am Nordmarkt den Mercedes gesehen haben. Sie hatten Angst vor dem Fahrer, der die Frauen einzeln ansprach. Dabei waren keine sexuellen Absichten erkennbar.
Rund drei Jahre später, 1990, wurde die 16-jährige Eva Kreklau Opfer eines ähnlichen Verbrechens. Nach einer Party stieg sie per Anhalter in einen Mercedes, der an derselben Straße hielt, wo Beerenberg einstieg. Die Fahrt endete auf einem Feldweg bei Möhnesee-Ellingsen, wo der Fahrer sie gewaltsam aus dem Auto zerrte. Ähnlich wie im Fall Beerenberg stach der Fahrer mehrfach auf sie ein, doch überlebte Kreklau.
Die Ermittler:innen sehen aufgrund der Parallelen zwischen den beiden Fällen einen klaren Zusammenhang und vermuten, dass es sich um denselben Täter handeln könnte. Nach der diesjährigen Ausstrahlung von „Aktenzeichen XY“ erreichten 80 Hinweise die Ermittler:innen, die aktuell überprüft werden. Zwar wurde eine DNA-Spur, die dem Täter zugeordnet werden kann, erfasst, jedoch konnte sie keiner konkreten Person zugeordnet werden.
Eva Kreklau hat mittlerweile zurück ins Leben gefunden, die Tat begleitet sie jedoch noch immer: „Das sind so dermaßen aggressive Angriffe, bei denen die Angehörigen häufig Schwierigkeiten haben, damit abzuschließen“, so Schmidt. Dank einer Hypnose im Jahre 2014 war es Kreklau möglich, sich an das Gesicht des Täters zu erinnern, woraufhin ein Phantombild erstellt wurde.
Die Mithilfe der Bürger:innen ist gefragt – Wer weiß etwas?
Ein weiteres Mal machen die Ermittler:innen auf die gefundenen Babyleichen aus den Jahren 1999 und 2005 aufmerksam. Die in Krefeld und Dortmund gefundenen Babys weisen dabei die gleiche Kindesmutter auf. Mehr zum Tatbestand findet sich unterhalb des Artikels in einem Link wieder. Ein wesentlicher Fortschritt in der Spurensuche liegt seit der letzten Verkündigung nicht vor.
Die Polizei bittet in den ausstehenden Fällen um die Mithilfe der Bürger:innen. Bei möglichen Anhaltspunkten erreichen Sie die Kriminalwache Dortmund unter der Telefonnummer 0231/132-7441. Jeder Hinweis wird dankend zur Kenntnis genommen, so Schmidt.
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