Ein ehrenamtlicher Obmann für die Nordstadt? Was auf den ersten Blick wie eine gute Idee klingt, stößt zumindest bei vielen Lokalpolitikern sauer auf. Bürgermeisterin Birgit Jörder (SPD) brachte es in der Bezirksvertretung der Innenstadt-Nord auf den Punkt: „Ich würde mir wünschen, dass jemand nur mal ein Problem abräumt und nicht neue benennt“, sagte Jörder.
Ubbo de Boer sieht sich als „Sachwalter der Bürgerinteressen“
Damit wolle sie das ehrenamtliche Engagement von Ubbo de Boer, der sich in der Bezirksvertretung vorstellte, keinesfalls schmälern. „Ich freue mich über ihr Engagement. Allerdings haben wir kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsdefizit in der Nordstadt.“ De Boer (58), frühverrenteter Pfarrer, hatte seine Aufgabe zuvor als Sachwalter der Bürgerinnen und Bürger charakterisiert. Ziel sei es, deren Anliegen zu koordinieren.
Bürgermeisterin befürchtet Parallelstrukturen
Jörder jedoch fürchtete neue Parallelstrukturen: „Wir haben die Bezirksvertreter, die Ratsvertreter, das Quartiersmanagement, die Foren, Nachbarschaftskreise und viele andere Gruppen“, so die Bürgermeisterin. Ganz abgesehen davon, dass wohl die gewählten Bezirksvertreter die ersten Ansprechpartner der Bürgerinnen und Bürger sein sollten.
De Boer will sich unter anderem in den Büros des Quartiersmanagements aufhalten und sich dort als Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger anbieten. „Sich nur ins Quartiersbüro zu setzen, halte ich für nicht richtig“, sagte SPD-Fraktionschefin Brigitte Jülich.
„Sie müssen die Leute ansprechen und aufsuchen.“ Allerdings seien die Bewohnerinnen und Bewohner der Nordstadt zu mehr als 50 Prozent nicht christlich. „Daher gibt es vielleicht Berührungsängste“, so Jülich mit Blick auf de Boers beruflichen Hintergrund als evangelischer Pfarrer.
„Ich werde auf jeden Fall nicht als Pfarrer auftreten, sondern als Mensch“, beruhigte er die Bezirksvertreter. „Ich bin ja auch DITIB-Ehrenmitglied und habe die Moschee auf dem Grimmelsiepen mit initialisiert.“
Obmann dürfe nicht zum „Edelpraktikant des Quartiersmanagements“ werden
Auch die CDU teilt die Bedenken der SPD: Der Boer dürfe nicht „zu einer Art Edelpraktikant des Quartiersmangements“ werden, betonte CDU-Fraktionssprecher Thomas Bahr. Er sehe seine Aufgabe vor allem als Scharnier zwischen der Nordstadt und aktiven Bürgern und Multiplikatoren – auch in anderen Stadtteilen. „Da kann ich mir vorstellen, dass sie ihre Kontakte zum Wohl der Menschen in der Nordstadt pflegen können.“
Obbo de Boer: „Ich will praktisch arbeiten“
Dies gefiel de Boer. Denn das Soziale sei ihm besonders wichtig. Daher habe er unter anderem auch das Arbeitslosenzentrum mit aufgebaut und sei auch in der Auslandsgesellschaft aktiv. Mögliche Beispiele für sein Engagement sah er beispielsweise in der Gewinnung von Ärzten als ehrenamtliche Mitarbeiter im Engagement für Armutszuwanderer aus Südosteuropa. Aber auch in der Ausweitung der Sprachförderungsangebote für Migrantenkinder. Als Rotarierer sei er auch hier gut vernetzt. „Ich will vor allem praktisch arbeiten und nicht Erkenntnisse sammeln“, warb er um die Unterstützung der Bezirksvertretung.
Kritik an OB Sierau: Jörder erfuhr von Ernennung aus der Zeitung
Die BV wolle er gerne auf dem Laufenden halte und auch gerne regelmäßig an den Sitzungen teilnehmen, um den Informationsaustausch zu unterstützen. Damit sprach er einen weiteren Punkt an, der die Kommunalpolitiker wurmte. Auch hier sprach Bürgerin Jörder Klartext: „Ich würde mir wünschen, von solchen Berufungen nicht aus der Zeitung zu erfahren“, schoss die SPD-Politikerin eine deutliche Spitze gegen ihren Parteifreund, Oberbürgermeister Ullrich Sierau, ab.