Nach der Aushandlung eines Tarifvertrages mit der Geschäftsleitung von Thyssen-Krupp im Dezember letzten Jahres haben die Mitglieder der IG Metall nun über das Ergebnis der erzielten Vereinbarung abgestimmt. Darin wird unter anderem eine Beschäftigungs- und Standortgarantie für die nächsten knapp neun Jahre festgelegt. Wenig überraschend daher: Wie von der Tarifkommission der Gewerkschaft empfohlen, haben die ArbeitnehmerInnen dem Verhandlungsergebnis zugestimmt.
Gewerkschafter handeln Tarifvertrag für das anvisierte Joint Venture aus
Die Stahlsparten von Thyssen-Krupp und dem Tata-Konzern sollen bekanntlich zu einem Joint Venture verschmolzen werden. Die Unterzeichnung eines Vertrages für ein Gemeinschaftsunternehmen – das nach ArcelorMittal der zweitgrößte Stahlkonzern Europas wäre – könnte bereits in diesem Jahr vonstatten gehen. Sollten die Kartellbehörden zustimmen, wäre die Fusion in absehbarer Zeit unter Dach und Fach.
Für diesen Fall allerdings hatten die ArbeitnehmervertreterInnen von der IG Metall bereits Ende letzten Jahres vorgesorgt. Am 21. Dezember konnten sie stolz den Abschluss eines mit der Konzernleitung von Thyssen-Krupp in drei Gesprächsrunden ausgehandelten Tarifvertrages bekanntgeben, der im Falle einer Fusion der beiden Stahlriesen wirksam wird (wir berichteten).
Doch die Gewerkschafter hatten sich selbst hohe Hürden auferlegt: Bedingung für die schlussendliche Annahme des Verhandlungsergebnisses war, dass die Belegschaft aller 13 Standorte in NRW die getroffene Vereinbarung mehrheitlich gutheißt. – Und so wurden im Januar alle KollegInnen in der IGM in einem zweistufigen Verfahren zur Abstimmung gebeten. Die Tarifkommission der IG Metall hatte ihren Mitgliedern selbstverständlich die Annahme empfohlen.
In einer ersten Wahlrunde gab es die Möglichkeit, das eigene Votum Online abzugeben, danach wurden für die verbleibenden Beschäftigten an den jeweiligen Standorten die Urnen aufgestellt. Insgesamt beteiligten sich so insgesamt 71,3 Prozent der IGM-Gewerkschafter an der Wahl. Gestern nun lag das abschließende Ergebnis der Auszählung vor.
Ergebnisse des Tarifvertrages werden von den IGM-Mitgliedern mit deutlicher Mehrheit angenommen
Die guten Nachricht ist: Die IGM-Mitglieder haben den Tarifvertrag mit überwältigender Mehrheit angenommen. 92,2 Prozent hätten für die Vereinbarung mit den Arbeitgebern gestimmt, wie Hans Jürgen Meier, 1. Bevollmächtigte der IGM in Dortmund, gestern sichtlich zufrieden bekanntgab. In der Dortmunder Westfalenhütte seien es 93 Prozent gewesen.
Und die KollegInnen haben den Gewerkschaftern zufolge gute Gründe gehabt, die ausgehandelte Vereinbarung mit der Konzernspitze abzusegnen. Denn der nun geschlossene Tarifvertrag beinhaltet eine Beschäftigungs- und Standortgarantie bis zum 30. September 2026. Das ist mehr als die VerhandlungsführerInnen der IGM ursprünglich erwartet hatten.
In 31 Jahren Betriebsratsarbeit habe sie einen solch erfolgreichen Abschluss noch nicht erlebt, freut sich auch Sabine Birkenfeld. Es sei ein einmaliges Ergebnis, so die Betriebsratsvorsitzende bei Thyssen-Krupp Steel in Dortmund. Die Beschäftigungssicherung bedeutet, dass es in den nächsten knapp neun Jahren keine betriebsbedingten Kündigungen an allen Standorten, Anlagen oder Betriebsteilen geben darf.
Garantie für den Fortbestand aller Produktionsstandorte bis 2026
Für denselben Zeitraum ist der Fortbestand aller Produktionsstandorte und deren betriebsnotwendige Anlagen und Bereiche durch die Vereinbarung gesichert. Für die seitens des Konzerns in der Vergangenheit infrage gestellten Anlagen bzw. Aggregate soll es ab 2020 eine Wirtschaftlichkeitsprüfung geben. Unabhängig von deren Ergebnis gibt es hier eine Sicherung bis mindestens 2021.
Dies betrifft Produktionsanlagen der Standorte in Bochum, im Siegerland und des Werkes Hüttenheim in Duisburg. Die Beschäftigungssicherung bis 2026 bleibt davon aber unberührt bleibt. Was den durch eine etwaige Stilllegung einzelner Aggregate betroffenen Beschäftigten dort nach 2021 bis 2026 schlimmstenfalls widerfahren kann, ist folglich, dass sie zu einem anderen Standort von Thyssen-Krupp Steel wechseln müssen.
Weiterhin ist in dem Tarifvertrag ein Investitionsplan von jährlich mindestens 400 Millionen Euro vorgesehen, und zwar für den Ausbau der Konkurrenz- und damit Zukunftsfähigkeit einzelner Standorte. Das sollten also nicht einfache Erhaltungs-, sondern Neuinvestitionen sein, betont Hans Jürgen Meier.
Thyssen-Krupp Steel muss in einem Joint Venture über sechs Jahre die Mehrheit behalten
Ebenfalls wird Thyssen-Krupp Steel verpflichtet, sechs Jahre lang in einem Joint Venture mit Tata mindestens 50,1 Prozent der Anteile zu halten. Für den Fall, dass das Gemeinschaftsunternehmen innerhalb dieser sechs Jahre wegen einer guten Geschäftsentwicklung einen Börsengang anstrebt, ist festgelegt, das die Mehrheit der Anteile für diesen Zeitraum ebenfalls bei ihm verbleibt.
Bei einem Börsengang sehen die Gewerkschafter das neue Unternehmen zudem dahingehend in die Pflicht genommen, dass mit den Erlösen das Eigenkapital des Konzerns erhöht und die nicht unbeträchtlichen Schulden abgebaut werden müssten. Diese liegen bei Unterzeichnung der Fusion in dem Joint Venture vermutlich bei etwa 6,5 Milliarden Euro – Altlasten, die von beiden Partnern in die neue Unternehmung hineingeschoben werden dürften.
Dennoch herrscht auf Seiten der IGM zunächst einmal Zufriedenheit: Ein Schutzschirm sei mit dem abgeschlossenen Tarifvertrag für die Beschäftigten in den Betrieben bis 2026 für den Fall einer Fusion mit Tata aufgebaut worden, erklärt Hans Jürgen Meier hinzu.
Nicht zuletzt, weil die IGM nach Bekanntgabe der Fusionspläne ihre Mitglieder mobilisiert hatte. Ohne die vielfältigen Protestaktionen im vergangenen Jahr, etwa an der Villa Hügel, hätte man dieses Ergebnis ziemlich sicher nicht erzielen können, betont Detlef Gnatowski, Vertrauenskörperleiter in Dortmund.
Firmensitz in den Niederlanden: Für das fusionierte Unternehmen gilt keine Montanmitbestimmung
Einziger Wermutstropfen für die Gewerkschafter: Es ist ihnen nicht gelungen, zu verhindern, dass der Firmensitz des fusionierten Stahlkonzerns nicht mehr in der Bundesrepublik, etwa in Duisburg sein wird, sondern in den Niederlanden, vermutlich in Amsterdam. Dies bedeutet, dass die hierzulande geltende Montanmitbestimmung mit den darin festgeschriebenen Mitbestimmungsrechten der ArbeitnehmerInnen nicht für das Joint Venture gelten.
In dem nun geschlossenen Tarifvertrag ist in diesem Zusammenhang lediglich von der Gründung eines „Employee Executive Committee“ die Rede, in dem die ArbeitnehmerInnen mit drei Mitgliedern paritätisch vertreten sein werden. Die Funktion dieses Gremiums ist aber eher informativer Art.
Enttäuscht ist die IGM von der mangelnden Unterstützung aus der Politik. Ihre Initiativen für einen Firmensitz mit Standort in Nordrhein-Westfalen seien bei der schwarz-gelben Landesregierung in NRW ebenso wenig auf Gehör gestoßen wie bei der Kruppstiftung, die 21 Prozent an dem jetzigen Unternehmen besitzt, so Meier. Damit sei eine Chance vertan worden.
Offen ist auch, wie die mit der Fusion anvisierte Einsparung von 500 Millionen Euro jährlich konkret realisiert werden wird. Bislang war vor allem die Rede von einer Ausgabensenkung bei den Personalkosten.