Trotz Corona-Lockerungen: Arbeitsverbot für Prostituierte dauert an – Kampagne fordert: „RotlichtAn!“

Tote Hose - so stellt sich die Situation in der Linienstraße aktuell dar.
Tote Hose – so stellt sich die Situation in der Linienstraße aktuell dar. Fotos (3): Alex Völkel

Von Heike Becker-Sander

Kaum ein Tag in den letzten drei Wochen, an dem nicht kleine oder größere Lockerungen verkündet werden, die trotz Corona-Pandemie das gesellschaftliche und soziale Leben nach dem Lockdown wieder in eine „neue Normalität“ führen sollen. Dank sinkender Infektionszahlen können auch viele Menschen wieder ihrem Beruf nachgehen – mit strengen Hygieneauflagen, versteht sich. Für eine Gruppe gibt es jedoch weiterhin kein Licht am Ende des Tunnels: Prostituierte dürfen nicht arbeiten, Bordelle und Bordellstraßen bleiben weiterhin dicht. Auch in Dortmund sind, wie berichtet, in der Linienstraße und den anderen Bordellbetrieben schon im März die Lichter ausgegangen.

Mitternachtsmission: Lage ist dramatisch – Sexarbeiterinnen stehen vor dem Nichts, wissen nicht mehr weiter

Ein Zustand, der vor allem bei den betroffenen Frauen auf Unverständnis stößt, aber auch bei den Fachberatungsstellen im Land, die sich wie die Mitternachtsmission in Dortmund für die Belange der Prostituierten einsetzen. ___STEADY_PAYWALL___

Arbeiten der Künstlerin Bettina Brökelschen sind in der Petrikirche zu sehen.
In einschlägigen Dortmunder Etablissements wird derzeit nicht gearbeitet. Bilder (3) von der Künstlerin Bettina Brökelschen.

„Auch diese Frauen wollen wieder an die Arbeit“, erklärt die Leiterin der Mitternachtsmission, Andrea Hitzke. „Bisher ist aber noch nicht einmal ein Zeitpunkt genannt worden, wann es für sie wieder losgehen kann. In Österreich und in der Schweiz sind zum Beispiel schon Termine im Juli und Juni festgelegt worden, ab denen die Sexarbeiterinnen wieder tätig sein können.“

Zurzeit sei die Situation für viele Prostituierte schwierig, oft sind sie seit langen Wochen ohne Einkommen. Rücklagen, falls vorhanden, sind aufgebraucht. Andrea Hitzke: „Viele haben nicht zur Überbrückung Arbeitslosengeld II oder Soforthilfe des Landes NRW beantragt. Manche aus Angst vor Konsequenzen, andere auch aus Scham oder weil sie keine Ansprüche auf diese Leistungen haben.“ Die Lage ist für viele dramatisch: „Sie stehen vor dem Nichts und wissen nicht weiter.“

Die Mitternachtsmission nimmt den „Internationalen Hurentag“ am 2. Juni zum Anlass, auf das andauernde Berufsverbot für Menschen in der Prostitution hinzuweisen. „RotlichtAn“ heißt das bundesweite Motto der Kampagne des „Berufsverbandes der erotischen und sexuellen Dienstleistungen“, der sich die Dortmunder Beratungsstelle angeschlossen hat. Damit sollen, zumindest symbolisch, die Lichter für die Sexarbeiterinnen wieder angehen: Das Logo der Aktion zeigt eine brennende rote Lampe . „Wir werden versuchen, diese Logos, verbunden mit einem roten Licht, in vielen Fenstern zu platzieren, vielleicht auch in den noch geschlossenen Bordellen“, berichtet Silvia Vorhauer, Sozialarbeiterin der Mitternachtsmission.

Berufsverband der Prostituierten hat Ministerium fertiges Hygienekonzept vorgelegt

Legale Prostitution – die Bordellstraße Linienstraße in der Nordstadt – derzeit gibt es hier keinen Betrieb.

Auch für sie ist es unverständlich, dass die Prostituierten bisher aus allen Szenarien für eine Rückkehr in die Arbeitswelt in Corona-Zeiten ausgeblendet werden. „Schon seit Mitte Mai dürfen andere Berufe mit körpernaher Arbeit unter entsprechenden Hygienevorschriften wieder ausgeübt werden. Warum dann nicht auch bei den Sexuellen Dienstleistungen?“ Zumal es ein fertiges Hygienekonzept gäbe, das der Berufsverband Sexarbeit mit Gesundheitsämtern ausgearbeitet hat. Das Konzept liegt, so Silvia Vorhauer, den zuständigen Ministerien auch schon vor.

Die Aktion „RotlichtAn“ setzt sich aber nicht nur für eine schnelle Aufhebung des Corona-bedingten Berufsverbots für die Prostituierten ein. Verbunden damit ist der Aufruf, den Sexarbeiterinnen auch in Zukunft ein legales Arbeiten zu ermöglichen. „FÜR legales Arbeiten – GEGEN Sexkaufverbot“, so steht es auf dem Logo der Kampagne zum Internationalen Hurentag. Denn seit Beginn der Corona-Krise und des Arbeitsverbots für Prostituierte werden wieder Stimmen aus dem Politikbereich laut, die ein generelles Verbot der Prostitution, ein sogenanntes Sexkaufverbot, propagieren. Vorbild dafür ist Schweden.  Eine Gruppe von 16 Abgeordneten verschiedener Parteien hat sich dazu in den letzten Tagen entsprechend geäußert.

Kampagne „RotlichtAn“ kritisiert erneute politische Diskussion über ein Verbot der Prostitution 

Legale Prostitution - Die Bordellstraße Linienstraße in der Nordstadt von Dortmund
Die Sexarbeiterinnen suchen nach einer Perspektive.

Für die Dortmunder Mitternachtsmission ist diese immer wieder hochkochende Forderung ein „No-Go“. „Bei diesen Diskussionsgrundlagen ist vor allem problematisch, dass die Bereiche Prostitution und Menschenhandel gleich gestellt werden“, kritisiert Andrea Hitzke.

„Das Anbieten sexueller Dienstleistungen und das Verbrechen des Menschenhandels muss man deutlich voneinander unterscheiden.“ Gerade in der Mitternachtsmission kennt man diese Unterscheidung, denn die Fachberatung kümmert sich nicht nur um Frauen in der Prostitution, sondern sehr intensiv auch um Opfer von Menschenhandel.

„Dass alle, die als erwachsene Menschen freiwillig in der Prostitution arbeiten, als Opfer eingestuft werden und gezwungen werden sollen, ihre Tätigkeit aufzugeben, kommt einer Entmündigung gleich“, so die Einschätzung von Silvia Vorhauer zu einem möglichen Szenario des Sexkaufverbots. Bestraft würden, wie nach dem schwedischen Modell, die Männer, die käuflichen Sex wollen.

Expertinnen der Fachberatungsstelle warnen: Ein Verbot könnte Prostitution wieder in den Untergrund treiben

Was gerade in der Dortmunder Fachberatung als Folge eines solchen Sexkaufverbots sehr kritisch gesehen wird, ist das mögliche Verschwinden der Prostitution im Untergrund. Damit wäre dieser Bereich nur noch sehr schwer zu kontrollieren. Und, so die Erfahrung von Andrea Hitzke: „Je schwerer man es den Frauen macht, desto eher kommt es zu Ausbeutung und Gewalt im Untergrund.“

Die Rechte von Sexarbeiterinnen müssten gestärkt, nicht die Prostitution verboten werden. „Im Übrigen sprechen sich auch viele Vereinigungen und Verbände, darunter der Deutsche Juristinnenbund, Amnesty International, der Deutsche Frauenrat und die Diakonie Deutschland gegen eine Abschaffung der Prostitution aus“, erklärt Silvia Vorhauer.

Die Position der Dortmunder Fachberatungsstelle ist eindeutig: „Zum 45. Internationalen Hurentag 2020 erklären wir uns solidarisch mit den Menschen in der Prostitution und setzen uns für eine sozialrechtliche Gleichstellung und die Verbesserung ihrer derzeitigen Situation ein“, heißt es von Seiten der Mitternachtsmission zum 2. Juni.

Info „Sexworker Day“

Der Internationale Hurentag ist ein Gedenktag für die 150 Prostituierten, die in der Nacht vom 1. auf den 2. Juni 1975 in Lyon die Kirche Saint-Nezier besetzten. Sie protestierten gegen unerträgliche Arbeitsbedingungen, forderten freie Berufsausübung und lösten einen Generalstreik aus. Dieser erste öffentliche Aufstand von Sexarbeiterinnen wurde mit Polizeiknüppeln niedergeschlagen. Es kam weltweit zu Solidaritätskundgebungen.

 

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Reaktionen

  1. Sexarbeiter*innen in der Krise: Gleichbehandlung und Unterstützung sicherstellen! (Appell der Deutschen Aidshilfe)

    Sexarbeiter*innen in der Krise: Gleichbehandlung und Unterstützung sicherstellen!

    Sexarbeiter_innen können zurzeit aufgrund von Maßnahmen gegen Corona nicht
    arbeiten und sind in existenzieller Not. Sie brauchen dringend unbürokratische
    Soforthilfe. Beratungsstellen benötigen Unterstützung, um in der Krise helfen zu
    können.

    Sexarbeiter*innen sind von der Corona-Krise besonders betroffen. Seit Mitte März sind Prostitutionsbetriebe geschlossen. Körpernahe Dienstleistungen sind aktuell für
    den Bereich der Sexarbeit weiterhin untersagt, während ansonsten schrittweise gelockert
    wird. Faktisch besteht nach wie vor bundesweit ein Arbeitsverbot.

    Damit sind Sexarbeiter*innen ohne Einkommen, teilweise auch ohne Unterkunft und ohne Zugang zu
    medizinischer Versorgung. Menschen, die sich bereits vor der Corona-Pandemie in prekären
    oder bedrohlichen Situationen befunden haben, erleben diese nun verschärft.

    Oft kein Zugang zu Soforthilfe

    Der Zugang zu Soforthilfeprogrammen oder Sozialleistungen ist für viele Sexarbeiter*innen
    erschwert oder verstellt. Das kann steuer-, melde- oder aufenthaltsrechtliche Gründe haben.
    Selbst wenn ein Rechtsanspruch besteht, führt dies aufgrund einer diskriminierenden
    Behördenpraxis nicht immer zu einer erfolgreichen Bewilligung oder es vergehen lange
    Zeiträume bis zur positiven Entscheidung der Behörden.

    Das zeigt sich anhand vieler Praxisbeispiele, von denen Sexarbeiter_innen und Fachberatungsstellen berichten. Selbst EU-Bürgerinnen vermeiden es, einen Antrag auf Sozialleistungen zu stellen, um ihr Freizügigkeitsrecht nicht zu verlieren. Besonders schwierig ist die Lage für diejenigen EUBürger*innen, die unter den Leistungsausschluss nach SGB II/SGB XII fallen, weil sie die Vortätigkeit in Deutschland nicht nachweisen können, und die keinen Zugang zur Krankenversicherung oder zu medizinischer Versorgung haben.

    Not zwingt zur Weiterarbeit

    Sexarbeiter_innen, die keine finanzielle Unterstützung erhalten, suchen
    Ausweichmöglichkeiten, um ihr Überleben zu sichern. Einige von ihnen sehen keine andere
    Möglichkeit, als die Prostitution weiterhin auszuüben.

    In Zeiten der Krise wächst der Bedarf an Hilfe und Beratung bei Sexarbeiter*innen also in
    besonderem Maße. Zugleich können Beratungsstellen zurzeit nur eingeschränkt arbeiten. Dies verschärft die Notlage der Betroffenen.

    Gleichbehandlung gewährleisten

    Aus diesen Gründen sind dringend Maßnahmen erforderlich, die den Lebensunterhalt von
    Sexarbeiter*innen schnell und unbürokratisch absichern und sie bei der Bewältigung der
    Situation unterstützen.

    Wichtig: Bei Lockerungen von Maßnahmen gegen Corona müssen Sexarbeitende genauso
    behandelt werden wie andere Berufsgruppen, die körpernahe Dienstleistungen erbringen.

    WAS JETZT SOFORT GEBRAUCHT WIRD:

    • Unbürokratischer Soforthilfe-Fond für Menschen ohne gesetzliche Ansprüche
    (Zahlungen als Zuwendung, nicht als Darlehen, unabhängig von Aufenthaltsstatus und
    der Anmeldung nach dem ProstSchG).
    • Uneingeschränkte Anerkennung des Corona-bedingten Arbeitsverbots als unfreiwillige Erwerbslosigkeit und damit des Fortbestands des Erwerbstätigenstatus für Angehörige der EU/EWR/Schweiz.
    Anonyme medizinische Versorgung für Personen ohne Krankenversicherung im medizinischen Regelsystem und erleichterter Zugang zur Substitution auch für nicht krankenversicherte Menschen.
    Unterbringung durch Kommunen in Einzelunterkünften (z.B. Ferienwohnungen oder leerstehenden Hotelzimmern), um einerseits Obdachlosigkeit oder abhängigkeitsbegründende Unterbringung in Bordellbetrieben, andererseits Stigmatisierung und Ausgrenzung in Sammelunterkünften zu vermeiden.
    Keine Kriminalisierung von Ratsuchenden, die sich jetzt – z.B. ohne Papiere – an Behörden wenden, um Unterstützung zur Abfederung ihrer prekären Situation zu erhalten; geeignete Anlaufstellen, Schutz der Daten.
    Anerkennung von Fachberatungsstellen als „systemrelevant“ – kurz- und langfristige Absicherung ihrer Arbeit, nötigenfalls durch einen Schutzschirm (z.B. in den Ländern).
    Mehrsprachige, leicht verständliche Verkündung neuer Maßnahmen oder Anordnungen und Möglichkeiten zur Inanspruchnahme staatlicher Leistungen sowie Hinweise auf Hilfe- und Beratungsangebote. Finanzierung von Telefon- und Videodolmetscherdiensten für die Fachberatung.
    Ausbau und Finanzierung der Online-Beratung von Fachberatungsstellen und der
    Selbstorganisation von Sexarbeiter*innen.

    WAS LÄNGERFRISTIG GEBRAUCHT WIRD:

    Maßnahmenpaket auch für Menschen, die alternative Einkommensperspektiven und/oder berufliche Weiterbildung wünschen. Die Absicherung des Lebensunterhaltes sollte dabei gewährleistet werden.
    Finanzielle Unterstützung für alle Sexarbeiter*innen, die während der Corona-Pandemie ihre Arbeit nicht ausführen können. Diesen Appell der Deutschen Aidshilfe haben folgende Organisationen unterzeichnet:
    • Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V. (BesD)
    • Berufsverband Sexuelle Dienstleistungen e.V. (BSD)
    • Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter (bufas)
    • Deutscher Juristinnenbund e.V. (DJB)
    • Diakonie Deutschland – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.
    • Dortmunder Mitternachtsmission e.V.
    • Frauenwerk der Nordkirche mit seinen beiden Beratungsstellen contra – Fachstelle gegen Frauenhandel in Schleswig-Holstein und cara*SH – Fachberatungsstelle für Prostituierte in Schleswig-Holstein
    • move e.V. – Verein für Bildung und Kommunikation in der Sexarbeit
    • Verein zur Förderung von Jugendlichen e.V. Stuttgart

  2. Simone Pietzsch

    Der Bundestag sollte keine Berufsgruppe ausschließen, dass ist diskriminierend. Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt und niemand wird dazu gezwungen, die Frauen kommen freiwillig in die Häuser. Wir haben fast alle Familien, wir sind nicht Menschen 3. WAHL. Bordelle haben bereits vor Corona hohe Hygienevorschriften gehabt und alle haben selbst Interesse diese auch einzuhalten. Wenn ich schon Infektiionsherd höre… Nicht ein Corona Opfer im Bordell gab es.
    Flüchtlinge werden aufgenommen…. Massage Studios dürfen öffnen, Tattoo Studios… Warum dürfen wir nicht arbeiten???? Erklärt es uns und ignoriert uns nicht! Ohne Prostition gäbe es viel mehr Kriminalität, besonders Sexualverbrechen…. Denkt daran niemand!

  3. Cristina

    Wie immer steuern dürfen wir immer bezahlen aber hilfe u anerkennung bekommen wir nicht lasst uns arbeiten sonst müssen wir alle illegal arbeiten oder sollen wir alle verhungern…

  4. Prostitutionsverbot in der Corona-Pandemie: CDU sieht Erfolge des „Dortmunder Modells“ in Gefahr (PM)

    Prostitutionsverbot in der Corona-Pandemie: CDU sieht Erfolge des „Dortmunder Modells“ in Gefahr

    Die nordrhein-westfälische Wirtschaft ist von den Auswirkungen der Corona-Pandemie besonders hart getroffen worden. Doch während die allermeisten Branchen nach dem „Shutdown“ mittlerweile in eine „verantwortungsvoller Normalität“ zurückgekehrt sind, gilt für das älteste Gewerbe der Welt in NRW weiterhin ein striktes Berufsausübungsverbot. Mit einer Resolution im Ausschuss für Bürgerdienste, öffentliche Ordnung, Anregungen und Beschwerden will die Dortmunder CDU-Fraktion nun auf das Problem aufmerksam machen. Die Christdemokraten fordern die Stadt Dortmund darin zur Aufnahme „lösungsorientierter Gespräche“ mit dem Land Nordrhein-Westfalen auf.

    „Seit März besteht für SexarbeiterInnen in Dortmund keinerlei Möglichkeit, auf legale Weise ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie werden infolge des nach wie vor strikten Prostitutionsverbotes derzeit vor die Wahl gestellt, sich unverschuldet für ein Leben in Arbeitslosigkeit oder ein Leben in der Illegalität zu entscheiden“, weiß Thorsten Hoffmann, der sich als Mitglied der CDU-Sozialfraktion und langjähriger Polizeibeamter in Dortmund bestens in der Szene auskennt. Die finanziellen Nöte der Betroffenen sorgen dafür, dass viele SexarbeiterInnen in die illegale Prostitution getrieben werden. Oder aber aus wirtschaftlichen Gründen in andere Bundesländer und das europäische Ausland abwandern. Auf diese Probleme weisen auch Hilfsorganisationen wie die Dortmunder Mitternachtsmission hin.

    „Um das Thema Prostitution wird in der politischen Debatte gerne ein großer Bogen gemacht. Das liegt wohl daran, dass das Gewerbe auch heute noch bei vielen Menschen mit Vorurteilen, Stigmata und Tabuisierung belegt ist“, meint Friedrich-Wilhelm Weber, ordnungspolitischer Sprecher der Christdemokraten. Und weiter: „Wir haben jedoch große Sorge, dass das im Jahr 2002 etablierte und mittlerweile institutionalisierte „Dortmunder Modell“ sowie dessen kommunale Erfolgsgeschichte durch die aktuellen Entwicklungen in Gefahr gerät.“ Dies gefährde nicht nur die öffentliche Ordnung in den besonders betroffenen Stadtteilen, sondern stelle auch in Hinblick auf den Schutz der SexarbeiterInnen ein eklatantes Problem dar.

    Die Dortmunder Christdemokraten befürchten zudem, dass die Zunahme von illegaler Prostitution in Dortmund zu einem Wiedererstarken der vielerorts zu beobachteten Begleitphänomene, wie Menschenhandel und organisierter Kriminalität, führt. „Das ist nicht nur ein Dortmunder Problem, sondern ein nordrhein-westfälisches. Wir haben uns daher in einem offenen Brief an das Land gewandt, um auf den dringenden Regelungsbedarf hinzuweisen und die Situation zum Wohle und zum Schutz der Betroffenen zeitnah zu verbessern. Wir wollen damit auf eine gesetzliche Neubewertung des aktuell geltenden Berufsausübungsverbotes im Bereich der Sexarbeit hinwirken“, erklärt Justine Grollmann, Sprecherin der CDU-Fraktion im Sozialausschuss, abschließend.

    Hintergrund

    Seit Ausbruch der Corona-Pandemie gilt in Nordrhein-Westfalen ein striktes Berufsausübungsverbot für den Bereich der Prostitution. In anderen Bundesländern wurde das Prostitutionsverbot jedoch bereits in Teilbereichen gelockert und die Ausübung des Gewerbes unter der Auflage strenger Hygienekonzepte und Schutzmaßnahmen wieder gestattet. Das im Jahr 2002 eingeführte „Dortmunder Modell“ ist als Gesprächsplattform aller relevanten Akteure (SexarbeiterInnen, ClubbetreiberInnen, Ordnungsamt, Polizei, Hilfsorganisationen, usw.) in Dortmund mittlerweile fest etabliert und gilt parteiübergreifend als Erfolg. Durch die Einführung dieses geregelten und rechtssicheren Rahmens ist es gelungen, die illegale Prostitution sowie diverse Begleitphänomene (Menschenhandel, organisierte Kriminalität, usw.) auf kommunaler Ebene stark zurückzudrängen. Zugleich wurde durch die enge Zusammenarbeit aller relevanten Akteure ein weitgehend sicheres Umfeld zur Berufsausübung für SexarbeiterInnen geschaffen, verschiedene Hilfsangebote zielgerichtet etabliert sowie Kontrolle und Gesundheitsschutz des Gewerbes maßgeblich verbessert.

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