„Trinkhallensterben“: Studierenden-Projekt untersucht die aktuelle Lage und Zukunftsaussichten der Kiosk-Kultur

Die Studierenden befassen sich mit dem Trinkhallensterben. Foto: Thea Ressemann

Von Thea Ressemann

Auf dem Weg zur Party nochmal eben mit den Freunden ein Bier bei der nächsten Trinkhalle (anderes Wort: Kiosk) holen – das kennt (fast) jede*r. Besonders im Ruhrgebiet gehört die Trinkhalle zum täglichen Kulturgut. Doch die Anzahl der Trinkhallen im Ruhrgebiet – und damit auch in Dortmund – wird jedes Jahr kleiner. Und mit ihrem Verschwinden stirbt auch die Trinkhallenkultur aus. Mit den Ursachen und Konsequenzen dieser Entwicklung hat sich das Projekt „Dortmunder Kiosk-Kultur: Der Trinkhalle auf der Spur“ beschäftigt.

Das Projekt zeigt, das Raumplanung nicht immer etwas mit „Pläne zeichnen“ zutun haben muss

Die Projekt-Mitglieder sind Studierende der Fakultät Raumplanung an der Technischen Universität Dortmund. „Raumplanung hat nichts mit Innenarchitektur zutun,“ lacht Jonas Herbertz, einer der am Projekt beteiligten Studierenden, „ der Begriff „Raum“ meint jeden Raum außerhalb des Hauses – zum Beispiel ein Quartier oder eine Stadt.“

Das Ruhrgebiet pflegt die Trinkhallen-Kultur. Eine beliebte Dortmunder Institution ist der Bergmann-Kiosk. Foto: Alex Völkel
Das Ruhrgebiet pflegt die Trinkhallen-Kultur. Eine beliebte Dortmunder Institution ist der Bergmann-Kiosk.

Sein Kommilitone Christopher Brockmann ergänzt: „Vom Quartiersmanagment bis zu überregionalen Ebene, da gibt es viele Betätigungsfelder. Es geht darum den öffentlichen Raum zu planen.“ Im Zuge des Studiums werden mehrere Projekte absolviert, was den Studierenden das Sammeln praktischer Erfahrungen ermöglichen soll.

Das Projekt „Dortmunder Kiosk-Kultur: Der Trinkhalle auf der Spur“ ist für die Studierenden das Erste im Studium. Es ging darum die Bedrohungslage der Trinkhallen einzuschätzen und mögliche Konzepte zum Erhalt der Trinkhallen zu finden.

Acht Monate lang forschten sie auf dem Gebiet. Um einen guten Überblick über das Thema zu bekommen, sprachen sie zuerst mit Menschen, die als Experten auf dem Gebiet gelten. Danach ging es an die Feldforschung: Sie zählten alle noch existenten Kioske, machten Bestandsaufnahmen ihres Angebots, zählten die Kund*innen und sprachen mit den Kioskbesitzer*innen. Anschließend folgte eine anonyme Online-Umfrage der Kundschaft. Unterteilt wurden die Ergebnisse nach Stadtvierteln. Dafür steckten sie in Hombruch, der Nordstadt und dem Kreuzviertel jeweils Gebiete von ca. 40 Hektar Größe ab.

Untersucht wurden das Sortiment, die Umgebung und die Kundschaft der Trinkhallen

Der Nordmarkt-Kiosk ist sehr beliebt - aber Alkohol und Kippen sucht man hier vergeblich.
Der Nordmarkt-Kiosk ist sehr beliebt – aber Alkohol und Kippen sucht man hier vergeblich. Fotos (2): Alex Völkel

Bei den Ergebnissen fiel bereits bei der Trinkhallen-Dichte etwas auf. In der Nordstadt finden sich 27 Kioske, während es in den beiden anderen Gebieten jeweils sechs gibt. Geschaut wurde dann noch, was sich in der Umgebung der Trinkhallen befindet und sie dadurch wie beeinflusst.

Beispielsweise die Altersgruppe Kundschaft ist stark abhängig vom Standort. Wie gut eine Trinkhalle besucht wird hängt auch von der einladenden Atmosphäre ihrer Umgebung ab. Auch die Nähe zu Supermärkten spielt eine Rolle

Das „Trinkhallensterben“ begann mit der Liberalisierung der Öffnungszeiten von Supermärkten in den 1990er Jahren. Besonders an Orten, wo einige Geschäfte bis in die Nacht geöffnet haben, sind Supermärkte eine große Konkurrenz für die Trinkhallen. „Genau das nächtlichen Geschäft ist das Kerngeschäft von Trinkhallen“, erklärt Christopher Brockmann.

Auch das große Angebot von Lebensmitteln an Tankstellen erhöht den Konkurrenzdruck auf die kleineren Nahversorger. Eine Möglichkeit dem entgegenzuwirken ist beispielsweise das Zusammenschließen zu sogenannten „Einkaufsgesellschaften“. In diesen werden gemeinsam Wareneinkäufe getätigt. Dadurch können Preise gehalten (wenn nicht sogar gesenkt) und die Konkurrenzfähigkeit gesteigert werden.

Trotz der Häufigkeit der Trinkhallen ließ sich in den Befragungen und den Umfragen heraushören, dass den Menschen im Kreuzviertel der Erhalt der Trinkhallen insbesondere als Kultobjekte am wichtigsten ist. Das Kulturgut, das hinter den Trinkhallen steht, ist der soziale Austausch fremder und häufig auch völlig unterschiedlicher Menschen. „Das Gespräch zwischen Kioskbesitzer*in und -kund*innen ist von beiden Seiten gewünscht“, berichtet Brockmann. Trinkhallen sind also Orte der Integration. Es sind aber nicht nur Kultorte: „Kioske wurden und werden als willkommene Arbeitsplätze gesehen“, unterstreicht Herbertz die Wichtigkeit der Trinkhallen.

Eine Diskussionsrunde über „die Zukunft der Trinkhallen“ mit Expert*innen und Betroffenen

Borsig-VIPS, Führung zu unbekannten Berühmten und Mythen. Jürgen Elkers Kiosk und Kaffeebude
Jürgen Elkers Kiosk und Kaffeebude im Borsigplatz-Quartier der Nordstadt. Archivbild: Klaus Hartmann

Wer noch mehr über das Thema erfahren will, sollte sich am Samstag (10. Juli 2021) um 17 Uhr zum Kiosk Adlerstraße 59 begeben. In und vor dem Kiosk in der Adlerstraße wurden vor der Corona-Pandemie einige verschiedene Events veranstaltet. Die Diskussion ist die erste Veranstaltung seit Beginn der coronabedingten Beschränkungen.

Die Studierenden tauschen sich in einer öffentlichen Diskussionsrunde mit einem Experten, einem Politiker und einem Kioskbesitzer über „die Zukunft der Trinkhalle“ aus.

Eine der Fragen bezieht sich auf den Unterschied zwischen der Gewichtung von Trinkhallen als Kulturobjekte: „Ist Trinkhallenkultur nur etwas für Akademiker ist, die sich zwar damit beschäftigen und es cool finden, aber so gut wie nie dahin gehen? Oder sehen auch die Leute genauso, die da tatsächlich jeden zweiten Tag einkaufen? Und wie sehen das die Besitzer*innen?“

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  1. Das Forum Stadtbaukultur widmet sich dem „Büdchen“ (PM)

    Abseits der großen und markanten Wahrzeichen einer Stadt, spielen kleine – ja sogar kleinste – Elemente eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung des städtischen Raums. Häufig sind solche Objekte derart charakteristisch für eine Region oder eine Stadt, dass sie einen einzigartigen Wiedererkennungswert schaffen. Auch Kioske, Trinkhallen oder wie Dortmunder*innen sagen würden „Büdchen“ zählen zu dieser Art Objekte. Deshalb widmet sich das Forum Stadtbaukultur am Montag, 20. September, ab 19 Uhr im Baukunstarchiv NRW (Gartensaal), Ostwall 7 einen Abend lang diesem für viele unverzichtbaren Stück Identifikationsort ihrer Stadt: „Die Trinkhalle im Ruhrgebiet – ein immaterielles Kulturerbe. Beiträge von Klein- und Kleinstarchitektur zur Stadtgestaltung“, so der Titel der Veranstaltung.

    Los geht es vorher aber schon mit einem Rundgang um 17 Uhr durch das Unionviertel. Der Treffpunkt wird mit der bestätigten Anmeldung mitgeteilt. Um eine verbindliche Anmeldung per E-Mail an forum-stadtbaukultur@dortmund.de wird aufgrund begrenzter Kapazitäten bis zum 16.09.2021 gebeten. Die Vergabe der Plätze für den Stadtspaziergang und die Veranstaltung im Baukunstarchiv erfolgt nach der Reihenfolge des Eingangs der Anmeldung. Die laufende Ausstellung von Marie Enders „Third Place Trinkhalle“ im Baukunstarchiv NRW kann am Veranstaltungsabend besucht werden.

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