Von Claus Stille
Das neue Hafenquartier Speicherstraße wurde bei einer BürgerInnen-Werkstatt im Theater im Depot gründlich in den Fokus genommen. Die Speicherstraße gehört zu den wichtigsten Entwicklungsschwerpunkten der Stadt. In der südlichen Speicherstraße konnten in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Projekte vorbereitet werden oder stehen kurz vor der Umsetzung. Nach dem Erwerb des Knauf Interfer SE-Geländes durch die Dortmunder Stadtwerke (DSW21) richten sich die Blicke nun stärker auf die Entwicklung der nördlichen Speicherstraße.
Quartier mit den Schwerpunkten Büros, Gewerbe, Bildung und Digitalisierung
Die von DSW21 gemeinsam mit der Dortmunder Hafen AG neu gegründete d-Port Entwicklungsgesellschaft will die Gestaltung des Hafenquartiers voranbringen. Bis 2025 soll ein gemischtes Quartier mit den Schwerpunkten Büros, Gewerbe, Bildung und Digitalisierung entstehen.
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Von Anfang an will man die Öffentlichkeit, die Anlieger, die BürgerInnen bei der Entwicklung des Areals in einem transparenten Verfahren einbinden. Zu diesem Behufe fand Ende Juni für interessierte BürgerInnen eine Ortsbegehung im Gebiet Speicherstraße statt. Im Anschluss war zu einer BürgerInnenwerkstatt ins Theater im Depot eingeladen worden. Oberbürgermeister Ullrich Sierau verfolgte die BürgerInnenwerkstatt mitten im Publikum sitzend.
In mehreren Arbeitsgruppen machten BürgerInnen interessante Vorschläge das Projekt betreffend. Auch kritische Einwände gab es. Eine wichtige Anregung: Das Projekt solle bei hoher Transparenz mit größtmöglichem Fingerspitzengefühl umgesetzt werden.
Thomas Westphal: „Dortmund ist in Deutschland und glücklicherweise auch in Europa the normal one“
Die Ergebnisse der Bürgerwerkstatt – so ist es versprochen – sollen in die Auslobung eines Wettbewerbs für StadtplanerInnen und ArchitektInnen einfließen, der im Herbst ausgeschrieben wird. Aufgabe des Wettbewerbs: Ideen, Wünsche und Anregungen, die in der Bürgerwerkstatt formuliert werden, aufgreifen, bewerten und in ein funktional und gestalterisch schlüssiges Gesamtkonzept zu überführen.
Thomas Westphal, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Dortmund zitierte den auf einer Pressekonferenz gesagten Satz des Ex-BVB-Trainers und jetzigen Trainer des FC Liverpool („I am the normal one“) und meinte, das sei im Grunde auf Dortmund übertragbar: „Dortmund ist in Deutschland und glücklicherweise auch in Europa the normal one.“
Als achtgrößte Stadt in Deutschland sei Dortmund die Stadt, die keine Landeshauptstadt ist, die kein Dax-Konzern oder anderen Konzern in der Stadt beherberge und die als letzte – vor 50 Jahren – eine Universität gegründet habe. Westphal: „Unsere Erfolge haben wir ganz alleine zusammen erarbeitet.“ Es ist das, was die Wirtschaftsförderung der Stadt Dortmund als „Heimvorteil“ mit dem Untertitel „zusammen wachsen“ preist.
Weiter an die Spitze „aber dabei Dortmund bleiben“
Man wolle zwar weiter an die Spitze, bekannte Thomas Westphal, „aber Dortmund bleiben dabei“, gleichzeitig jedoch auch in Sachen Wohlstand, Arbeitsmärkte und Arbeitsplätze nicht zurückfallen. Was das Projekt Hafenquartier Speicherstraße angehe, sehe man das als Chance. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze, neuer Freizeitangebote und neue Gastronomie herzuholen mit einer Promenade, die zum Flanieren einladen wird, ist ein Ziel.
Und zwar im ganzen Bereich der Speicherstraßenumgehung. Weitere Fuß- und Radwege sind geplant. Das könne eine große Entwicklung nehmen, die Nordstadt aufwerten und sogar auf die gesamte Stadt Dortmund eine positive Ausstrahlung haben.
Dabei wolle man aber Bescheidenheit und Bodenständigkeit bewahren. Auf bisherige „coole, bereits vorhandene Angebote“ solle aufgebaut werden. Als Kernthema des Abends, so Westphal, sollte diskutiert werden, wie man Hafenquartier bleiben und Zukunftschancen nutzen könne.
Ein lebendiges Quartier entwickeln mit hohen „Aufenthaltsqualitäten“
Andreas Bachmann vom Architekturbüro Pesch und Partner oblag es, unterstützt durch die Einblendung von Fotos, eine Einführung in das Projekt Nördliche Speicherstraße zu geben. Darin ging es auch um Umnutzung von bestehenden Speichergebäuden. Ziel sei es, ein lebendiges Quartier zu entwickeln, mit „hohen Freiraumqualitäten“ und „Aufenthaltsqualitäten“ zu schaffen.
Startup-Unternehmen sollen dort zusätzlich zu „gestandenen Unternehmen“ angesiedelt werden. Der Lensing-Media-Port, ein Gründungs- und Innovationscampus und auch die Akademie für Digitalität und Theater sowie ein Berufskolleg werden dort u.a. zu finden sein. Gewerbliche Nutzung ist vorgesehen. Ein reines Gewerbegebiet wird es nicht geben.
Die Kleingartenanlagen sollen erhalten und vielleicht über Wegeverbindungen zum Hafenquartier hin eingebunden werden. Alles auf einer Fläche von zirka zehn Hektar. Zwölf bis fünfzehn Architekten- und Planerbüros sollen in ein Wettbewerbsverfahren gehen. Im Januar wird der Preisträger gekürt.
Der Raiffeisen-Silo – eine Landmarke – werde höchstwahrscheinlich nicht erhalten werden können. Bei allem solle die konventionelle Hafennutzung freilich nicht beeinträchtigt werden. Eine Wohnnutzung im neuen Hafenquartier ist nicht vorgesehen. Das Privathaus Speicherstraße 38 werde bestehen bleiben.
Potenziale der Stadtentwicklung anhand von Hafenentwicklungen
Prof. em. Dr. Franz Pesch unternahm es in seinem Impulsvortrag, dem Publikum Wirtschaftsstandorte und Potenziale der Stadtentwicklung anhand von Hafenentwicklungen in der Vergangenheit bis in die Gegenwart, auch den Strukturwandel einbeziehend, nahezubringen. Dabei wurden auch Konflikte angesprochen.
Häfen, meinte Pesch, seien keine einfachen Orte. Als Beispiele, wo Hafenanlagen das Neue mit dem Bestehenden verbänden, erörterte er in Wort und Bild an mehreren Beispielen: dem Deutzer Hafen in Köln, dem Hamburger Hafen „als Typus neuer Stadtteil“, dem wohnorientierten Hafen von Lyon, dem Duisburger Innenhafen, dem Düsseldorfer Medienhafen und hervorgehoben an der interessanten Gestaltung des Nordhafens von Kopenhagen mit Bestands- und gewerbliche Gebäuden und sogar einem einbezogenen Kraftwerk, einer großen internationalen Schule und dem Sitz der deutschen Botschaft in Dänemark sowie einem Möbelhaus.
Die Sicht der NutzerInnen und AnrainerInnen wurde bei einem Podiumsgespräch deutlich
Während eines Podiumsgesprächs zur Entwicklung des Hafenquartiers wurde die Sicht der NutzerInnen und AnrainerInnen deutlich. TeilnehmerInnen waren der Vorstand der Dortmunder Hafen AG, Uwe Büscher, Heinz-Hubert Schulz, der stellvertretende Vereinsvorsitzende einer Gartenanlage nahe dem Hafenquartier, sowie die BürgerInnen des Hafenviertels Victora Kamuf und Martin Pilpul von der Hafeniniative.
Schulz konnte sich vorstellen, den Raiffeisen-Siloturm zu erhalten – z. B. als Aussichtspunkt. Die BürgerInnen Kamuf und Pilpul warben für eine größere Einbindung der im Hafenviertel wohnenden Menschen. Die Bürgerwerkstatt allein könne das keinesfalls leisten.
Hafen-Chef Büscher lobte den in kürzester Zeit gestalteten Aufholprozess, der das Projekt auf einen guten Weg gebracht habe. Einen Wunsch habe der dennoch: eine größtmögliche Lösungsvielfalt des städtebaulichen Wettbewerbs, „sodass diejenigen, die hinterher entscheiden müssen was dabei rauskommt, eine richtig tolle Auswahl haben“. Des Weiteren hoffe er in den kommenden Jahren auf einen respektvollen Umgang miteinander.
171 Unternehmen mit 5.000 Arbeitsplätzen sind im Hafen ansässig
Die Idee zum Hafenquartier bezeichnete Karl-Heinz Keisewitt, Vorsitzender des Dortmunder Hafenanliegervereins und stellvertretender Geschäftsführer Dolezych GmbH & Co. KG, als großartig. Der Hafen sei ja ein Verknüpfungspunkt zwischen Stadt und Region.
Im Hafen seien 171 Unternehmen ansässig mit 5.000 Arbeitsplätzen. Keisewitt kann sich durchaus einige tausend Arbeitsplätze mehr vorstellen, die durch das südliche und nördliche Hafenquartier möglicherweise in Zukunft noch generiert werden könnten.
Der selbst in Hafennähe wohnende Bezirksbürgermeister der Innenstadt Nord, Dr. Ludwig Jörder , sagte, ihm ginge es darum, dass die „Wegzugsabsichten“ in der Nordstadt weniger und die „Bleibeabsichten“ stärker werden. Jörder meinte, nicht verkneifen könne er sich, etwas zum Thema Wohnen zu sagen. Dass man Wohnen im Hafenquartier einfach ausgeschlossen hat, gefiel ihm nicht. Hierzu gebe es durchaus verschiedene Expertenmeinungen. Wenigstens in der Nähe der Kleingartenanlage hätte man eine solche Möglichkeit doch einmal überprüfen können.
Lebhafte Beteiligung der Gäste an vier Thementischen
Erfreulich viele Gäste der Bürgerwerkstatt beteiligten sich lebhaft an der Arbeit an vier Thementischen: Architektur und Städtebau, Freiraum und Umwelt, Wirtschaftliche Chancen sowie Soziale Entwicklung in anderen Räumlichkeiten des Depots.
Viele interessante, ernstzunehmende Vorschläge wurden von den BürgerInnen gemacht und von LeiterInnen der Themengebiete notiert. Aber es ging auch schon einmal kontrovers zu. Etwa wurde die Befürchtung geäußert, das Hafenquartier könne über eine Gentrifizierung zu einer Verdrängung der angestammten Bevölkerung – z. B. wegen steigender Mieten beitragen.
Vielfältige Anregungen und kritische Anmerkungen der BürgerInnen
Zum Ende der Veranstaltung ging es wieder zurück ins Theater im Depot, um die von den BürgerInnen an den vier Thementischen gemachten und von deren LeiterInnen gesammelten Vorschläge allen mitzuteilen. Darüber hinaus werden diese dokumentiert und nach Machbarkeit abgewogen. Später sollen möglicherweise einige der geäußerten Anregungen im Projekt Berücksichtigung finden.
Die BürgerInnen hatten sich über Verkehrsbelastungen besonders von LKW-Verkehr und industrielle Emissionen Gedanken gemacht. Ein Radwegenetz mit Anbindungen an angrenzende Stadtgebiet wurde angeregt. Reine Kettengastronomie, wie sie mittlerweile überall gleich fast auf der ganzen Welt vorzufinden sei, solle möglichst keine Berücksichtigung finden. Sondern vielmehr Betriebe, die lokalen Charme atmen und auch etwas für den kleinen Geldbeutel anbieten – es komme auf den richtigen Mix an.
Schickimicki-Gastronomie ist verpönt. Die gastronomische Einrichtung „Herr Walter“, hieß es, solle bitte erhalten werden – sie sei gut angenommen worden und inzwischen prägend für den Ort. Auch was Arbeitsplätze und Firmen angehe, wollten BürgerInnen gesichert wissen, dass auch da auf eine breit gestreute Wirtschaftsstruktur geachtet werde und nicht nur Digitalunternehmen dort ansässig den Vorzug erhielten.
Aufwertung des Hafenquartiers darf nicht zur Abwertung der Nordstadt führen
Genossenschaftliche Einrichtungen anzusiedeln wurde ebenfalls diskutiert. Eine direkte Einbringung der örtlichen Kultur- und Kunstszene ins Hafenquartier ist angesprochen worden. Auch müsse daran gedacht werden, dass alles, was bezüglich der Entwicklung des Hafenquartiers geschehe und geplant sei, Auswirkungen auf die gesamte Nordstadt habe.
Es möge darauf geachtet werden, dass eine Aufwertung des Quartiers nicht zur Abwertung der Nordstadt führe. Eine gute Begrünung vorzusehen, wurde von BürgerInnen ebenfalls angemahnt. Ein weiterer Vorschlag war, eine Fläche in Nähe der Kleingartenanlage für Urban Gardening (Urbaner Gartenbau) für Interessenten vorzusehen. Das könne ja eine Art Pufferzone zwischen dem Dienstleistungs- und dem Kleingartenbereich sein. Es solle auch Einfluss auf die Müllproblematik genommen werden. Auf Plastik, lautete eine andere Forderung, solle verzichtet werden.
Konsens in allen Gruppen war: die BürgerInnen wünschen mehr Transparenz, was die Planung anbelangt und ein Eingebundensein in die Kommunikation diesen Prozess betreffend wird gewünscht. Fast alle begreifen das Projekt als Chance für den Hafen, die Nordstadt und darüber hinaus – wenn es gut und besonnen gemacht werde – sogar für die ganze Stadt Dortmund mit Ausstrahlung ins regionale Umland.
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Wirtschaftsförderung Dortmund
Wirtschaftsförderung Dortmund lädt zu einem weiteren Bürgerdialog zur Entwicklung des Hafenquartiers Speicherstraße ein
Die Veranstaltung findet am 9. Dezember in der Zeit von 18.30 Uhr bis 20 Uhr im Kleingartenverein Westerholz, Casa Portuguesa (Schäferstraße 196, 44147 Dortmund). Es wird um die Themen Zwischennutzungen und weiteres Vorgehen in der „nördlichen Speicherstraße“ gehen.
Darüber wird es eine kurze Rückmeldung zu den beim letzten Dialog am 21. Oktober 2019 besprochenen Ideen geben. Selbstverständlich gibt es auch Zeit für weitere Anregungen und Fragen. Die Teilnahme ist kostenlos.
Hintergrund: Für die nördliche Speicherstraße wird mit Hilfe eines Wettbewerbsverfahrens bis Ende des Jahres ein Rahmenplan erstellt, der Grundlage für die Entwicklung des Standortes sein wird. Um Ideen und Anregungen von Anwohnern und Anliegern berücksichtigen zu können, wurde am 26. Juni 2019 eine Bürgerwerkstatt im Depot durchgeführt und damit ein Diskussionsprozess eingeleitet, der mit der zwanglosen Veranstaltung am 9.Dezember 2019 fortgeführt wird.
Wir freuen uns auf einen erneut informativen Austausch und eine angeregte Diskussion!