SERIE Kunst im öffentlichen Raum: temporäre Kunst als Denkmal

„transitory monument“: Performance zum Gedenken an die Hexenverfolgung in Dortmund

Die Audiowalk-Performance „transitory monument“ ist ein zeitlich begrenztes Gedenken an die Hexenverfolgung in Dortmund.
Die Audiowalk-Performance „transitory monument“ ist ein zeitlich begrenztes Gedenken an die Hexenverfolgung in Dortmund. Gabi Mielich

Müssen Denkmäler materiell und ewig sein? Oder kann Gedenken auch zeitlich begrenzt stattfinden? Die Audiowalk-Performance „transitory monument“ soll ein temporäres Denkmal an die Hexenverfolgung in Dortmund sein. Performerin Nicola Schubert schlüpft in die Rolle einer Frau, der vorgeworfen wird eine Hexe zu sein. Das Publikum begleitet sie dabei vom Hansaplatz zur Reinoldikirche. Die Veranstaltung findet am 29., 30., und 31. August 2024 statt. Eine Kombination von künstlerischer Peformance und Gedenken im öffentlichen Raum.

Die Performance findet an drei Abenden Ende August statt

Die Audiowalk-Performance „transitory momument“ spielt in Dortmund im Jahr 1595 und erzählt die Geschichte von Mümmel Elsken. Dieser wird vorgeworfen eine Hexe und für den Tod eines Knechts verantwortlich zu sein.

Die Performance zeigt die Geschichte von Mümmel Elsken, der vorgeworfen wird, eine Hexe zu sein.
Die Performance zeigt die Geschichte von Mümmel Elsken, der vorgeworfen wird, eine Hexe zu sein. Gabi Mielich

Sie flieht vor den Stadtknechten in einen Kirchhörder Wald. Autorin, Performerin und Regisseurin Nicola Schubert hat die Performance konzipiert und schlüpft selbst in die Rolle der Mümmel Elsken.

Das Publikum bekommt gegen einen Pfand Funkkopfhörer ausgegeben und begleitet die Performerin über den Hansaplatz bis hin zur Reinoldikirche. Die Performance findet am 29., 30., und 31. August 2024 statt. Tickets gibt es online auf rausgegangen.de und vor Ort.

Die Performance ist inspiriert von der lokalen Geschichte der Dortmunder Hexenverfolgung und überlieferten Vorgehensweisen der Festsetzung und Tötung von Frauen während des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Ob es die Figur Mümmel Esken wirklich gab, ist jedoch nicht gesichert. „Es gibt Legenden und Mythen über sie, aber die sind nicht stichhaltig“, so Nicola Schubert.

Denkmäler, Kunstwerke, Brunnen, Fassadengestaltung, Gedenktafeln – die Gestaltung des öffentlichen Raums ist vielfältig. Wer bestimmt eigentlich, was angeschafft wird? Was kostet der Unterhalt? Wer kümmert sich darum? Und ist überhaupt noch Platz für Neues? Nordstadtblogger fragt nach.

Temporäre Kunst als Denkmal: wie funktioniert das?

„Denkmäler werden mit den Jahren für die Menschen oft unsichtbar und gar nicht mehr richtig wahrgenommen“, bedauert Nicola Schubert. „Die temporäre Kunst ermöglicht Empfinden und ein längeres Erinnern an das Thema.“ Schubert hofft, dass sie durch ihre Performance einen emotionalen Anschluss zu den Zuschauer:innen findet. Das Gedenken soll über reine Informationen hinausgehen und dazu führen, dass das Publikum über das Thema der Hexenverfolgung neu ins Gespräch kommt.

Die Performance zum Gedenken an die Hexenverfolgung startet auf dem Hansaplatz.
Die Performance zum Gedenken an die Hexenverfolgung startet auf dem Hansaplatz. Gabi Mielich

Das Publikum begleitet das konkrete Schicksal von Mümmel Elsken. Nicola Schubert möchte somit die Geschichte erlebbar machen. „Es ist eine Art Projektionsfläche und kein klassisches Schauspiel“, erklärt sie. Die Performance soll das Publikum zum zeitlich begrenzten Gedenken, unabhängig von einem materiellen Denkmal einladen.

Doch wo ist hier die Grenze zwischen Kunst und Denkmal? Nicola Schubert findet es wichtig, Orte des Gedenken zu beleben. „Das kann durch künstlerische Mittel passieren, es muss aber nicht künstlerisch sein“, so die Performerin. Nicola Schubert ist der Ansicht, dass es wichtig ist in Interaktion mit Denkmälern zu treten, damit diese nicht einfach zum „Stadtmobiliar“ werden. Die Frage ist dabei: woran wollen wir uns als Gesellschaft erinnern und wie wollen wir uns daran erinnern?

Gescheitertes Projekt „Hexendenkmal“ in Dortmund

Die Performance soll neben der Hexenverfolgung auch an das Engagement des Geschichtswerkstatt Dortmund e.V. erinnern. Der Verein setzte sich über 20 Jahre für ein Denkmal an die Hexenverfolgung in Dortmund ein. Zuletzt war geplant, ein Dutzend Frauenfiguren um einen Baum vor der Reinoldikirche zu errichten. Das Projekt scheiterte jedoch bereits vor über zehn Jahren an der neuen Kirchenleitung.

Der Plan, ein Hexendenkmal vor der Reinoldikirche zu errichten ist gescheitert. Archivfoto: Hannes Czech für Nordstadtblogger.de

„Ich habe mich länger mit dem Thema Hexenverfolgung beschäftigt und wusste, dass ich dazu künstlerisch arbeiten möchte“, erklärt Nicola Schubert. Die Audiowalk-Performance, ist in enger Zusammenarbeit mit der Geschichtswerkstatt entstanden. So sind auch Informationen über die Geschichte der Hexenverfolgung zu hören, die vom Verein aufgearbeitet wurden.

Die Reinoldikirche – der Ort, wo früher das Denkmal für die Hexenverfolgung errichtet werden sollte – ist auch der Schlussort der Performance. An der Kirche angekommen, wird der fiktionale Aspekt der Performance verlassen. „Der Blick liegt dann konkret auf dem Denkmalaspekt und dem Engagement des Geschichtsvereins“, erzählt Nicola Schubert, ohne zu viel verraten zu wollen.

Aktuelle Relevanz des Gedenkens an die Hexenverfolgung

Nicola Schubert sieht in ihrer Performance zum Gedenken an die Hexenverfolgung nicht nur eine historische, sondern auch eine aktuelle Relevanz. So möchte sie unter anderem auf geschlechterbezogene Diskriminierung und Diskurse über ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen aufmerksam machen.

Auch Femizide, also die Tötung von Frauen wegen ihres Geschlechts, sind ein Thema der Performance. „Ein Mahnmal gegen Femizide mit dem Anlass der Hexenverfolgung, wäre innovativ und fortschrittlich gewesen“, so Schubert. Sie findet sowohl materielle Denkmäler, als auch den kreativen und zeitlich begrenzten Umgang mit Denkmälern wichtig. „Das eine kann das andere nicht ersetzen.“ Der Zusammenhang von Hexenverfolgung und Feminismus ist auch Teil der Audiowalk-Performance.

Nicola Schubert führte die Performance im Jahr 2022 bereits vier Mal in Dortmund auf. Da die Performance im öffentlichen Raum stattfindet, können Passant:innen diese beobachten. Damals wurde Nicola Schubert in ihrer Rolle als Mümmel Elsken mehrfach beleidigt. „Das ist eine inhaltliche Anknüpfung daran, dass Frauen manche Sachen im öffentlichen Raum nicht zugestanden werden“, sagt die Performerin bedrückt. Sie sieht das auch als eine Art Störung von Gedenken. „Die Menschen merken das nur nicht, weil sie den Ton zur Performance nicht hören.“

Mehr Informationen:

  • Termine: 29. August 2024 um 20:30 Uhr / 30. August und 31. August 2024 um 19 Uhr
  • Tickets unter rausgegangen.de oder am Abend vor Ort.

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