Antisemitismus ist in der postmigrantischen Gesellschaft ein fortwährendes Problem. Dabei spielen auch die vielfältigen Herkunftsbezüge eine Rolle, denn nicht selten entlädt sich die Diskussion an antisemitischen Einstellungen unter Zugewanderten aus arabischsprachigen Herkunftsländern. Die damit verbundenen Herausforderungen werden jedoch nicht immer differenziert betrachtet und teilweise rassistisch instrumentalisiert.
Kritische Auseinandersetzung mit Narrativen und Haltungen
Die Veranstaltungsreihe „Jüdisch-Arabische Verflechtungen“ wirft einen genauen Blick auf dieses Thema und beleuchtet auch die Geschichte von Jüdinnen und Juden im arabischsprachigen Raum.
Anhand von konkreten Beispielen in den Ländern Syrien und Marokko soll daher einerseits die jüdisch-arabische Verflechtungsgeschichte dargestellt und zum anderen eine kritische Auseinandersetzung mit Narrativen und Haltungen zu Jüdinnen und Juden, der Shoah und Israel in diesen Ländern und entsprechenden Communities in Deutschland ermöglicht werden.
Für einen Transfer in die Praxis werden abschließend Ansätze für eine antisemitismuskritische Bildung in der postmigrantischen Gesellschaft vorgestellt und diskutiert. Die Reihe findet zwischen dem 17. und 31. August 2022 im Großen Saal der Auslandsgesellschaft (Steinstraße 48, 44147 Dortmund) statt.
Es ist eine Kooperationsveranstaltung von „Minor – Projektkontor für Bildung und Forschung“, dem Multikulturellen Forum und der Auslandsgesellschaft. Die Veranstaltungen beginnen jeweils um 18 Uhr – der Eintritt ist frei.
Teil I: „Wie ein Erdbeben“: Jüdisch-syrische Geschichte & die syrische Diaspora
Ansar Jasim im Gespräch mit Tanja Lenuweit am 17. Aug. 2022
In ihrem Input setzt sich Ansar Jasim mit syrischen Narrativen zu Jüdinnen und Juden, Judentum, Holocaust und Israel vor dem Hintergrund von Flucht, Krieg und Revolution auseinander. Grundlage sind über 20 Interviews aus dem Zeitraum zwischen Oktober 2019 und Juni 2020.
Die Recherche zeigt Syrer*innen als politische Subjekte, die eine Bandbreite an politischen Einstellungen im Kontext von Syrien und Deutschland haben, die keiner pauschalen Kategorisierung standhalten. Vielmehr wird durch die Interviews deutlich, wie für Syrer*innen Flucht, Vertreibung und eigene Gewalterfahrungen eine Art Brille darstellen können, durch welche die Welt gesehen und interpretiert werden kann.
In dem Vortrag zeigt Ansar Jasim auf, wie sich Narrative zu Jüdinnen und Juden über die Generationen hinweg verändern und wie sich Syrer*innen im Exil in ihren kulturellen Produktionen mit der Shoah auseinandersetzen. Weitere Infos: multikulti-forum.de/de/veranstaltung/17-08-2022/wie-ein-erdbeben-juedisch-syrische-geschichte-die-syrische-diaspora
Teil II: Jüdische Geschichte in Marokko/Nordafrika
Dr. Abderrahmane Ammar im Gespräch mit Matthias Mertes am 24. August 2022
Das jüdische Leben in Marokko geht über das Jahr 500 v. Chr. hinaus. Das nordafrikanische Land hatte einst die größte jüdische Gemeinde der arabischen Welt.
Heute leben in Marokko nur noch ca. 3000 jüdische Menschen, geblieben ist vor allem die Erinnerung an ein friedliches Zusammenleben – und eine sehr große marokkanische Community in Israel, Nordamerika und Europa.
Was sind die Eigenschaften des jüdischen Lebens in Marokko? Welche Narrative und Diskurse gab/ gibt es über Jüdinnen und Juden in Marokko und unter Marokkaner*innen in Europa bzw. Deutschland? Sind sie nach 1948 freiwillig gegangen oder wurden sie gezwungen? Weitere Infos: multikulti-forum.de/de/veranstaltung/24-08-2022/juedische-geschichte-marokko-nordafrika
Teil III: Antisemitismuskritische Bildungsarbeit in der postmigrantischen Gesellschaft
Diskussion mit Dr. Sina Arnold, Prof. Dr. Omar Kamil und Prof. Dr. Julia Bernstein am 31. August 2022
Die facettenreiche Geschichte jüdisch-arabischer Verflechtungen zu vermitteln, um daraus Szenarien für ein von wechselseitiger Anerkennung geprägtes Miteinander in der postmigrantischen Gesellschaft zu entwerfen, stellt Akteur*innen vor eine relevante Herausforderung.
Über das Bewusstsein einer geteilten, nie jedoch unbeschädigten Vergangenheit von Jüdinnen und Juden und der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft, lassen sich Perspektiven erarbeiten, die historische und gegenwärtige Diskriminierung, Verfolgung und (kollektive) Gewalt gegen Jüdinnen und Juden sowie transgenerationelle Traumatisierungen in eine gemeinsame Erzählung integrieren.
Historische Bildungsarbeit zu jüdisch-arabischen Verflechtungen in der postmigrantischen Gesellschaft kann rassismus- und antisemitismuskritische Bildungsarbeit sein, wenn sie über verschiedene Zugänge antisemitische Deutungsmuster erkennbar macht, reflektiert und aufbricht. Dabei müssen kollektive Zuschreibungen, Pauschalisierungen und simplifizierende Erklärungsschablonen problematisiert werden, auch und gerade vor dem Hintergrund des israelbezogenen Antisemitismus.
Gemeinsam mit den Gästen Dr. Sina Arnold, Prof. Dr. Omar Kamil und Prof. Dr. Julia Bernstein werden Perspektiven, Chancen und Herausforderungen antisemitismuskritischer Bildungsarbeit im Kontext der Vermittlung jüdisch-arabischer Verflechtungsgeschichte diskutiert. Weitere Infos: multikulti-forum.de/de/veranstaltung/31-08-2022/antisemitismuskritische-bildungsarbeit-der-postmigrantischen-gesellschaft
Die Veranstaltungsreihe wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“