Freies Wohnen als Gegenleistung zur Bildungsarbeit – möglich macht es das Projekt „Tausche Bildung für Wohnen e.V.“ in Dortmund-Westerfilde. Bildungspat:innen vermitteln Kindern und Jugendlichen Schul-, Sozial- und Gestaltungskompetenzen und können dafür ein Jahr lang mietfrei ein Zimmer in der zur Verfügung gestellten WG beziehen. Ziel ist es, Bildung für alle Heranwachsenden zugänglich zu machen, um der Chancengleichheit ein Stück näherzukommen.
Unter dem Leitsatz „Bildung umfasst viel mehr als nur Schule“
Das Recht auf Bildung ist ein bestehendes Menschenrecht in Deutschland. Doch trotzdem ist es häufig nicht möglich, es für alle Menschen gleichermaßen zu gewährleisten. „Tausche Bildung für Wohnen e.V.“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, einen Raum zu bieten, in dem Kinder und Jugendliche, unabhängig vom sozioökonomischen Status, kostenfrei Bildung genießen können. Zuständig sind unter anderem drei Bildungspat:innen, die im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes mit den Heranwachsenden zusammenarbeiten.
Unter anderem umfasst die Arbeit die Vermittlung von schulischem Wissen. Darüber hinaus steht auch die Stärkung weiterer Kompetenzen im Vordergrund, wie Sozial- oder Gestaltungskompetenz, erklärt Maike Landmann, eine der drei Standortleiter:innen in Dortmund-Westerfilde.
Die Bildung verläuft aber nicht nur in eine Richtung „Die Bildungspat:innen bekommen von uns eine interne Ausbildung in Seminaren. Und durch das ganze Miteinander lernen wir auch viel von den Kindern. Es ist ein Geben und Nehmen. Also die Bildungspat:innen tauschen ihre Bildung fürs Wohnen ein.“
Neben mietfreien Wohnen erhalten die Bildungspat:innen zudem ein sogenanntes Taschengeld, mit dem sie sich verpflegen können. An weiteren Standorten nehmen auch Studierende am Projekt teil, die neben dem Studium beim Projekt mitwirken und dafür eine kostenlose Unterkunft haben. Zukünftig soll dies auch in Dortmund möglich sein. Ein genauer Starttermin steht bislang nicht fest.
Standort des Vereins ist nicht dem Zufall überlassen worden
Die Standortwahl im Dortmunder Stadtbezirk Westerfilde ist kein Zufall, erklärt Landmann. „Nicht jeder Stadtteil in Dortmund weist die gleichen Bildungschancen auf. Der Stadtteil Westerfilde steht hinter der Nordstadt an zweiter Stelle, was die Benachteiligung angeht. Und dadurch haben die Kinder hier vor Ort nicht die gleichen Bildungschancen wie Kinder, die vielleicht in einem höheren sozialen Status leben.“
Das Städtenetz „Soziale Stadt NRW“ schreibt auf ihrer Website, dass seit dem Jahr 2000 die Wohn- und Lebensqualität in Westerfilde deutlich gesunken ist.
Als Gründe nennen sie unter anderem die ständigen Eigentümerwechsel von Häusern, die mangelhafte Bewirtschaftung der Wohnungsbestände und allgemeine Veränderungen in der Bewohnerschaft. So soll das Projekt „Tausche Bildung für Wohnen e.V.“ genau dort ansetzen, wo Bedarf besteht.
Doch nicht nur Kinder und Jugendliche, die Defizite bei der Bildung aufweisen, dürfen am Projekt teilnehmen, ergänzt Landmann. Für einige stellt das „Tausche Bildung für Wohnen e.V.“ auch eine soziale Gruppe dar, und sie nehmen primär den „Freizeitfreitag“ in Anspruch.
Jeden Freitag findet ein Programm statt, bei dem der Fokus auf Freizeitaktivitäten liegt und weniger der schulische Aspekt im Vordergrund steht.
Luisas Weg nach dem Abitur zum Bundesfreiwilligendienst
Unter den drei Bildungspatinnen in Westerfilde ist auch Luisa. Die 18-Jährige hat in diesem Jahr das Abitur gemacht und wollte ein Jahr lang fern von der beruflichen Ausbildung Erfahrung sammeln. Aufmerksam wurde sie auf das Projekt in Dortmund über das Internet. Die Darstellung hat sie direkt angesprochen und zur Bewerbung motiviert. Die Umstellung von der Schule auf das Arbeitsleben war zu Beginn für die Bildungspatin anstrengend. Ebenso war die Distanz zu ihrer Heimatstadt Stuttgart gewöhnungsbedürftig, doch hat sie sich nun eingearbeitet, und der Spaß überwiegt in ihrem Alltag in Westerfilde:
„Ich mag es, mit den Kindern zu arbeiten, weil sie einfach so offen sind und die ganze Zeit Fragen stellen, so neugierig sind. Das macht richtig Spaß. Und es ist auch oft sehr lustig, weil sie alles ganz anders wahrnehmen. Mir gefällt es besonders, kreativ mit den Kindern zu arbeiten, beispielsweise am ‚Freizeitfreitag‘ oder beim Ferienprogramm.“
Auch das Zusammenleben mit den anderen Bildungspatinnen gestaltet sich bisher positiv. Die Wohnung befindet sich dabei nicht direkt am Standort des Vereins, sondern ist etwa 20 Minuten Gehweg entfernt. „Wir verstehen uns tatsächlich richtig super. Wir kochen jeden Abend oder gucken Serien zusammen. Wir machen auch privat viel gemeinsam.“
Projekt möchte individuelle Förderung der Kinder gewährleisten
Besonderen Stellenwert hat der individuelle Blick auf die Bedürfnisse der Kinder, um eine bestmögliche Förderung zu gewährleisten, erklärt Landmann. Unter anderem helfen dabei regelmäßige Teamsitzungen aller Standorte des Tauschprojektes, in denen Best-Practice-Beispiele vorgeführt werden. Zuletzt wurde die Idee der „Kinder-Karteikarten“ dabei vorgestellt.
Ein Infoblatt hält nach diesem Ansatz jegliche Eckdaten des Kindes fest, etwa Stärken und Schwächen, sowohl im schulischen als auch im sozialen Bereich.
„Da schreiben wir einfach, was für ein Kind das ist, oder auch, was bei den Kindern gut funktioniert. Beispielsweise lernt ein Kind am besten, wenn es in Bewegung ist. Oder wir erfassen Informationen zum Konzentrationslevel. Da ist jedes Kind einfach unterschiedlich“, erklärt Landmann.
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