Streit um verkaufsoffene Sonntage – Land NRW will anlasslose Öffnungen an fünf Wochenenden – Kritik von OVG und ver.di

Weihnachtsshopping oder Umtauschstress - in der City ist es rund um Weihnachten extrem voll.
Weihnachtsshopping oder Umtauschstress – an verkaufsoffenen Sonntagen ist die City in Dortmund voll.

Erneut gibt es Streit um verkaufsoffene Sonntage: Die neue Coronaschutz-Verordnung des Landes NRW erlaubt an den vier Adventssonntagen sowie am 3. Januar anlasslose Sonntagsöffnungen. Das Land will den Geschäftsleuten unter die Arme greifen, hat damit aber nicht nur Kirchen und Gewerkschaften gegen sich aufgebracht. Auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat bereits vorab erhebliche Zweifel angemeldet. Die Stadt Dortmund geht daher weiterhin „nur“ von zwei verkaufsoffenen Sonntagen aus – zum Hansemarkt am 8. November und zum Weihnachtsmarkt am 6. Dezember.

Dortmund soll zwei verkaufsoffene Sonntage bekommen, wenn alles stattfinden kann

Der Dortmunder Hansemarkt war in den Vorjahren immer ein Magnet für Besucher*innen.

Verkaufsoffene Sonntage dürfen bisher nur stattfinden, wenn sie mit einer großen Veranstaltung verknüpft sind – beispielsweise Brauchtumsveranstaltungen. Daher hat der Rat unter anderem im Frühjahr „Grünes Licht“ für die Sonntagsöffnung zu Hanse- und Weihnachtsmarkt gegeben.  ___STEADY_PAYWALL___

Derzeit stehen die Zeichen gut, dass beide Veranstaltungen auch in Zeiten von Corona stattfinden. Die Vorbereitungen für den Weihnachtsmarkt laufen auf Hochtouren – die neue Schutzverordnung macht diese auch prinzipiell möglich, wenn entsprechende Hygiene-, Schutz- und Abstandskonzepte eingehalten werden (wir berichteten bereits). 

Auch der Hansemarkt könnte vom 4. bis 8. November stattfinden – wenn auch in veränderter Form. So wird es keine Bühne geben. Auch über die Aufstellung von Karussells  – ob und wie – wird noch beraten. Die Details will Schausteller Patrick Arens, der den Hansemarkt für die City-Marketing-Gesellschaft organisiert, in Kürze vorstellen. Er geht davon aus, dass die beiden Sonntagsöffnungen wie in den Vorjahren stattfinden können – vorbehaltlich der Entwicklungen bei den Corona-Infektionen. 

Ver.di: „Gerade in der Frage des Infektionsschutzes überzeugt uns die Verordnung nicht.“

Die neue Coronaschutz-Verordnung des Landes geht nun aber deutlich weiter: Der zwingend vorgeschriebene Anlass wie eine Brauchtumsveranstaltung ist dafür nicht mehr nötig. Jedes Geschäft kann selbst entscheiden, ob und an welchen (oder auch an allen) der fünf Sonntage es öffnen will. Die Stadt ist dabei nicht im Boot – bei einer Entscheidung darüber ist die Kommune außen vor. 

Der Rat entscheidet über die verkaufsoffenen Sonntage. Kirchen und Gewerkschaften wollen sie verhindern.
Über die verkaufsoffenen Sonntage wird erneut gestritten – das Land steht in der Kritik. Archivfotos (3): Alex Völkel

Dagegen regt sich massiver Widerstand: „Wir halten es für verantwortungslos, bei steigenden Infektionszahlen fünf Sonntage in der Weihnachtszeit, beziehungsweise unmittelbar danach freizugeben. Dies geschieht in dem Bewusstsein, dass dann die Besucherströme nicht entzerrt, sondern auf die Wochenenden fokussiert werden“, kritisiert ver.di-Landesbezirksleiterin Gabriele Schmidt.

„Da die aktuelle Verordnung nur bis zum 31. Oktober gilt, fordern wir die Landesregierung auf, bei der nächsten Überarbeitung im November die Möglichkeit der Sonntagsöffnungen wieder zurückzunehmen“, so Schmidt.

„Gerade in der Frage des Infektionsschutzes überzeugt uns die Verordnung nicht. Mit ihr wird das eigentliche Ziel, die Menschen vor Infektionen zu schützen, konterkariert. Darüber hinaus führen Sonntagsöffnungen nicht zu mehr Umsätzen, die Umsätze werden nur von den Wochentagen auf das Wochenende verschoben“, macht die Fachbereichsleiterin für den Handel in NRW, Silke Zimmer deutlich.

„Die Öffnung an mehreren Sonntagen hintereinander in der Weihnachtszeit widerspricht aus unserer Sicht im besonderen Maße dem Gebot der Sonntagsruhe. Hier wird der verfassungsmäßig vorgegebene Wochenrhythmus über einen langen Zeitraum außer Kraft gesetzt. Im stressigen Weihnachtsgeschäft sind freie Sonntage ein besonders schützenswertes Gut. Das derzeitige Ladenöffnungsgesetz bietet aus unserer Sicht bereits ausreichend Raum, damit alle Kundinnen und Kunden ihre Weihnachtseinkäufe tätigen können“, so Zimmer.

OVG Münster äußert erhebli­che Zweifel an der Gültigkeit der neuen Verordnung

Rückendeckung bekommen die Kritiker*innen dabei vom OVG Münster: In einem konkreten Urteil hatten die Richter zwar über Ladenöff­nungsfreigaben in Gütersloh zu befinden (und diese außer Vollzug gesetzt). Dabei hat der 4. Senat allerdings schon erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der ergangenen Neuregelung in der nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung zu Sonntags­öffnungen in der Weihnachtszeit geäußert.

Auch das OVG meldet erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Neureglung zu den verkaufsoffenen Sonntagen an.

Die Coronaschutz-Verordnung in der Fassung vom 30. September 2020 sieht vor, dass zur Vermeidung von Infektionsgefahren durch einen unregulierbaren Kunden­andrang an den Wochenenden vor und nach Weihnachten Verkaufsstellen des Ein­zelhandels ausnahmsweise zur Entzerrung des Einkaufsgeschehens am 29. November 2020, 6., 13. und 20. Dezember 2020 sowie am 3. Januar 2021 ihre Geschäfte auch sonntags im Zeitraum zwischen 13 und 18 Uhr öffnen dür­fen.

Der 4. Senat äußerte erhebli­che Zweifel an der Gültigkeit dieser Bestimmung. Er verwies darauf, dass die Rege­lung bereits mit Ablauf des 31. Oktober 2020 außer Kraft trete und für den Fall einer Ver­längerung ihres Geltungszeitraums in offenem Normwiderspruch stehe zur Rege­lung von Ladenöffnungszeiten im nordrhein-westfälischen Ladenöffnungsgesetz. 

Der Se­nat berief sich zudem auf die begrenzte Reichweite der infektionsschutzrechtli­chen Ermächtigungsgrundlage und die unmissverständliche Rechtsprechung des Bundes­verfassungsgerichts zu einer alle Adventssonntage erfassenden Freigabere­gelung.

Daher geht auch die Stadt Dortmund davon aus, dass diese Landesregelung nochmals gekippt wird. Dortmunds OB Ullrich Sierau würde dies begrüßen. Denn die neue Verordnung entspreche der „ideologischen Welt mit möglichst vielen verkaufsoffenen Sonntagen“, die die CDU-FDP-Landesregierung auch schon vor Corona gezeigt habe. Zwar könne er verstehen, dass die Landesregierung dem Handel etwas Gutes tun wolle, doch habe man bei der Entscheidung die Güterabwägung vergessen – die Belange der Beschäftigten und Familien würden dabei nicht berücksichtigt.

 

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    Am heutigen Donnerstag (5. November) hat die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) eine Normenkontrollklage gegen die in der aktuellen Coronaschutzverordnung des Landes NRW genehmigten verkaufsoffenen Sonntage vor dem Oberverwaltungsgericht NRW in Münster eingereicht. ver.di reagiert mit dieser Klage darauf, dass die Landesregierung trotz der Appelle der Gewerkschaft auch in der neuesten Coronaschutzverordnung vom 30. Oktober an fünf verkaufsoffenen Sonntagen innerhalb von sechs Wochen an den Adventssonntagen und am 3. Januar 2021 festhält. ver.di hatte in den vergangenen Monaten bereits in zahlreichen Fällen erfolgreich gegen geplante verkaufsoffene Sonntage geklagt, nachdem diese ohne die verfassungsmäßig vorgeschriebenen prägenden Anlassveranstaltungen (wie z. B. Volksfeste oder Jahrmärkte etc.) durchgeführt werden sollten.

    Laut ver.di Landesbezirksleiterin, Gabriele Schmidt, sei diese Klage notwendig geworden, da die Landesregierung auf die Appelle der Gewerkschaft nicht reagiert hätte: „Sonntagsöffnungen führen nicht zu einer Entzerrung von Kundenströmen, sondern zu einer Konzentration auf das Wochenende. Das ist bei steigenden Infektionszahlen völlig verantwortungslos. Andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens mussten bereits schließen, da ist es nicht nachvollziehbar, dass der innerstädtische Einzelhandel sogar noch an einem weiteren Tag öffnen soll.“ Das Oberverwaltungsgericht hatte bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Coronaschutzverordnung am 1. Oktober erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit verkaufsoffener Sonntage ohne Anlassbezug über die Coronaschutzverordnung angemeldet.

    Für die Fachbereichsleiterin Handel in NRW, Silke Zimmer, muss dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten und der Kundinnen und Kunden in der Pandemie höchste Priorität eingeräumt werden: „Die Beschäftigten im Einzelhandel sind dem Infektionsrisiko an sechs Tagen in der Woche ausgesetzt. Für sie gibt es kein Home-Office, sondern sie halten den Laden vor Ort am Laufen. Dafür sollte ihnen die Landesregierung Wertschätzung und Dank entgegenbringen und sie nicht durch verkaufsoffene Sonntage weiter belasten. Bereits im Frühjahr, während der ersten Welle der Pandemie, hatte die Landesregierung einigen Teilbranchen des Einzelhandels ermöglicht, an Sonntagen zu öffnen. Damals waren es die Unternehmen, die nahezu durchgängig erklärt haben, dass sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen werden. Trotzdem war die Versorgung der Bevölkerung jederzeit sichergestellt.“ Leider habe diese Erkenntnis nicht zu einem Umdenken bei der Landesregierung geführt. Insbesondere in der Adventszeit seien der Stress und die Belastung für die Beschäftigten im Handel besonders hoch, so Zimmer. „Die Kolleginnen und Kollegen über mehrere Wochen durcharbeiten zu lassen, ist völlig inakzeptabel. Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie umgehend reagiert und die Genehmigung für verkaufsoffene Sonntage aus der Coronaschutzverordnung herausnimmt.“

  2. Sonntagsöffnung: Ohrfeige für die Landesregierung (PM Anja Butschkau MdL, Frauenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion)

    Sonntagsöffnung: Ohrfeige für die Landesregierung

    Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der NRWSPD begrüßt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Münster zur Sonntagsöffnung im nordrhein-westfälischen Einzelhandel. „Das Urteil zeigt erneut, dass die Interessen der Arbeit-nehmer*innen für die Landesregierung um Ministerpräsident Armin Laschet, Ar-beitsminister Karl-Josef Laumann und Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart nur eine untergeordnete Rolle spielen“, sagt AfA-Landesvorsitzende Anja Butschkau.

    Bei ihren Plänen für einen verkaufsoffenen Sonntag wurde das Gesundheits-schutzinteresse der Beschäftigten im Einzelhandel nicht genügend abgewogen. Angesichts fehlender Freizeitmöglichkeiten während des Lockdowns muss man davon ausgehen, dass es nicht zu einer Entzerrung der Kundenströme auf mehrere Tage kommt, sondern viele Menschen an den Sonntagen in die Innenstädte strö-men. Das erhöht nicht nur das Infektionsrisiko der Kund*innen, sondern vor allem das der Kolleg*innen.

    „Wer so leichtfertig mit der Gesundheit der Kolleg*innen spielt, hat eine solche Ohr-feige, wie sie die Landesregierung nun vor dem Oberverwaltungsgericht bekommen hat, mehr als verdient“ so Butschkau weiter.

    „Die AfA findet, dass die Kolleg*innen im Einzelhandel einen Tag in der Woche verdient haben, an dem sie sich erholen können und Zeit für ihre Familie haben.“

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