Von Susanne Schulte
Dirk Husemann sucht nach der Geschichte in der Geschichte. Hat er sie gefunden, fällt ihm dazu eine neue ein, die er in einem Roman erzählt. Und er findet viele Geschichten. In der Zeit der Wikinger, die Eis von den italienischen Vulkanen holten, um es gewinnbringend zu verkaufen; im 15. Jahrhundert, als niedergeschriebene Texte noch rar sind und ein begehrtes Diebesgut; in Paris vor 170 Jahren, als ein Mann ein Vermögen mit Fortsetzungsromanen in Zeitungen verdient – und im Urlaub, wenn er in der Toskana erfährt, dass Claudia Cardinale einst für einen Film in Volterra vor der Kamera stand.
Dumas verdiente ein Vermögen mit Fortsetzungsromanen
Aus drei seiner Bücher las Dirk Husemann jetzt in der Mengeder Buchhandlung am Amtshaus vor, und berichtete darüber hinaus noch einiges mehr über seine Recherchen und die Zeit, in der die Romane angesiedelt sind.
Buchhändler Michael Nau hatte zu dieser Veranstaltung eingeladen und knapp 50 Gäste wollten hören, wie der Autor auf „Die Romanfabrik von Paris“ kam, was ihm zur „Trattoria Mortale“ einfiel und wie das neue Buch „Der Riss“ entstand.
Husemann, Archäologe und Wissenschaftsjournalist, plauderte dann unterhaltsam über die Zeit, in der Alexandre Dumas seine Romanfabrik in einem Schloss aufbaute, wo er Lohnschreiber beschäftigte, die seine Ideen ausformulierten und am Fließband ein Kapitel nach dem anderen für die Fortsetzungsromane in den Pariser Zeitungen schrieben.
„Bücher waren zu der Zeit für viele Menschen zu teuer. Was man las, das waren Zeitungen“, berichtete er. Mit dem Abdruck der Geschichten stieg die Auflage. Dumas, bekannt für „Die drei Musketiere“ und „Der Graf von Monte Christo“, verdiente Geld mit seinen Geschichten und erfand das so genannte Zeilenschinden, wusste Husemann zu berichten.
So hätten seine Zeilen manchmal nur aus einem Wort bestanden, wie bei Dialogen. „Dumas war der König des Fortsetzungsromans und hat sich ein Vermögen erschrieben.“ Und von diesem Vermögen kaufte er sich das erwähnte Schloss in der Nähe von Paris, das man heute noch besichtigen kann. „Als ich das las, war klar, über den musst du selbst einen Roman schreiben.“ Das war eine gute Idee. Der Roman über die Romanfabrik gewann 2020 bei der WDR-Aktion die Abstimmung zum „Buch des Jahres“.
Die Ideen für die Urlaubskrimis entstehen dort, wo Sergio Panda ermittelt
In Mengede ging’s dann aus der Mitte des 19. Jahrhunderts in die Gegenwart. „Der Riss“ ist ein Krimi, der in der Antarktis angesiedelt ist, „dem letzten weißen Fleck auf der Landkarte“. Und wieder erfuhr das Publikum mehr von der Welt.
Unter den vier bis viereinhalb Kilometer dicken Eisschichten der Antarktis liegt, im Gegensatz zur Arktis, Land. Und dort hat man vor gut fünf Jahren weitere 91 bis dahin unbekannte Vulkane entdeckt.
„Sollte das Eis durch die Erderwärmung schmelzen, was könnte dann passieren?“, fragte sich Husemann und fragte dann die Wissenschaftler:innen. Eine Antwort gibt es nicht. Möglicherweise könnten die Vulkane ausbrechen. „Ein guter Stoff für eine Geschichte.“ Und viel, viel Arbeit. „Das war wohl die aufwendigste Recherche bislang.“
Literarische Reise in die Toskana – in drei Bänden nach Volterra
Nach der Pause ging es gedanklich in die Toskana, nach Volterra. Dort spielen die Krimis mit dem Obertitel „Trattoria Mortale“, von denen der dritte im kommenden Juli erscheint. Grundlage ist auch hier stets die Wirklichkeit.
Der erwähnte Filmdreh von Claudia Cardinale und das jährliche Festbankett, gekocht von den Häftlingen des örtlichen Gefängnisses sind in den ersten beiden Bänden verarbeitet, über den Inhalt des dritten Bandes schweigt der Autor noch – und die Autorin auch.
Denn hier sind zwei am Werk. Als Duo lassen Jutta Wieloch und Dirk Husemann in den Gassen und Weinbergen von Volterra den Polizisten Sergio Panda ermitteln.
Die drei Bücher, aus denen Dirk Husemann vorlas, hatte Buchhändler Michael Nau sich gewünscht. Nicht nur, weil sie Beispiel für drei unterschiedliche Genres geben, sondern auch, weil Dirk Husemann nur die historischen Romane unter seinem Namen schreibt. Warum das so ist, wollten auch die Zuhörer:innen wissen, die ihre Fragen auf Bierdeckel schreiben konnten.
„Mit dem Namen“, so der Autor, „ist immer ein bestimmtes Genre verbunden. Um die Leser:innen, und auch die Buchhändler:innen nicht zu verwirren, wird ein Pseudonym ausgesucht.“ Das mache man gemeinsam mit den Verlagen. So schreibt die „Trattoria Mortale“-Reihe Luca Fontanella, und Thilo Winter ging aufs Eis in der Antarktis.