Stilles Gedenken und mahnende Worte zum 15. Jahrestag der Ermordung von Mehmet Kubaşık durch den NSU

15. Jahrestag der Ermordung von Mehmet Kubasik. Circa 150 Menschen gedenken der Ermordung von Mehmet Kubasik durch den NSU am Mahmal für die Toten des NSU an der Steinwache. Foto: Klaus Hartmann
15. Jahrestag der Ermordung von Mehmet Kubasik. Circa 150 Menschen gedenken der Ermordung von Mehmet Kubasik durch den NSU am Mahnmal für die Toten des NSU an der Steinwache. Foto: Klaus Hartmann

Vielfaches und vielfältiges Gedenken an Mehmet Kubaşık trotz Corona-Pandemie an Ostersonntag (4. April 2021): An verschiedenen Orten und Zeiten fanden stilles Gedenken, aber auch deutliche Worte Zeit und Raum. Rund 150 Menschen nahmen an der Kundgebung „Tag der Solidarität – kein Schlussstrich“ am NSU-Mahnmal neben der Auslandsgesellschaft teil. Auch Stadt, Parteien und Gruppen gedachten des Mordes an dem beliebten Kioskbesitzer durch den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) vor mittlerweile 15 Jahren in der Nordstadt.

Kritik an mangelnder Aufklärung der Morde, weiterer Tatbeteiligter und der Rolle des Verfassungsschutzes

Witwe Elif Kubaşık (im Hintergrund Tochter Gamze) legt eine Rose am NSU-Mahnmal nieder. Foto: Klaus Hartmann

Der 15. Jahrestag ist sowohl für die Angehörigen von Mehmet Kubaşık als auch für viele Menschen in Dortmund ein besonderer und aufwühlender Tag, bei dem die Familie nicht alleine gelassen wird. Zahlreiche Dortmunder*innen, Wegbegleiter*innen, Organisationen und Verbände halten seit Jahren die Mahnung und das Gedenken an Mehmet Kubaşık wach. 

Dazu gehört auch die kritische Begleitung der bisherigen Aufarbeitung der NSU-Morde. An der Kundgebung „Tag der Solidarität – kein Schlussstrich“ nahmen unter anderem auch die Witwe und die Tochter des Ermordeten, Elif und Gamze Kubaşık teil. Dort sprach u.a. Bezirksbürgermeisterin Hannah Rosenbaum ein Grußwort. 

Und auch Vertreter*innen verschiedener Organisationen thematisierten die noch immer mangelnde Aufklärung der Morde und deren Hintergründe, aber auch die Beteiligung weiterer Personen sowie die Rolle des Verfassungsschutzes. 

Auf die sonst übliche Demonstration wurde aus Gründen des Infektionsschutzes verzichtet.

Stilles Gedenken mit Oberbürgermeister Thomas Westphal und Familie Kubaşık

Die Familienangehörigen waren bereits am Vormittag am ehemaligen Tatort – dem Kiosk in der Mallinckrodtstraße – mit Oberbürgermeister Thomas Westphal zusammengekommen. Dort hatte die Bezirksvertretung schon vor Jahren einen Gedenkstein setzen lassen.

Stilles Gedenken: Witwe Elif Kubaşık, Oberbürgermeister Thomas Westphal, Tochter Gamze Kubaşık (v.l.n.r.). Foto: Torsten Tullius
Stilles Gedenken am ehemaligen Tatort: Witwe Elif Kubaşık, Oberbürgermeister Thomas Westphal, Tochter Gamze Kubaşık (v.l.). Foto: Torsten Tullius

Die Stadt Dortmund hat jedes Jahr gemeinsam mit Familie Kubaşık ein stilles Gedenken an der Mallinckrodtstraße abgehalten. Diese stille Form des Gedenkens wurde auch in diesem Jahr und unter Einhaltung der Corona-Regeln durchgeführt. 

Es freut uns, dass das stille Gedenken, das unser Oberbürgermeister a.D. Ullrich Sierau die letzten Jahre gemeinsam mit uns gepflegt hat, auch von unserem jetzigen Oberbürgermeister Thomas Westphal fortgesetzt wird“, sagten Elif und Gamze Kubaşık „Bei beiden möchten wir uns dafür bedanken. Wir als Familie werden – neben der Erinnerung – immer auch mahnen und uns für Aufklärung und gegen Rechts einsetzen. Es ist gut und wichtig, dass wir dabei die Stadt an unserer Seite wissen.“

„Der Rechtsextremismus ist keine abstrakte Bedrohung in diesem Land. Wir denken an die Opfer rechten Terrors, an ihre Familien, die Hinterbliebenen und deren Leid. Auch heute sind wir bei den Menschen, die diesen Verlust gespürt haben und mit ihm umgehen müssen“, sagte OB Thomas Westphal. „Wir werden zudem wachsam sein und weiter als Dortmunder und Dortmunderinnen gegen rechtsextremistische Tendenzen angehen und die Erinnerung an Mehmet Kubaşık wachhalten. Auch das zeichnet den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserer Stadt aus.“ 

Gedenken auch von Integrationsrat und dem Rat der Muslime am Tatort

Ahmad Aweimer, Sprecher des Rates der Dortmunder Muslime und Imam, sprach ein Totengebet für alle NSU-Opfer
Iman Ahmad Aweimer, Sprecher des Rates der Dortmunder Muslime, sprach ein Totengebet für alle NSU-Opfer.

Im Gedenken an alle Opfer des Rechtsextremismus legten Ahmad Aweimer als Vertreter des Rates der Muslime (RMGD), Sener Cebeci, Konsul der Türkei aus Essen, Volkan Baran (SPD-MdL), Bezirksvertreter Amir Aletic, der Vorsitzende des Integrationsrates der Stadt Dortmund, Mazrouk Chargui und Ratsmitglied Emre Güleç (BVT) Blumen nieder.  

Imam Ahmad Aweimer, Sprecher des Rates der Dortmunder Muslime und Imam, sprach ein Totengebet für alle NSU-Opfer: „Gott lernt uns im Islam zu vergeben, aber nicht zu vergessen. Wir bitten Gott, dass solch ein Verbrechen niemandem und nirgendwo wieder passiert“, fügte er hinzu.

„Wir gedenken heute Mehmet Kubaşık und allen Opfern der NSU-Morde aus Fremdenhass. Wir müssen das Schweigen durchbrechen. Das rassistische und antisemitische Grundbrodeln in der Gesellschaft ist stärker geworden – auch mithilfe der AfD“, sagte SPD-Bezirksvertreter Amir Aletic. 

Deutliche Forderung nach Aufarbeitung und der Öffnung der NSU-Akten

Der Rat der Muslime und der Integrationsrat gedachte ihm Beisein von Konsul aus Essen Sener Cebeci und SPD-MdL Volkan Baran den Opfern.
Der Rat der Muslime und der Integrationsrat gedachten seiner im Beisein von Konsul Sener Cebeci und SPD-MdL Volkan Baran allen NSU-Opfern.

„Der Rechtsstaat hat die Angehörigen der Opfer im Stich gelassen. Dass nun die Akten für 120 Jahre verschlossen bleiben, schafft nicht gerade Vertrauen – im Gegenteil: Es öffnet die Tür für Verschwörungstheorien“, ergänzte Marzouk Chargui als Vertreter der Migrant*innen in Dortmund. 

„Im Namen des Integrationsrates der Stadt Dortmund wünsche ich der Familie Kubaşık viel Kraft. Gerade an diesen Tagen, in dem die Erinnerung den Schmerz größer werden lässt, stehen wir gemeinsam Seite an Seite“, sagte Chargui mit Blick auf Gamze und Elif Kubaşık, die dem Gedenken beiwohnten.

„Wir treten ein für eine Welt ohne Fremdenfeindlichkeit und für eine interkulturelle Vielfalt. Das Motto für uns ist: Dortmund ist bunt“, betonte BVT-Ratsvertreter Emre Gülec. Er lobte weiter, dass so viele Dortmunder Bürgerinnen und Bürger, auch in Zeiten der Pandemie, am Gedenktag gegen Rassismus teilnähmen, in dem sie zu Hause auf ihre Art innehielten. 

Der NSU hatte jahrelang unerkannt im Untergrund gelebt. Zu der Terrorzelle gehörten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Zwischen den Jahren 2000 und 2007 töteten sie acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer und eine Polizistin. Außerdem verübten sie zwei Sprengstoffanschläge und diverse Raubüberfälle.

Fotostrecke von der Gedenkkundgebung am NSU-Mahnmal (Fotos: Klaus Hartmann)

Unterstütze uns auf Steady

Mehr zum Thema bei nordstadtblogger.de:

Diskussion um rechtsextreme Chatgruppen: 15 Verdachtsfälle bei der Polizei in Dortmund – Samstag Demo der Antifa

FOTOSTRECKE: Mehmet-Kubaşık-Platz feierlich benannt – Gedenken an Dortmunder NSU-Opfer in der Nordstadt

Angehörige von NSU-Opfern zu Gast in Dortmund: Lob für die Stadt und scharfe Kritik an den Ermittlungsbehörden

Erstes „Rathaus-Sturm“-Verfahren: Neonazi wegen Körperverletzung und versuchter Nötigung verurteilt

HINTERGRUND: Der Mordfall Walter Lübcke, „Combat 18“, Rechtsterrorismus und die Rolle der Neonazis in Dortmund

NSU: Ein eindrucksvolles Mahnmal gegen Rechtsextremismus

Rechtsterrorismus in Dortmund: Vor 15 Jahren erschoss der Neonazi Michael Berger drei Polizeibeamte

Erstes „Rathaus-Sturm“-Verfahren: Neonazi wegen Körperverletzung und versuchter Nötigung verurteilt

NSU: Ein eindrucksvolles Mahnmal gegen Rechtsextremismus

Diskussion um rechtsextreme Chatgruppen: 15 Verdachtsfälle bei der Polizei in Dortmund – Samstag Demo der Antifa

Reaktionen

  1. Kontinuitäten des Rassismus – Betroffene berichten (PM Kein Schlussstrich)

    Montag, 28. März 2022, 19:00 Uhr, online
    Kontinuitäten des Rassismus – Betroffene berichten
    Mit: Gamze Kubasik, Aynur Satir und Ibrahim Arslan

    Duisburg, Mölln, Dortmund – drei Orte, drei unterschiedliche Jahrzehnte und immer ein Motiv: Rassismus – mit weitreichenden Folgen, das Menschen das Leben nahm. In Duisburg kamen am 26. August 1984 sieben Menschen bei einem Brandanschlag ums Leben. Bei den Brandanschlägen von Mölln am 23. November 1992 kamen drei Menschen ums Leben und am 4. April 2006 wurde Mehmet Kubasik vom rechtsterroristischen NSU ermordet.

    Gamze Kubasik, Aynur Satir und Ibrahim Arslan berichten u.a. über ihre Erfahrungen, ihre Erinnerungs- und Gedenkarbeit und warum das Engagement gegen Rassismus ihnen und für die ganze Gesellschaft wichtig ist. Sie alle teilen die gleichen Erfahrungen: Nach den Taten und Morden wurden sie wie Beschuldigte bzw. Täter*innen behandelt und ihre Perspektiven wurden nicht ernst genommen.

    Nach wie vor ist Rassismus und rechter Terror in Deutschland gefährliche Realität. Die Sorgen und Ängste der Menschen, die davon betroffen sind, müssen ernst genommen werden. Dazu soll diese Veranstaltung beitragen.

    Referent*innen:
    Gamze Kubasik ist die Tochter von Mehmet Kubasik. Aynur Satir ist Opfer und Überlebende des Anschlages in Duisburg. Ibrahim Arslan ist Opfer und Überlebender des Anschlages von Mölln. In Erinnerung an: Yeliz Arslan, Ayse Yilmaz, Bahide Arslan, Döndü Satir, Zeliha Turhan, Rasim Turhan, Tarik Turhan, Çigdem Satir, Ümit Satir, Songül Satir, Mehmet Kubasik

    Anmeldung: buendnis_tagdersolidaritaet@keinschlussstrich-do.de
    Die Veranstaltung ist kostenfrei und findet über Zoom statt. Der Einladungslink wird am 28. März vormittags per Mail zugeschickt.

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert