Die Oberbürgermeister von Dortmund und Bielefeld, Ullrich Sierau und Pit Clausen, haben heute in Bielefeld ihre Positionen in der aktuellen Flüchtlingsdebatte gegenüber Land und Bund verdeutlicht. Die westfälischen Partner stellen sich jeweils aktuell mit großen Kraftanstrengungen der enormen politischen Herausforderung einer angemessenen und menschenwürdigen Unterbringung von Flüchtlingen.
Die Betreiber der Erstaufnahmeeinrichtungen fordern weitere Anlaufstellen im Rheinland
Beide Städte betreiben unter anderem Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE). Und die Leistungsfähigkeit dieses Systems der EAE hat seine Grenzen längst erreicht. Operative Entlastungen sind überfällig – eine Forderung, die die beiden Oberbürgermeister gegenüber dem Land NRW erneuerten. Dortmund und Bielefeld sind bereit, gemeinsam mit dem Land Nordrhein-Westfalen die Herausforderung anzugehen.
Die beiden westfälischen Oberbürgermeister verweisen auf die Kraftanstrengungen auf allen Verwaltungsebenen. Diese seien unbestritten. Sie stellten aber auch fest, dass es endlich zu einer gerechteren Verteilung der Einrichtungen unter den verschiedenen Regionen in NRW kommen muss. „Es ist eine Aufgabe der Landesregierung, dies auf Dauer durchzusetzen“, so Ullrich Sierau und Pit Clausen.
Der gemeinsame Forderungskatalog ans Land:
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Jeder und Jede, der/die nach Deutschland kommt, hat es verdient, dass wir ihm/ihr ein Bett und Versorgung bieten und dann zu klären, ob ein Asylgrund besteht.
- Das Land NRW ist für die Erstaufnahme der Flüchtlinge zuständig, jedenfalls bis zur Zuweisung an eine Kommune. Das Land NRW hat bislang nicht ausreichende Kapazitäten für Erstaufnahmeeinrichtungen aufbauen können. Die bestehenden Erstaufnahmeeinrichtungen sind zu gering bemessen und nicht landesweit verteilt. Im Rheinland etwa findet sich keine Erstaufnahmeeinrichtung. Hier ist Nachsteuerungsbedarf gegeben.
- Der Bund muss – auch durch ausreichendes Personal – dafür sorgen, dass die Asylfragen schnell geklärt werden, so dass in kürzerer Zeit geklärt wird, wer in Deutschland bleiben kann und wer nicht.
- In Bielefeld werden täglich 1200 bis 1600 Menschen in Landeseinrichtungen zur Erstaufnahme untergebracht, davon 300 bis 700 in Notunterkünften, 15 in Hotels. Daneben leben rd. 1.200 zugewiesene Asylbewerber hier und rund 2800 Flüchtlinge mit einer Duldung oder Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen.
- Der Aufnahmestopp in Dortmund ist der dortigen Überlastung geschuldet. Die Stadt Bielefeld wird alles daran setzen, eine solche Maßnahme zu vermeiden.
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Dortmund hat sich zu einem Fluchtort für UMF (Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) entwickelt. Während in 2014 366 UMF in Obhut genommen werden mussten, waren es in diesem Jahr alleine bereits 389 Jugendliche. Ingesamt waren damit 539 UMF in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht. Rechnet man die aktuellen Steigerungsraten hoch, werden in Dortmund bis zum Jahresende rund 1400 Jugendliche versorgt werden müssen, schildert OB Sierau.
- Gleichzeitig steigt in Dortmund der Anteil der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) erheblich, was auch Auswirkungen auf die Belegung der Dortmunder EAE hat.
- Der leider wiederkehrende Aufnahmestopp in Dortmund ist der wiederkehrenden Überlastung bestehend aus Überbelegung, höhere Transfernotwenigkeiten als 700 Transfers und ggf. fehlenden Platzkapazitäten geschuldet. Ziel muss es sein, so die Stadt Dortmund, eine Vorstufe zur Verteilung einzurichten, also einen zentralen Transitbereich in NRW zu schaffen, so dass alle Einrichtungen ausschließlich geplante und organisierte Zuführungen von Flüchtlingen erhalten.
- In Dortmund besteht eine Betriebserlaubnis für die Erstaufnahme mit 350 Plätzen. Hier ist seit Mitte Juni 2015 eine massive kontinuierliche Überbelegung zu verzeichnen gewesen. Hinzu kommen Tageszugänge von zuletzt 1000 -1300 Menschen. Transfers bis zu 700 Menschen täglich in andere Einrichtungen können auf dem räumlich sehr begrenzten Gelände der EAE in Dortmund-Hacheney erfolgen, wenn ausreichende Platzkapazitäten von der BezReg Arnsberg zur Verfügung gestellt werden.
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In Dortmund leben rund 4000 kommunal zugewiesene Flüchtlinge. Seit Juli werden im Schnitt weitere 125 Flüchtlingen pro Woche zugewiesen – mit steigender Tendenz.
- Hier ist eine erweiterte Anrechnung der UMF auf die kommunalen Zuweisungen in einem Verhältnis von 1:4 erforderlich, unterstützt durch finanzielle Unterstützung des Landes.
- Das Land muss ein für die EAE verlässliches Transfermanagement aufbauen, damit die Mitarbeiter nicht jeweils erst im Tagesverlauf bzw. am Abend wissen, ob und wie viele Transferplätze wo vorhanden sind und damit, wie viele Menschen in der EAE bleiben und wie viele freie Plätze für Neuankömmlinge zur Verfügung stehen.
- Für die Unterbringung und Versorgung müssen die erforderlichen personellen, räumlichen und finanziellen Ressourcen bereitgestellt werden. Die angekündigte dauerhafte Kostenbeteiligung von Bund und Land muss endlich erbracht werden. Hier muss der Flüchtlingsgipfel vom 24. September Klarheit bringen.
- Daher der dringende Appell an Bund und Land: unterstützt die Kommunen stärker bei der Flüchtlingsunterbringung und -versorgung.
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Nadja Lüders, Gerda Kieninger, Armin Jahl und Guntram Schneider
Dortmunder SPD-Landtagsabgeordnete Nadja Lüders, Gerda Kieninger, Armin Jahl und Guntram Schneider:
Land entlastet die Kommunen weiter bei der Unterbringung, Betreuung und Versorgung von Flüchtlingen
Die Prognosen, wie viele Flüchtlinge in diesem Jahr insgesamt nach NRW kommen, erhöhen sich beinahe im Wochentakt. Es werden mindestens 170.000 Asylsuchende sein. Angekommen sind bislang 106.000 Flüchtlinge. Die Städte und Gemeinden leisten trotz der unerwartet hohen Zuwächse hervorragende Arbeit. Auch die Landesregierung unterstützt und entlastet die Städte und Gemeinden bei der Unterbringung, Versorgung und Betreuung der hier ankommenden Menschen.
Künftig soll sich der Stichtag für die pauschale Zahlung nach dem sogenannten Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) ändern. Bislang wird die pauschale Zuweisung an die Kommunen auf Basis der Bestandszahlen der Flüchtlinge zum 01.01. des Vorjahres berechnet. Künftig werden die Bestandszahlen zum 01.01. des jeweils aktuellen Haushaltsjahres herangezogen. Damit wird der aktuellen dynamischen Entwicklung der Zugangszahlen Rechnung getragen.
Schon für das laufende Haushaltsjahr 2015 können die nordrhein-westfälischen Kommunen mit einem zusätzlichen Pauschalbetrag von rund 217 Millionen Euro rechnen.
„Das Land erweist sich auch mit den neuerlichen Anpassungen als verlässlicher Partner. Dortmund wird durch die neue Stichtagsregelung aus dem Landeshaushalt um eine weitere Zuweisung von 6,6 Millionen Euro entlastet“, erklärt SPD-Landtagsabgeordnete Nadja Lüders.
„Für 2016 wird die veränderte Stichtagsregelung nach den derzeitigen Prognosen der Flüchtlingszuströme einen zusätzlichen Pauschalbetrag nach dem FlüAG an die Kommunen von insgesamt mehr als 800 Millionen Euro bedeuten. Das Geld wird den Haushalt der Stadt Dortmund entlasten“, führt der SPD-Landtagsabgeordnete Guntram Schneider weiter aus.
„Es ist eine nationale Aufgabe, die Herausforderungen zur Bewältigung der Flüchtlingsströme zu meistern. Das Land hat vorgelegt. Nun ist auch der Bund gefordert, die von Kanzlerin Merkel angekündigte Flexibilität an den Tag zu legen“, fordert der SPD-Landtagsabgeordnete Armin Jahl.
„Wir danken all denen, die in Dortmund helfen: hauptamtlich und vor allem auch ehrenamtlich. Das sind unglaublich viele engagierte Menschen“, lobt die SPD-Landtagsabgeordnete Gerda Kieninger.