Rund 40 in der Flüchtlingshilfe ehrenamtlich und hauptamtlich Tätige sind jetzt im Gemeindehaus der Evangelischen St. Mariengemeinde in der Innenstadt zusammengekommen, um sich gemeinsam mit Personal- und Organisationsdezernent Christian Uhr und Mitarbeitenden der Ausländerbehörde auszutauschen. Thema: „Neue Aufgaben – weniger Mitarbeiter – unzufriedene Kunden – Lösungsansätze“.
Eingeladen zu der Veranstaltung hatten der Flüchtlingsrat der Ehrenamtlichen, das Diakonische Werk, die Caritas, die AWO, der Paritätische, das DRK und der Integrationsrat.
Kritik an Nichterreichbarkeit der Ausländerbehörde und langen Bearbeitungszeiten
Paul-Gerhard Stamm, Sprecher der Ehrenamtlichen, moderierte den Abend und führte in das Thema ein: „Wir alle, die wir Geflüchtete und Zugewanderte begleiten, sind frustriert. Und nicht nur wir, sondern auch die Kund*innen.“
Dabei geht es vor allem um Nichterreichbarkeit der Ausländerbehörde und die langen Bearbeitungszeiten von drängenden Angelegenheiten. „Wir möchten eine gute und funktionierende Ausländerbehörde“, unterstrich Stamm, dem wichtig ist, dabei „niemanden auf die Anklagebank zu setzen“.
Er räumte ein, dass die Zahl der Mitbürger*innen ohne deutschen Pass in den vergangenen zehn Jahren von 80.000 auf 130.000 gewachsen sei und zweifelte an, „ob die entsprechende Mitarbeiter*innenzahl in der Ausländerbehörde gleichzeitig gestiegen ist.“
Das Thema Zuwanderung wird vielfältiger
Melanie Schmickler, Leiterin der Abteilung für Ausländer- und Staatsangehörigkeitsanliegen (Ausländerbehörde), ordnete die aktuelle Situation für die Teilnehmenden ein. Sie machte deutlich, dass – neben der gestiegenen Zuwanderung von Asylsuchenden und Geflüchteten aus der Ukraine – die Aufgaben seit 2020 vielfältiger werden: So gestalte sich nicht nur Studium und der Arbeitsmarkt internationaler, auch nehme die Zuwanderung aus Staaten innerhalb der EU in den vergangenen Jahren weiter zu. „Das wirkt sich auf unsere Arbeit und die Gesetzgebung aus“, so Schmickler.
Beispielhaft nannte sie – „und das ist nach 12 Jahren Ausländerbehörde auch für mich persönlich ein Höhepunkt“ – die drei jüngsten Gesetzesvorhaben von 2023: Chancenaufenthaltsrecht, die Neuregelung der Fachkräfteeinwanderung und die Neuregelung im Staatsangehörigkeitsrecht. Neue Gesetze, so Schmickler, machten die Arbeit der Behörde aber nicht einfacher, sondern im Gegenteil entstünden meist mehr Prüfaufwände, was Bearbeitungszeiten deutlich verlängere.
Die Auswirkungen der seit 2020 gestiegenen Heterogenität von Zuwanderung auf die Arbeit und Organisation der Ausländerbehörde verdeutlichte Schmickler am Beispiel der Einbürgerung: Lag die durchschnittliche Dauer von Einbürgerungsverfahren vor drei Jahren bei 18 Monaten, hat sie sich bis heute auf 36 Monate verdoppelt.
„Damit“, so Schmickler, „greifen wir aufgrund unserer eingeschränkten Handlungsfähigkeit aktuell massiv in die Lebensführung und -planung von Menschen ein.“ Denn für viele ist die Einbürgerung erst die Voraussetzung, um beispielsweise bestimmte Berufe ausüben oder auch langfristige Kredite aufnehmen zu können.
„Das macht auch was mit den Mitarbeitenden“
Die gestiegenen Anforderungen, unbesetzte oder zu wenige Planstellen gepaart mit der Unmöglichkeit, Fälle zu priorisieren – da jedes einzelne Schicksal genauso dringlich behandelt werden muss, wie alle anderen – „das macht auch was mit den Mitarbeitenden, die maximal flexibel sein müssen,“ mahnte Schmickler, denn jeder Tag sei immer neu und immer anders. Das tägliche Ziel der Mitarbeitenden und ihrer Führungskräfte sei es, handlungsfähig zu bleiben. „Das ist aber dann nur noch eingeschränkt gestaltend für die Themen, die uns bewegen“, resümierte Schmickler.
Personal- und Organisationsdezernent Christian Uhr informierte über die Personalplanung der Stadt Dortmund, die im Stellenplan 2023 für Einbürgerungen und Staatsangehörigkeitsangelegenheiten fünf zusätzliche Stellen vorsieht. „Ich bin dankbar für die Möglichkeit, in dieser Veranstaltung mit den ehren- und hauptamtlichen Tätigen in der Flüchtlingshilfe in den Austausch und die Diskussion zu kommen. Nur wenn wir miteinander im Gespräch sind, können wir gemeinsam die Probleme bei diesem wichtigen Thema anpacken“, so der Personaldezernent.
Uhr informierte über die Maßnahmen der städtischen Personalverwaltung im Umgang mit Personalgewinnung für die Ausländerbehörde. So sollen etwa kurzfristig zehn Projektstellen eingerichtet und extern besetzt werden, die auf zwei Jahre befristet sind. „Damit entsteht ein Springerpool für einfache Aufgaben, das zur Entlastung beiträgt“, so Uhr. Außerdem wird eine 115-prozentige Personalbesetzung als besondere Fluktuationsreserve angestrebt.
„Als Arbeitgeberin befindet sich die Stadt Dortmund nicht nur im Wettstreit um die besten Köpfe und Fachkräfte mit privaten Unternehmen, sondern auch innerhalb des öffentlichen Dienstes konkurrieren die Städte und Gemeinden miteinander“, skizzierte Uhr die veränderten Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt. Die Stadt Dortmund will für das Ausbildungsjahr 2024 394 engagierte Nachwuchskräfte für über 40 unterschiedliche Ausbildungs- und Studiengänge gewinnen. „Denn eines ist klar, ohne gute Auszubildende sind die Aufgaben nicht zu schaffen. Gemeinsam soll eine lebenswerte Stadt fit für die Herausforderungen der Zukunft gemacht werden“, so Uhr.
Der Dialog zwischen Flüchtlingshilfe und Verwaltung soll fortgesetzt werden
Einen intensiven Austausch hatten die ehrenamtlich Tätigen mit den Mitarbeitenden der Ausländerbehörde an drei Themeninseln. Hier tauschten sie sich aus zur Neuregelung des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes, zum Chancenaufenthaltsrecht und zum Einbürgerungsgesetz in seiner aktuellen und geplanten Fassung.
Melanie Schmickler zog – auch stellvertretend für die anwesenden Mitarbeitenden der Ausländerbehörde – eine positive Bilanz des Abends: „Im persönlichen Gespräch konnten wir uns miteinander und über die Themen, die uns bewegen, viel lebendiger und intensiver besprechen als über Email oder in der Hektik des Alltags“.
Auch Stamm blickte positiv auf die Veranstaltung: „Neu und sehr hilfreich war es, dass wir an Themeninseln in einen direkten Austausch mit den Mitarbeitenden der Ausländerbehörde treten konnten. So konnten wir ein gutes und fachliches Gespräch führen – nachfragen und verstehen.“
Im Nachgang werden die Organisator*innen der Veranstaltung und die Leiterin der Ausländerbehörde Melanie Schmickler ausloten, in welcher Form der begonnene Dialog fortgesetzt werden kann.