Entledigt sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seine Aufgaben zu Lasten der Kommunen? Ja, findet zumindest Dortmunds Ordnungsdezernentin Diane Jägers (CDU).
„Es gab grüne Wochen“ – jetzt müssen die Entscheidungen überprüft werden
„Das BAMF arbeitet unter einer sehr hohen Arbeitsbelastung. Daher fragen sie sich, wie sie schnell Pluspunkte sammeln können“, glaubt die CDU-Politikerin. Daher wurden zuletzt vor allem die Anträge syrischer Flüchtlinge bearbeitet.
„Es gab grüne Wochen“, betont Jägers, in denen die Verfahren ohne ausführliche Prüfung positiv beschieden worden seien, um möglichst viele Fälle vom Tisch zu bekommen. „Nach einschlägigen Fällen stehen nun die Überprüfungen an“, sagt sie mit Blick auf fragwürdige Entscheidungen wie im Fall des terrorverdächtigen Bundeswehrsoldaten Franco A., der sich als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte.
Außerdem hat sich das BAMF die vermeintlich sicheren Herkunftsländer vorgenommen und hier für schnelle Ablehnungen gesorgt – also in Fällen, wo ein „offensichtlich unbegründet“ schnell zu erreichen ist. Die Betroffenen haben dann nur eine Woche Zeit, gegen die Entscheidung Widerspruch einzulegen – nach zwei Wochen sind diese Fälle ansonsten rechtskräftig und die Betroffenen „wirksam ausreisepflichtig“.
Durchleitungseffekt zu Lasten der Kommunen – keine Refinanzierung in NRW
Das Problem – zumindest in NRW: „Ich habe einen Durchleitungseffekt in die Kommunen“, kritisiert Jägers. Ebenso, dass die Bundesbehörde ohne Rücksprache mit Ländern und Kommunen handele.
Die Folge: Solche abgelehnten AsylbewerberInnen werden dennoch den Kommunen zugewiesen, aber nur noch drei Monate nach Ablehnung des Asylantrages vom Land refinanziert. Danach bleiben die Kommunen auf den Kosten sitzen. Dortmund hatte wenige Tage vor der Landtagswahl auf das Problem aufmerksam gemacht, welches millionenschwere Löcher in die Haushaltsplanungen der Kommunen reißt.
Über diese und andere Themen sprach die Dortmunder Stadtspitze am Dienstag auch mit VertreterInnen der Bezirksregierung. „Wir müssen schauen, wenn die Landesregierung im Amt ist, dass wir belastbare Planungsdaten bekommen“, sagte OB Ullrich Sierau nach dem Gespräch.
„Das Thema brennt vielen Städten und Gemeinden unter den Nägeln: „Viele Kommunen kommen in die Haushaltsschieflage – aber daran kann auch die neue Landesregierung kein Interesse haben“, gibt sich Sierau zuversichtlich.
„Sie werden bewiesen wollen, dass sie an den Seiten der Kommunen stehen und aus der Zeit 2005 bis 2010 gelernt haben“, verweist er auf die erste Amtszeit von Schwarz-Gelb in NRW, als hunderte Kommunen in die Haushaltssicherung waren.
Sierau: „Von der Integrationspauschale wurde kein müder Euro weitergeleitet“
Die Kommunen erwarten eine Neuregelung durch das Land NRW, so dass die Zuschüsse des Bundes zumindest teilweise in den Städten und Gemeinden ankommen. „Von der Integrationspauschale wurde in NRW kein müder Euro an die Kommunen weitergeleitet“, ärgert sich Sierau.
Das BAMF verschärfe nun noch die Situation: „Ich kann man verstehen, wenn das BAMF den Aktenstau beseitigen will“, so Jägers. Doch die schwierigeren Fälle wie Asylanträge aus dem Iran oder dem Irak lasse die Bundesbehörde liegen, weil dies zu lange aufhalte und schnellen Erledigungen im Wege stehen.
Die Kommunen hätten daher nur die Möglichkeit, zur Kostenentlastung auf schnelle Rückführungen oder Abschiebungen der abgelehnten AsylbewerberInnen zu setzen. Doch auch hier habe das Land für einen Bearbeitungsstau geführt, weil es die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) in Dortmund mehr oder weniger vom Netz genommen habe, ohne dass in Unna arbeitsfähige Strukturen übernehmen könnten.
Die ZAB Dortmund war bisher eine von insgesamt drei Zentralen Ausländerbehörden des Landes. Ihre Aufgabe war u.a die Beschaffung von Passersatzpapieren für alle ausreisepflichtigen AusländerInnen sowie die Organisation und Durchführung von Ausreisen und Rückführungen in bestimmte Herkunftsstaaten.
Stadt Dortmund hofft auf schnellere Rückführungen zur Kostenentlastung
„Wir hoffen, dass in Unna bald eine arbeitsfähige ZAB entsteht. Dann werden wir sehen, wie das Land das Thema annimmt“, so Sierau. Die Kommune will vor allem aus finanziellen Gründen am Ball bleiben: „Wir haben ja noch Reste von der ZAB. Wird aber immer grenzwertiger. Wir müssen sehen, was sich landesseitig tut.“
Im Klartext: Dortmund konnte bisher selbst über die ZAB Ausreisen und Abschiebungen forcieren. Nun ist sie auf das Wohl und Wehe anderer Einheiten angewiesen – künftig u.a. auf Unna. „Sie werden sicher unsere Fälle nicht als erstes bearbeiten, weil es bei ihnen ja auch haushaltswirksam wird“, glaubt Sierau.
Der Dortmunder OB überlegt daher, eine eigene Einheit aufzustellen, die Aufgaben wie früher bei der ZAB übernehmen könne. Doch genauer will er sich noch nicht in die Karten gucken lassen: „Ob es besser wird, warten wir ab.“
Mehr zum Thema auf nordstadtblogger.de:
Reader Comments
MIK NRW
NRW bei freiwilligen Ausreisen und Abschiebungen bundesweit vorn
Von Januar bis April 2017 wurden in NRW 4.567 Anträge auf eine geförderte freiwillige Ausreise bewilligt. Damit entfallen 41 Prozent der bundesweit 8.468 Bewilligungen auf NRW. Das größte Flächenbundesland liegt im Ländervergleich auf dem ersten Platz. „Die freiwillige Ausreise ist der menschlichste, schnellste und günstigste Weg der Rückkehr“, erklärte Innenminister Ralf Jäger.
In den ersten drei Monaten des Jahres 2017 wurden zudem 2.099 Personen aus NRW abgeschoben. Das sind 24 Prozent aller 8.620 Abschiebungen aus der Bundesrepublik. NRW liegt auch damit im Ländervergleich vorn. Damit erfolgten 34 Prozent aller Rückführungen aus NRW.