Rund 20 Menschen haben sich am Kiosk der Diakonie auf dem Nordmarkt eingefunden. Sie wollen sich auf Nordstadtour begeben. Erstes Ziel: die Bedürfnisanstalt Nordmarkt von 1908. Das öffentliche Toilettenhäuschen ist vielleicht ein ungewöhnlicher Startpunkt für den Stadtrundgang, aber es ist ja auch eine eher ungewöhnliche Sightseeing-Tour.
Welche Anforderungen haben wir an den öffentlichen Raum?
Ziel ist es, mit den Teilnehmer:innen „über den öffentlichen Raum nachzudenken“, erklärt Annika Stremmer vom Planerladen-Team, die den Rundgang organisieren. Wer nutzt den öffentlichen Raum? Wer hat welche Bedürfnisse und wie lassen sie sich vereinen?
Das Bedürfnis eine Toilette aufzusuchen teilen alte und junge Menschen, reiche und arme. Menschen mit Einkommen können aber unterwegs auch einmal schnell in ein Café gehen oder Geld für den Toilettengang entrichten. Die meisten Menschen hier können das nicht und diese Toilette ist die einzige öffentliche Toilette in der ganzen Nordstadt.
Gastronomen wie das Depot und das Keuninghaus haben sich bereits der Initiative „Nette Toilette“ angeschlossen, die einen kostenlosen Zugang zu Sanitäranlagen bietet.
Aber zwei Anlaufstationen sind zu wenig und wenn diese hier dann auch noch ausfällt, wird es eng. Denn natürlich gibt es hier auch Konflikte, Vandalismus und Drogenkonsum. Das UV-Licht wurde installiert um Junkies abzuhalten. Wer denkt da noch an eine Toilette mit Wickeltisch? Dabei wäre genau das eine große Hilfe für all die Frauen mit Babys, die hier auch unterwegs sind.
Einfach mal Pause machen, ohne Konsumzwang?
Weiter geht’s auf dem Nordmarkt zu einer bunten Parkbank. Sitzen. Pause machen. Auch das ist ein ganz grundsätzliches Bedürfnis und auch das gibt es vielerorts nicht einfach kostenlos, ohne Konsumzwang.
Die bunte Bank auf dem Nordmarkt wurde vom Verein „Train of Hope“ gestaltet und lädt ausdrücklich zum Platz nehmen ein – anders als beispielsweise Parkbänke mit mehreren Armlehnen, die auf den ersten Blick vielleicht bequem aussehen, aber verhindern sollen, dass Menschen darauf schlafen können.
So hatten das einige der Teilnehmer:innen noch nie gesehen. Man kommt ins Gespräch und es folgen Besuche bei Vereinen und Institutionen in der Nordstadt, denen solche Themen geläufiger sind und die schon lange vor Ort arbeiten.
Hilfsangebote für ganz unterschiedliche Zielgruppen
So zum Beispiel bei „Raum vor Ort“ die seit 2014 in der Schleswiger Straße kostenfrei Kurse für Familen und Kinder anbieten.
Im Fokus steht niedrigschwellige Bildungsarbeit, die bei der Integration helfen soll: Deutschkurse, Nähkurse, Beratung. Alle sind willkommen und haben hier eine Anlaufstelle, wenn es um die Entwicklung persönlicher Kompetenzen geht.
Nicht weit entfernt sind die Probleme ganz andere. Im Hinterhof der Nordstraße 50 kümmert sich das Team von Kober bereits seit 1987 ausschließlich um Frauen in prekären Lebenslagen. In erster Linie sind dies Sexarbeiterinnen, aber auch drogenabhängige oder zum Beispiel obdachlose Frauen.
25 Frauen kommen im Durchschnitt täglich hierher um zu duschen, etwas zu essen, zu reden oder einfach nur um ein wenig zu schlafen. „Wir forden nichts,“ erläutern Vanessa Völler und Tinka Petersen das Konzept, „wir bieten in erster Linie einen Schutzraum.“
Wer dann später auch um Beratung und Hilfe bittet, wird natürlich unterstützt. Aktuell sucht das Team Kleidung für die Frauen und freut sich über Spenden.
Nach über zwei Stunden endet die Tour in der Münsterstraße mit einem Besuch bei Train of Hope. 2015 als kleine Initiative gegründet um akut Geflüchteten zu helfen, ist der Verein stetig gewachsen und bietet inzwischen nachhaltige und langfrstige Beratungs- und Hilfsangebote, die vielfach ausgezeichnet wurden. Auch hier läuft fast alles ehrenamtlich und auch hier freut man sich immer über aktive Unterstützung und Spenden.
Einladung zur Begegnung beim Forum „Nord trifft Süd“
Am Ende der Tour sind die Eindrücke vielfältig, die Stimmung positiv und nachdenklich. Wer weiter ins Gespräch kommen will, ist herzlich eingeladen, denn das Team vom Planerladen bietet weitere Stadtteilrundgänge und Veranstaltungen.
Nächster Tipp: „Nord trifft Süd“ in Kooperation mit der Auslandsgesellschaft. Am 9. November ab 18:30 Uhr werden Menschen aus sehr unterschiedlichen Stadtteilen und Tätigkeitsfeldern vorgestellt.
Das Thema ist „Raum für Alle?! – Unsere Orte, unsere Plätze“ und dabei sind: Gemeinschaftsgarten-Schallacker, NaturFreunde Kreuzviertel, die Skateboard Initiative Dortmund, der Parkourverein und das Offene Zentrum. Ort: Großer Saal der Auslandsgesellschaft Steinstraße 48, Anmeldung unter veranstaltungen@auslandsgesellschaft.de
Weitere Informationen:
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