Die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen zum Dortmunder Wahlabend, bei dem Demokraten, Antifaschisten und Neonazis aufeinander trafen, beendet: Gegen einen Neonazi will sie Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und gegen fünf Neonazis wegen vorsätzlicher Körperverletzung (also ohne Waffe) erheben.
Gegen einen weiteren Neonazi hat sie einen Strafbefehl wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung beantragt. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft 17 Strafbefehle u.a. wegen gemeinschaftlicher Nötigung gegen die – aus ihrer Sicht – „Rathausblockierer“ auf den Weg gebracht.
Staatsanwaltschaft sieht die Ursache der Eskalation in den „Rathausblockierern“
Die Staatsanwaltschaft ist nach monatelangen Ermittlungen davon überzeugt, dass die Eskalation von den Demokraten und Antifaschisten begonnen wurde, weil diese die Nazis am Betreten gehindert und ein Vermummter die Neonazis mit Pfefferspray attackiert habe.
Die Neonazis hätten daraufhin versucht, sich einen Weg ins Rathaus zu bahnen – im Eingangsbereich sei es zu „Schubsereien“ gekommen, schildert die Leitende Oberstaatsanwältin Birgit Cirullies die Vorgänge des Abends aus ihrer Sicht.
Daraufhin sei es auch zu dem Pfeffersprayeinsatz von Rechts gekommen.
Monatelange Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft: 32.000 Einzelbilder ausgewertet
Diese Schilderungen basierten „auf mühevoller Kleinarbeit“: Insgesamt mehr als 32.000 Einzelbilder hätten die Ermittler aus den Videos gefertigt und gesichtet.
Allerdings haben die Ermittler offensichtlich auf die Vernehmung von möglichen Augenzeugen verzichtet, die selbst nicht der Nötigung beschuldigt wurden. Diese hätten unbefangen aussagen können, ohne sich selbst zu belasten.
Die Stadt- und Zivilgesellschaft widerspricht seit Monaten vehement den Darstellungen, die im Bericht des Innenministeriums deutlich wurden. Für sie ist es eindeutig ein Auftreten der Neonazis in „SA-Manier“ gewesen – sie reden von einem versuchten und verhinderten „Rathaussturm“.
Entsprechend ebbt die scharfe Kritik an der Dortmunder Justiz nicht ab. Nach dieser Entscheidung wird sich daran wohl nichts ändern.
Verfahren gegen Daniela Schneckenburger wurde eingestellt
Insgesamt gegen 65 Menschen aus dem bürgerlichen oder linken Lager und gegen 23 Rechte war ursprünglich ermittelt worden. Gegen 45 „Rathausblockierer“ gab es keinen hinreichenden Tatverdacht.
„Auch nicht gegen die grüne Landtagsabgeordnete Daniela Schneckenburger“, machte Birgit Cirullies, die Leitende Oberstaatsanwältin, deutlich. Sie war auch der Nötigung verdächtigt worden.
Schneckenburger war am Wahlabend von Dietrich S. mit einem Faustschlag zu Boden gestreckt worden. Dieses Verfahren gegen den Neonazi hatte die Staatsanwaltschaft bereits vor einigen Wochen eingestellt, weil sie von einer Notwehrhandlung des Neonazis überzeugt war, bei der die künftige Schuldezernentin der Stadt Dortmund in die Schusslinie geriet.
Auf der anderen Seite wurde ein angeblicher versuchter Fußtritt eines Migranten gegen einen Neonazi als versuchte Körperverletzung gewertet und deswegen ein Strafbefehl erlassen. Diese Entscheidungen lösten ebenfalls einen Sturm der Entrüstung aus.
Viele Vorwürfe gegen die Neonazis wurden nicht geprüft
Nicht zur Anklage gebracht wurde übrigens auch das gewaltsame Entreißen eines Antinazi-Banners der Grünen. Die Neonazis versuchten es anschließend auf dem Friedensplatz zu verbrennen.
Nur eines von vielen Beispielen der einseitigen Ermittlungen, die Demokraten der Staatsanwaltschaft vorwerfen. Denn sowohl jene Neonazis, die es entrissen haben, als auch die, die anschließend versuchten es zu entzünden und es über den Platz traten, sind klar auf Videos und Fotos zu erkennen.
Strafbefehle gegen 17 Demokraten und Antifaschisten beantragt
13 Strafbefehle wurden wegen gemeinschaftlicher Nötigung, zwei wegen versuchter Körperverletzung und zwei wegen Beleidigung erlassen. Keiner der Vorgänge ist bisher abgeschlossen.
Die Strafbefehle gegen die Demokraten und Antifaschisten – sofern sie von einem Richter unterschrieben und zugeleitet werden – können die Betroffenen entweder akzeptieren oder dagegen Widerspruch einlegen. Dann kommt es zu einer Verhandlung.
Teilweise sind die Strafbefehle nur zur Bewährung ausgesetzt – also die Geldstrafe müsste nur bezahlt werden, wenn es erneut zu einer Tat kommt. Bislang liegt schon ein Widerspruch vor.
Verfahren gegen die Neonazis können noch Monate auf sich warten lassen
Die sechs Verfahren gegen die Neonazis wegen der Körperverletzungsvorwürfe werden vor dem Amtsgericht – einer vor dem Schöffengericht – zur Verhandlung gebracht. Auch der Strafbefehl gegen einen Neonazi wird wohl vor Gericht landen – dessen Verteidiger hat dem Strafbefehl bereits widersprochen.
Allerdings kann es noch Monate dauern, bis diese verhandelt werden. Und dann müssen die ganzen Geschehnisse des Wahlabends „nachgespielt“ werden.
Das Kapitel „Wahlnacht“ wird daher nicht so schnell abgeschlossen sein. Das gebildete Rechtshilfekomitee der beschuldigten Demokraten arbeitet aktuell die Ereignisse der Wahlnacht mit Hochdruck auf. Die Kritik an der Dortmunder Justiz – auch wegen anderer Vorfälle – wird daher weitergehen.
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