Sommerlounge 2019 im U: Arbeitsgemeinschaft Dortmunder Wohnungsunternehmen fühlt Kommunalpolitik auf den Zahn

Sommerlounge im „Moog“ des Dortmunder U: gewichtige Themen in entspannter Atmosphäre.

Der Wohnungsmarkt in Dortmund war schon einmal entspannter. Die Stadt wächst, Menschen mit unterschiedlichem Einkommen brauchen alle ein Dach über dem Kopf, einschließlich jener, die ganz unten auf der sozialen Stufenleiter leben. Es besteht mithin Handlungsbedarf. In einer Zeit, die auch eine des Wahlkampfs sein wird – mit dem Thema „Wohnen“ als unumgänglicher Streitpunkt.

Prekäre Themen in der aktuellen Debatte rund ums Wohnen, Bauen und bezahlbare Mieten

Ein Jahr vor der anstehenden Kommunalwahl hat die Arbeitsgemeinschaft Dortmunder Wohnungsunternehmen (AdW) daher Akteure der Dortmunder Politik geladen.

StrategInnen des Dortmunder Wohnungsmarktes aus Politik und Wirtschaft. Fotos: Thomas Engel

Ziel der Sommerlounge im Dortmunder U war es, deren Standpunkte zu verschiedenen wohnungspolitischen Themen deutlicher werden zu lassen, die in der aktuellen Debatte um bezahlbares Wohnen und Wege aus einem angespannten Wohnungsmarkt, ablesbar an der niedrigen Leerstandsquote, durchaus nicht unumstritten sind.

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Stichworte sind: Deckelung von Mieten wie in Berlin oder gar gleich die Vergesellschaftung größerer Bestände von Wohneigentum, um die Aufwärtsspirale bei der Entwicklung des Mietzinses zu stoppen – eine Idee, die jüngst ebenfalls in der Hauptstadt aufkam, weil dort die Preise fürs Wohnen explodieren. Ein brisantes Thema, das die Gemüter erhitzen kann.

Die einen sehen darin brandgefährliche Ideen aus den verkorksten Zeiten des Staatssozialismus und möchten am liebsten gleich Art. 15 des Grundgesetzes streichen, der „Vergesellschaftung“ erlaubt; für andere wiederum kommt ein Dach über dem Kopf quasi der Status eines Menschenrechts zu. Wobei sich beide Postionen mitnichten ausschließen.

Kommunale Wohnungswirtschaft sucht nach passenden Rahmenbedingungen für Investitionen

Unterhalb dieser Giftschrankschwelle – und nur teils eine Nummer kleiner – finden sich in der wohnungspolitischen Diskussion nicht minder wichtige Schlüsselbegriffe wie „Klimaschutz“ oder „energetisches Modernisieren“. Da ist von der (Nicht-)Darstellbarkeit von Bauprojekten die Rede – vor dem Hintergrund ortsspezifischer Baukosten oder, wie in Dortmund, der Käuferverpflichtung, einen Anteil von 25 Prozent des Vorhabens für öffentlich geförderten Wohnungsbau zu reservieren, wenn die Stadt Grundstücke veräußert.

Gegenwärtige Modernisierung einer Immobilie des Spar- und Bauvereins in der Paulinentraße/ Unionviertel; hier vom Hinterhof aus betrachtet.

Da fordert die Wohnungswirtschaft passende Investitionsbedingungen, da geht es um die Mietstufensystematik in NRW und sog. Kappungsgrenzen, ebenso wie um ein ausgewogenes Mietrecht, das die involvierten Interessengruppen an ihre Perspektive adaptiert wissen wollen. Und schließlich möchten alle, denen an der Entwicklung der Stadt und ihrer Wohnkulisse gelegen ist – „gute Nachbarschaften“, klar. Wie aber können sie bewerkstelligt werden? Wie sehr müssen dafür Quartiere durchmischt sein? Wie der Komplexität solcher Herausforderungen gerecht werden?

Zu guter Letzt – und eigentlicher Anlass der ersten Dortmunder Sommerlounge, mit der ältesten Dortmunder Genossenschaft, dem Spar- und Bauverein eG, als Gastgeber: Im nächsten Jahr stehen die Kommunalwahlen an. Für den AdW Grund genug, bei den wohnungspolitischen SprecherInnen aus der Spektrumsmitte der im Stadtrat vertretenen Parteien nachzufragen: Welche Standpunkte vertreten sie als politische Akteure zu den brennendsten Fragen?

Aktuell: 75.000 Wohnungen in Dortmund – anvisiertes Investitionsvolumen für 2019: 340 Millionen Euro

Sommerlich-entspannte Atmosphäre im „Moog“ des Dortmunder U. Doch ein bisschen mehr als ein lockeres Plauderstündchen sollte es schon werden. Denn die im Dortmunder Arbeitskreis zusammengeschlossenen Wohnungsbauunternehmen hätten gern gewusst, wie das Butterbrot belegt sein wird, das ihnen die Parteien nach den Wahlen zu servieren gedenken. Aufklärungen über deren jeweilige Standpunkte tun Not; im Weiteren gerne auch detaillierter bei Abgleich mit den Erwartungen der Marktakteure, um eine Debatte zu generieren – so das Motiv.

Franz-Bernd Große-Wilde (r.), Vorstand des Spar- und Bauvereins Dortmund und des AdW

Und das der Kommunalpolitik: der AdW hat Gewicht. Die im Arbeitskreis vereinigten Unternehmen stehen für fast jede vierte Wohnung in der Stadt. Das ist bei den insgesamt ca. 320.000 Haushalten in Dortmund – etwa 22.000 davon sind öffentlich gefördert, von denen 15.000 zum AdW gehören – eine ordentliche Bestandsmenge. Über 800 MitarbeiterInnen sind in den beteiligten Wohnungsunternehmen und Genossenschaften beschäftigt. Die durchschnittliche Nettokaltmiete bei den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft beträgt 5,37 Euro.

Allein im laufenden Geschäftsjahr 2019 ist eine Investitionssumme von insgesamt 340 Millionen Euro aus dem AdW heraus geplant: für zeitgemäße Instandhaltung, Modernisierung und Neubautätigkeit von Wohnraum und Gestaltung urbaner Wohnumfelder. 21 Prozent flössen dabei in werterhaltende, 79 Prozent in werterhöhende Maßnahmen wie Modernisierung, erklärt Franz-Bernd Große-Wilde, Vorstand von Spar- und Bau.

OB Ullrich Sierau: „Wohnen ist für uns ein Menschenrecht“ – wie ein Standortfaktor

Anfangs mit von der Partie bei Sommerlounge, mit einem Grußwort: OB Ullrich Sierau. Er zitiert einen Satz des amtierenden Bundespräsidenten auf dem just vergangenen Städtetag: „Wir müssen verhindern, dass unsere Städte zum sozialen Kampfplatz um das Wohnen werden. Wohnen ist eine Existenzfrage für den Zusammenhalt der Gesellschaft.“ Damit hätte er allerdings recht, kommentiert Sierau.

Moderator Tobias Häusler (l.) mit OB Ullrich Sierau

Dann kommt sein Punkt: „Wohnen ist für uns ein Menschenrecht“; daneben sei es Standortfaktor. Letzterer Grund: Unternehmen entschieden über Ansiedlungen in der Region auch danach, wo ihre MitarbeiterInnen gut und günstig wohnen könnten. – Also: es geht um erschwingliche Mieten. – Aber: es muss sich für die Investoren dann eben auch rechnen. Was kann die Politik tun? Anreize schaffen. Sierau begrüßt daher ausdrücklich, dass in Dortmund seit dem 1. Juli die Mietenstufe IV (gegenüber zuvor III) gilt.

Das hat Konsequenzen: potentielle Investoren freuen sich, MieterInnen – wenn sie es sich nicht mehr leisten können – eher weniger. Denn die vom Land über das lokale Mietniveau aufgestellten Mietstufen bestimmen über einen gewissen Zeitraum (von zumeist 15 bis 25 Jahren während der Beleg- bzw. Sozialbindung) die einforderbare Maximal- oder Bewilligungsmiete – neben den spezifischen Kreditkonditionen für geförderten Wohnungsbau und der Höhe eines eventuellen Wohngeldzuschusses.

Dortmund erreicht Mietstufe IV: Wohnen wird im unteren Segment teurer, Kredite für Unternehmen billiger

Eine Mietenstufe IV würde nach Berechnungen des Mietervereins Dortmund in der Kommune gegenüber 2017 eine Erhöhung dieser Bewilligungsmieten um 18 % von 5,25 auf 6,20 Euro je Quadratmeter bedeuten. Aber nicht nur geförderte Neubauwohnungen sind von den durch die Aufstufung bewirkten Mietpreissteigerungen betroffen. Weil das Land NRW energetische Sanierungen und den Abbau von Barrieren fördert, gilt im Gegenzug eine Mietobergrenze, die nicht überschritten werden darf.

Sie haben daher gleichermaßen Auswirkungen auf die Mieten bei Förderung des existierenden Wohnbestands. Die Mietpreisbegrenzung ergibt sich aus der Bewilligungsmiete der jeweiligen Mietenstufe zuzüglich (im Regelfall) des einfachen Wertes der berechneten Energieersparnis. Konsequenz: statt wie bisher beispielsweise 5,25 + 0,70 = 5,95 Euro pro Quadratmeter – läge die Mietpreisobergrenze, mit Dortmund in der Mietenstufe IV, in diesem Segment dann bei 6,90 Euro.

Mit anderen Worten: die Mietpreisbegrenzung durch Sozialbindung könnte quasi „verpuffen“, indem Preise des freien Marktes durch Aufstufung auf IV erreicht oder übertroffen werden. – Macht für eine vierköpfige Familie auf 80 Quadratmetern monatlich 72 Euro, abzüglich der Erhöhung beim Wohngeld, sofern Anspruch besteht. Den aber haben in Dortmund auf dem Papier 50 Prozent aller Haushalte. Reichtum sieht anders aus.

Deutlicher Anstieg des Tilgungsnachlasses durch Aufstufung auf nächsthöheres Mietniveau

Wohnen bei Spar- und Bau in der Albrechtstr./ Unionviertel: hier liegt kein Quadratmeterpreis über sechs Euro.

Attraktiver wird die Angelegenheit für die Wohnungsunternehmen durch die Anhebung der Mietenstufe noch aus einem anderen Grund: der Tilgungsnachlass von 15 Prozent für Kredite bei der NRW-Bank in Stufe III erhöht sich in IV auf satte 25 Prozent. Die Kreditnehmer müssen also 10 Prozent weniger zurückzahlen.

Bereits im letzten Jahr hatte Franz-Bernd Große-Wilde, ebenfalls Vorstand des AdW, in einem Interview mit Nordstadtblogger im Zusammenhang mit der alten Mietstufe III erklärt: irgendwann sei das unter diesen Voraussetzungen finanziell nicht mehr darstellbar. Auch Ullrich Sierau ist erleichtert: denn zuvor sei die Stadt über die Mietstufensystematik (etwa im Vergleich zu Essen) diskriminiert worden.

Jetzt also ein deutlicher Anreiz für den geförderten Wohnungsbau in Dortmund. In einer Stadt, in der es – mit Blick auf die Zahl jener, die theoretisch einen Wohnberechtigungsschein erhalten könnten – überall an entsprechend billigem Wohnraum fehlt (160.000 Haushalte gegenüber faktisch 22.000 öffentlich bezuschussten Wohnungen).

Pacta non sunt servanda? – BGH: zeitlose Verpflichtungen für Bauvergünstigungen unrechtmäßig

Und auch die sind in Gefahr; erst recht nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes im Februar diesen Jahres, wonach Sozialwohnungen nicht ewig Sozialwohnungen bleiben müssen. Das heißt: Investoren dürfen für Sonderkonditionen, die sie für ein Bauvorhaben erhalten, nicht bis in alle Ewigkeiten auf Mietobergrenzen verpflichtet werden. Allerdings: sie wurden ja nicht zwangsverpflichtet, sondern haben freiwillig einen entsprechenden Vertrag unterzeichnet.

Mit anderen Worten: Gleichwohl die Bauwirtschaft den Bedingungen zustimmte, darf sie es sich – böse ausgedrückt – zu einem späteren Zeitpunkt, nach Einstreichung der dafür vorgesehenen Vergünstigungen, quasi noch einmal anders überlegen. – Doch es gibt nicht nur gute Nachrichten für die Akteure am Wohnungsmarkt; seit einiger Zeit machen handfeste Verunsicherungen die Runde, die eingangs bereits angedeutet wurden.

Davon spricht Alexander Rychter, Direktor des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen (VdW). Mit Blick auf die in Berlin geführten Debatten stellt er freundlich fest, dass die darin erhobenen Forderungen durchaus irritierten. Gemeint ist unter anderem der Gedanke einer Vergesellschaftung größerer Wohnbestände. Dass dieser Reflexionshorizont mit ausgewiesenem Verfassungsrang in der Wohnungswirtschaft auf wenig Gegenliebe stößt, dürfte nicht weiter überraschen. Wer möchte schon gerne enteignet werden.

VdW: versus willkürliche Vergesellschaftung und undifferenzierte Mietendeckel

Woran die Akteure der Wohnungsbauwirtschaft dagegen natürlich ein Interesse haben: möglichst viele Investitionshindernisse aus dem Weg zu räumen, um mit Erfolg gewinnorientiert wirtschaften zu können. Explizites Deckeln von Mieten – wie jetzt vom Berliner Senat für eine Geltungsdauer von fünf Jahren im „Berliner Mietengesetz“ beschlossen – gerät ausdrücklich in die Kritik. Dadurch soll bewirkt werden, dass Mieten erst einmal nicht weiter steigen; andernfalls drohen wegen Ordnungswidrigkeit Geldbußen von bis zu 500.000 Euro.

Alexander Rychter, Direktor des VdW (l.)

Bei den Kollektivierungsvorschlägen aus der Hauptstadt sieht Alexander Rychter im Grunde Willkür am Werk. Bei mehr als 3.000 Wohnungen stünde man danach auf der Liste: „Bei 3.001 ist man dran, bei 2.999 nicht.“ Ähnliches gälte für den Mietendeckel oder eine Kappungsgrenze. Das könne dort sinnvoll sein, wo tatsächlich etwas für bezahlbaren Wohnraum getan werden müsste und würde.

Kernpunkt der Kritik: solche Instrumente treffen ohne weitere Differenzierung gleichermaßen alle Wohnungsbauunternehmen und Genossenschaften (ab einer bestimmten Größe). Also auch solche, denen es gerade daran gelegen sei, bezahlbaren Wohnraum mit Niveau zur Verfügung zu stellen, bemängelt Rychter, dessen Verband der ehemals gemeinnützigen Wohnungswirtschaft immerhin 1,2 Millionen Wohneinheiten in ganz NRW repräsentiert.

Land NRW erkennt: in Großstädten des Ruhrgebiets gibt es ein Problem auf dem Wohnungsmarkt

Und Berlin ist nicht Nordrhein-Westfalen. Hier gab es ein politisches Gerangel um die sog. Kappungsgrenze bei Bestandsmietverhältnissen. Die beträgt üblicherweise 20 Prozent. D.h.: um diesen Satz kann innerhalb von drei Jahren der Mietzins bis zum Erreichen der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden.

Wohnungsbauprojekt Lindemannstrasse_VISU_II
Wohnungsbauprojekt, Lindemannstraße im Kreuzviertel, Entwurf. Dort befindet sich gegenwärtig eine der größten Baustellen in der Stadt.

Dessen Reduktion (jeweils per Verordnung durch die Landesregierung) auf 15 Prozent, um, wo nötig, bezahlbaren Wohnraum zu sichern, sollte in NRW eigentlich abgeschafft werden – so sah es zumindest der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag vor.

Doch die Anspannungen auf dem Wohnungsmarkt vor allem im Ruhrgebiet, sie scheinen sich bis nach Düsseldorf rumgesprochen zu haben. Die neue „Kappungsgrenzenverordnung“ wurde zumindest um 13 Monate verlängert, um die Lage neu zu evaluieren. Bedeutsam für Dortmund: die Stadt kam wie Bochum, Essen und Mülheim/Ruhr neu auf die Liste. Dadurch könnten in diesen Ballungsräumen Mietzinserhöhungen befristet entschleunigt werden.

Es war immerhin die Entscheidung einer Landesregierung, die nicht unbedingt im Verdacht steht, wirtschaftsfeindlich zu agieren, im Gegenteil. Das sollte zu denken geben. Klar wird dadurch, dass die schlichte Devise: „Bauen, bauen, und nochmals bauen!“ – und dafür möglichst viele Investitionshemmnisse beiseite räumen – eine hoffnungslos unterkomplexe Zweck-Mittel-Relation anvisiert. Sofern Steinmeier recht hatte: dass Wohnen nicht zum destabilisierenden Kampf werden darf.

Forderung für Dortmund: anders als in Berlin nicht gegeneinander, sondern miteinander politisch agieren

Denn eine eindimensional-marktliberale Politik ist vor allem eins nicht – Politik: aushandelnde Gestaltung. Sondern sie verabschiedet und reduziert sich bekennend auf Destruktion: jener vorsorgenden Einschränkung des freien Kräftespiels mit seiner kalten Rechnung, worin zu viele Menschen in ihrer Bedürftigkeit untergehen, Gerechtigkeitsgefühle mit Missachtung gestraft werden.

Gesellschaftliche Spannungen werden dadurch nicht kleiner, Spaltungen vertiefen sich. Mag die Freiheit von BürgerInnen auch noch so groß sein, mit diesen Entwicklungen zu leben, sich zu arrangieren. Letztlich geht sie darin genauso unter wie in übermäßigen staatlichen Eingriffen.

Nicht gegeneinander, sondern miteinander müsse in Dortmund agiert werden, sagt Alexander Rychter in dezidierter Abgrenzung zu den Berliner Verhältnissen – so wie sein Verband sie gegenwärtig wahrnimmt. Ein Drahtseilakt, da der Florian bekanntlich nicht inmitten eines abgeschotteten gallischen Dorfes steht, sondern durchaus umliegenden Stürmen ausgesetzt ist.

Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es für konzertierte Strategien auf kommunaler Ebene?

Wie können unter diesen Voraussetzungen die Vorstellungen und Kompetenzen kommunaler Politik, Verwaltung und Wohnungswirtschaft zugunsten der Stadt und seiner BürgerInnen – aller BürgerInnen – handelnd ineinandergreifen?

Moderator Tobias Häusler, ansonsten situiert beim WDR, versammelt einige in der Kommune relevante Akteure zum illustren Polittalk.

Das sind jene eingeladenen Dortmunder PolitikerInnen, die zu wohnungspolitischen Themen etwas zu sagen haben und – was viel wichtiger ist – es als VertreterIn ihrer Partei auch äußern dürfen. Denn, siehe anstehende Kommunalwahl: die Wohnungswirtschaft möchte langsam Butter bei die Fische und zugleich ihre Sichtweisen schildern. Verständigungs- und ggf. auch Dissenspunkte suchen, sofern es nicht zu radikal wird.

Die Linke/Piraten waren jedenfalls nicht sichtbar. Dafür mit dabei: Haluk Serhat, Generalbevollmächtigter von Vivawest, und Klaus Graniki, Geschäftsführer Dogewo21, dem ausgelagerten städtischen Wohnungs(bau)unternehmen in Dortmund.

Klimaschutz und Wohnen: wie kann beides sinnvoll zusammengebracht werden?

Los geht’s mit einem Thema, das gegenwärtig vor allem junge Menschen so beeindruckend auf die Straße wie in den gesellschaftlichen Diskurs bringen und in der Sommerlounge zum Problemkomplex „Klima/Wohnen“ konkretisiert werden kann. Da dürften Spannungen vermutet werden, meint Tobias Häusler. Und fragt naheliegenderweise bei Bündnis90/Die Grünen nach.

Ingrid Reuter (m.), Bündnis90/Die Grünen

Das müsse sich mitnichten ausschließen, lautet die wenig überraschende Antwort von Ingrid Reuter, Ko-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat. Und skizziert in wenigen Worten die Konzeption ihrer Partei: Reduktion des Flächenverbrauchs durch Nachverdichtung; es sollte vielleicht auch Mal mehr in die Höhe gehen. Stärkung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus, bezahlbare Mieten, Nachhaltigkeit qua ökologischer Ausrichtung eingeschlossen.

Bei der SPD sucht der Moderator die Schwachstelle in unerfüllten Planungszielen: gut 1.600 neue Wohnungen seien es ja statt der anvisierten 2.000 im letzten Jahr nur geworden. – Da müssten schon die Investoren gefragt werden, so Carla Neumann-Lieven, weshalb sie nicht gekommen seien. Das Ratsmitglied und die Aufsichtsratsvorsitzende der Dogewo21 begrüßt daher als Korrektiv dieses leicht defizitären Engagements seitens der Wirtschaft in Dortmund genauso wie ihr Genosse Sierau ausdrücklich die Aufstufung auf die neue Mietenstufe IV.

„Nimby-Effekt“ – Nachverdichtungen: ja, aber bitte nicht in meinem Innenhof!

Stichwort „Nachverdichtungen“ – wie es sich denn da mit der Aufgeschlossenheit von BürgerInnen verhielte – „Veränderung ist für jeden Bürger immer erst einmal Teufelszeug“, so die SPD-Politikerin. Wenn man sie nicht selber angestoßen habe, wolle man sie nur ungern annehmen. „Aber wir müssen da durch.“

Carla Neumann-Lieven (mit Mikrophon) von der SPD

Nachverdichtung sei der deutlich bessere Weg, aber mit Augenmaß, dennoch alternativlos. Denn es bräuchte Freiräume, Grünzüge, um Hitzeinseln nicht noch zu verstärken. Und dort bitte eine Dachbegrünung, um gegenzusteuern, fordert die Dogewo21-Chefin. Das riecht freilich nach zusätzlichen Kosten im Wohnungsbau.

Daher nächster Kandidat: die Wirtschaft. Wie grün es denn sein dürfe, will Tobias Häusler wissen. Klaus Graniki verweist zunächst – als letztendlich über die Stadt Dortmund Beschäftigter – auf das Commitment seines Unternehmens durch den betreffenden Ratsbeschluss, der die Dachbegrünung bei Neubauten jetzt verpflichtend macht. Soweit gibt es nichts zu deuteln. Dann aber muss es nun auch an die Umsetzung der umweltpolitisch gesetzten Vorgabe gehen. Und dort beginnen die eigentlichen Probleme.

Neuerfindung der Mathematik für preisgünstige Mieten bei ökologischem Wohnungsbau?

Dogewo21-Geschäftsführer Klaus Graniki (2.v.l.)

Sie bestehen, allgemein gefasst, in dem Zusammenhang zwischen Klimaschutz und Baukosten, sind also zunächst wirtschaftlicher Natur. Eine preisgünstige Miete mit einem ökologisch verantwortlichen Wohnungsbau zusammenzubringen – „da muss man die Gesetze der Mathematik schon außer Kraft setzen, um das hinzubekommen im Moment“, bemerkt der Geschäftsführer der Dogewo21 mit leicht bitterem Unterton.

Es sei nicht möglich, einen Investor zu finden, der in einer Stadt investiere, wo es sehr schwierig sei, auf eine Miete zu kommen, die sich letztendlich rechnet. Denn, was sie alle als Unternehmen eben nicht dürften: Verluste machen. Das aber ginge gegenwärtig im Neubaubereich nicht.

Hinzukäme, dass es hier für private Investoren Steuervorteile gäbe, die eine organisierte Wohnungswirtschaft nicht in Anspruch nehmen könne. – Ein Hinweis beispielsweise auf ein System, bei dem durch Ausnutzung von Schlupflöchern Steuern nicht mehr dort bezahlt werden müssen, wo die Gewinne faktisch erzielt wurden?

Wohnungswirtschaft möchte kommunale Potentiale über steigende Baukosten nicht gefährdet sehen

Ein Räuspern von nebenan. Haluk Serhat von Vivawest möchte hier offenbar etwaig aufkommende Fehlassoziationen aus dem Weg räumen; jedenfalls gibt es Klarstellungsbedarf. Er vertritt das einzige nicht-börsennotierte Unternehmen unter den Top Ten der Wohnungswirtschaft in der Bundesrepublik – mit 121.000 Wohnungen in Nordrhein-Westfalen.

Haluk Serhat ist Generalbevollmächtigter der Vivawest

Übrigens: Allein dieser Mann mit Migrationshintergrund erklärt durch sich selbst und durch sein Auftreten, warum es keiner weiteren Begründung bedurfte, weshalb die AfD hier offenbar nicht zum Gespräch geladen wurde.

Vivawest engagiert sich auffällig in Dortmund. Fast 1.000 neue Wohnungen sollen es in den nächsten Jahren sein, erläutert der Generalbevollmächtigte. Und dafür führt er einen schlichten Grund an. Das habe etwas mit dem Wachstum und der Attraktivität der Stadt zu tun. Es geht also um Entwicklungsperspektiven.

Aber auch Haluk Serhat warnt: die Baukosten dürften nicht weiter steigen; das sei seine Bitte an die Politik. Die Dynamik und Potentiale der Stadt dürften nicht ausgebremst werden, sonst blieben die Investoren weg. Dortmund läge bezüglich des Mietniveaus immer noch zehn bis fünfzehn Prozent hinter Essen. – Ist das Entwicklungspotential der Stadt aus wohnungswirtschaftlicher Sicht letztendlich die Luft nach oben beim durchschnittlichen Mietzins?

Was zu vermeiden sei: ein sozialer Kampf darüber, wer wo besser wohnen kann

Dann das Statement der Freien Demokraten und durchaus Erstaunliches. Ob es nun die Fragerichtung von Tobias Häusler war, oder nicht. Die ging auf die angedeuteten sozialen Nebenwirkungen von Wohnbestandsveränderungen, näherhin auf Akzeptanzprobleme seitens betroffener AnwohnerInnen. Philip Schmidtke-Mönkediek, stellvertretender Kreisvorsitzender der Dortmunder FDP, betont, was die Vorbehalte von BürgerInnen betrifft, dass es wichtig sei, miteinander zu sprechen.

Philip Schmidtke-Mönkediek (am Mikrophon), FDP

Soweit, so gut. Weil Reden ja immer gut ist. Doch der Sachkundige Bürger im Ausschuss für Bauen, Verkehr und Grün beim Stadtrat handelt. Er ginge auch zu Veranstaltungen, da wüsste er, es wird schwierig. Wo AnwohnerInnen etwa ihre Ängste äußerten, aus ihren Wohnungen verdrängt zu werden, beispielsweise im Hafenquartier um die Speicherstraße.

Und man sehe es schon an Stellen in Dortmund-Hörde wegen des Phoenix-Sees – „wie sich die Mieten dort teilweise entwickelten, dass manche sich die Mieten dort nicht mehr leisten können“, warnt der junge FDP-Politiker. Das sei eine Entwicklung, die beobachtet werden müsse. Stichwörter: sozialer Sprengstoff, Steinmeier, usf. Es dürfe kein sozialer Kampf darüber entstehen, wer wo besser wohnen könne.

Etwa 188 Hektar Freiflächen in Dortmund, die als Bauland benutzt werden können

Ein Sozialdemokrat hätte es kaum besser sagen können. Weshalb die Moderation schon über Parteibuchzugehörigkeiten und etwaige Bewegungen witzelt.

Und auch die CDU entdeckt thematisch neue Horizonte, spätestens seit den jüngsten Wahlerfolgen der Grünen. Neben ihren gängigen Hausnummern von der Zweiten Natur wie Wirtschaft, Technik, Handel oder Verkehr darf daher gern das Göttliche als das Natürliche stärker in den Fokus rücken.

Uwe Waßmann, planungspolitischer Sprecher der CDU-Ratsfraktion

Als Tobias Häusler – bisherigen Gepflogenheiten entsprechend – sich den Christdemokraten übers Wirtschaften nähert, findet das Uwe Waßmann, ihr planungspolitischer Sprecher in der Ratsfraktion, eigentlich schade. Denn er wäre auch gern zu grünen Themen befragt worden, meint er mit einem Lächeln. Doch er schafft es – trotz Läuterung – schnell in gewohnte Gefilde zurück. Und dort gilt immer auch traditionsgemäß: Klotzen statt Kleckern.

Zumal dafür in der Stadt offenbar reichlich Gelegenheiten vorhanden sind. Es gäbe in Dortmund, so der CDU-Planungsspezialist, die komfortable Situation, ungefähr 188 Hektar als (ausgewiesenes oder ausweisbares) Bauland vorrätig zu haben. Dies sei eine gute Basis für Investitionen. Es sei aber auch Konsens, dass gelten solle: Nachverdichtung (oder Aufstocken) vor Freiraum.

Handeln nach dem Prinzip: je größer das Angebot relativ zur Nachfrage, desto eher Entspannung

Nicht ganz leicht, in solchen Stellungnahmen auf den ersten Blick trennscharfe Positionierungen gegenüber den anderen Parteien auszumachen. Akzentuierungen werden freilich sichtbar, wenn es um die grundsätzliche Herangehensweise geht, wie denn der Wohnungsmarkt entspannt werden könnte. Die dann zu unterschiedlichen Konsequenzen hinsichtlich wohnungspolitisch präferierter Einzelmaßnahmen führt.

Was die Mieten beträfe, macht Uwe Waßmann klar: sie dächten da relativ schlicht, aber doch effizient. „Bauen, bauen, bauen! Je mehr Wohnungen wir am Markt haben, umso besser ist es für die Mieten“, betont er. Das liefe über Angebot und Nachfrage. Erwartungsgemäß vertraut die CDU also vor allem auf das Gesamt der Marktmechanismen als Regulativ.

Schlussfolgerung: Es müssten mehr Wohnungen an den Markt gebracht werden, um die Lage dort zu entspannen – und das in allen Preissegmenten, von öffentlich geförderten bis zu „Wohnungen für Menschen, die hier qualifizierte Jobs finden“, betont Waßmann. Denn erfreulicherweise sei es mittlerweile so, dass AbgängerInnen von der Universität in Dortmund blieben.

CDU und FDP gegen eine pauschal geltende 25-Prozent-Quote für sozialen Wohnungsbau

Weil sie in der wachsenden Stadt mit erhöhter Wahrscheinlichkeit einen guten Job finden werden – darüber dürften keine Zweifel bestehen. Der kommunalpolitische Streit ums gute und bezahlbare Wohnen wird sich in den nächsten Monaten allerdings unterhalb solcher Konsensschwellen entfachen wie die, dass alle Wohnformen bedient werden müssen. Denn: wer wollte dem schon widerstreiten.

Der Widerstreit wird aufbrechen, wenn es um konkrete Entscheidungen geht, wo im Einzelfall Schwerpunkte gesetzt werden, beispielsweise im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftsförderung und Sozialem Wohnungsbau.

So sieht die CDU, war von ihrem Sprecher an diesem Sommerabend im „Moog“ zu vernehmen, die seit fünf Jahren bestehende Dortmunder Regelung, wonach sich Käufer städtischer Grundstücke im Grundsatz zur Schaffung eines Anteils von 25 Prozent an öffentlich geförderten Wohnraum verpflichten müssen, durchaus kritisch. Offenbar nicht, weil sie dies nicht fallbezogen für richtig halten könnte, sondern, so Waßmann, weil die Vorschrift ausnahmslos gälte.

Auch für FDP-Sprecher Schmidtke-Mönkediek ist die 25-Prozent-Regelung zwar „ein guter Punkt“, aber es dürfe nicht pauschal so sein. Durch Marktreglementierung könne kein attraktives Klima für Wohnungsinvestitionen geschaffen werden. Was die Bauwirtschaft sicherlich sehr gerne gehört haben wird. Und: sein Parteibuch wird wohl bei den Liberalen bleiben.

SPD möchte bestehende Regelung beibehalten – Grüne fordern Quotenerhöhung

Die Grünen dagegen, erklärt Ingrid Reuter, auf deren Initiative die Regelung damals auf den Weg gebracht worden sei, könnten sich sogar eine Quotenerhöhung vorstellen, um den Wohnungsbau in den unteren Segmenten stärker zu fördern.

2018 steht dem sozialen Wohnungsbau für Neubauten und Sanierungen 30 Millionen Euro zur Verfügung. Foto: NSB-Archiv

Die SPD ist da zurückhaltender: „Wir halten die 25-Prozent-Regelung für genau passend“, erklärt Carla Neumann-Lieven. Doch sie weiß auch, und nicht nur sie: der Anteil öffentlich geförderter Wohnungsbestände werde in den nächsten Jahren weiter abschmelzen. Daher seien hier Investitionen vorrangig.

Allerdings, da sind sich alle wohl einig: es bräuchte Durchmischung, um den sozialen Frieden zu wahren, auch im Dortmunder Süden, fordert die SPD-Sprecherin. 18.000 neue Wohnungen mit öffentlicher Förderung irgendwo hinzustellen, das führte nur zu einem neuen Problemquartier.

Da mögen sich vielleicht manche der Anwesenden heimlich gefragt haben, ob das wohl umgekehrt auch gälte: beim exklusiveren Wohnen unter sich, ohne sozialen Wohnungsbau in Reichweite.

 

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