Der Skandal bei den Dortmunder Bürgerdiensten sorgte für eine Sondersitzung des Rechnungsprüfungsausschusses (RPA). Die zentrale Frage dort: Lag es am Personalmangel oder an der Unfähigkeit der Vorgesetzten, dass insgesamt 214 Blanko-Ausweise unauffindbar sind? In der Kritik stehen vor allem Bürgerdienste-Leiter Peter Spaenhoff und seine Vorgesetzte – Dezernentin Diane Jägers.
Seybusch stellt der internen Revision ein schlechtes Zeugnis aus
Das Team von Jutta Seybusch, Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes, hat bisher zumindest kein strafbares Verhalten aufdecken können. Das ist das Ergebnis des vorgelegten Zwischenberichtes.
„Bei 61 Dokumenten haben wir eine Vermutung, dass sie vernichtet wurden. Aber Vermutungen zählen aber im Bereich der Prüfung eher weniger“, so Seybusch.
Ein schlechtes Zeugnis stellte sie dem System der „internen Revision“ der Stadtverwaltung aus: „Das steht zwar interne Revision drauf. Aber da ist aber nicht das drin, was wir darunter verstehen.“ Die Kontrollinstanz funktioniere – je nach Fachbereichsleitung und Ausgestaltung unterschiedlich gut – oder eben auch gar nicht.
„Je nach Ausgestaltung werden Schäden vermieden – wenn man den Hinweisen konsequent nachgeht.“ Doch das war bei den Bürgerdiensten offensichtlich nicht der Fall: „Sicherheitsrisiken sind festgestellt worden, aber keine Gegenmaßnahmen eingeleitet“, so Seybusch.
Ob Gegenmaßnahmen gewirkt hätten, sei Spekulation. Eine Prüfung sei nicht möglich. Klar sei nur: Die Hinweisen der internen Revision seien nicht aufgegriffen, nachgegangen oder Gegenmaßnahmen ergriffen worden, betont die RPA-Chefin.
Spaenhoff führt „extremsten Änderungen“ bei Anforderungen als Grund an
Das wollte Peter Spaenhoff so nicht auf sich sitzen lassen: Im Ergebnis stimme zwar, dass die Empfehlungen nur teilweise oder mit entsprechender Verzögerung umgesetzt worden seien. Doch das sei vor allem der knappen Personaldecke geschuldet.
Seit dem Jahr 2010 seien die Bürgerdienste „ extremsten Änderungen“ bei gesetzlichen und technischen Vorgaben unterworfen, so dass man andere Prioritäten habe setzen müssen. Zudem habe man „mit knappster Personaldecke den Betrieb ausrecht gehalten“, machte Spaenhoff deutlich.
„Der Dienstbetrieb in den Stadtbezirken war nur mühsam aufrecht zu halten und der Kundenservice ist – gelinde gesagt – nur mäßig möglich“, so der Bürgerdienste-Leiter. Daher habe es andere Prioritätensetzungen gegeben. Daher seien die Hinweise der internen Revision nicht in dem Maße verfolg worden, „wie es aus heutiger Sicht angezeigt gewesen wäre“.
Jägers verweist auf massive Personalnot bei den Bürgerdiensten – Stüdemann relativiert
Dezernentin Diane Jägers (CDU) sprang ihrem Amtsleiter bei und verwies auf die massiven Personalprobleme – sie habe seit drei Jahren sehr intensiv mit dem Personaldezernenten verhandelt.
Allerdings seien die Haushaltskonsolidierung und das zur Verfügung stehende Budget die Leitplanken, die eine zügige Aufstockung des Personals erschwerten. Dennoch habe sie sich massiv dafür eingesetzt und ihrem Amtskollegen deswegen „ziemlich lästig“ gewesen.
Dies bestritt Kämmerer und Personaldezernentin Jörg Stüdemann nicht: „Es ist richtig, dass verschiedentlich darüber diskutiert wurde – auch kontrovers. Aber ganz so dramatisch habe ich das nicht empfunden und empfinde das heute auch nicht“, betonte Stüdemann.
Allerdings machte er auch deutlich, dass die Personalsituation nicht die einzige Erklärung für die Probleme bei den Bürgerdienste sein könnten: „Bei den Ursachen wäre ich sehr vorsichtig. Der Umgang mit Dokumenten muss nicht zwangsläufig aus der Personalsituation resultieren. Aber das kann ich nicht beurteilen“, so Stüdemann.
Der Stadtdirektor verwies allerdings in dem Zusammenhang auf die Unterschlagungen in der Bezirksverwaltungsstelle Hombruch. Dort habe man die Ursache zunächst auch in der Personalnot gesucht. Doch gelöst habe das Problem die Einführung von Tageskassen, nicht die Einstellung von mehr Personal.
Ausschuss benennt auch Managementversagen als Ursache
„Wenn man den Prüfbericht liest, ist nur marginal erkennbar, dass es ein Personalproblem ist. Es ist erkennbar, dass bei Strukturen und Abläufen Defizite gab“, verdeutlichte daher Udo Reppin (CDU).
Eine Position, die viele Ausschussmitglieder teilen. „Ich schätze sie sehr. Aber mir gefällt es nicht, dass sie sich in eine Rechtfertigungsecke zurückziehen“, richtete Thomas Reinbold (Bürgerliste) seine Worte an Spaenhoff.
„Ein Teil ist erklärbar. Es hat sich aber gezeigt, dass auch Managementaufgaben nicht gut gelaufen sind. Es muss auf verschiedenen Ebenen gehandelt werden. Wir brauchen mehr Personal – aber auch das Management muss hinterfragt werden“, sagte Reinbold.
Dies teilte auch die SPD: „Wir reden nicht nur über die unstrittigen Personalengpässe im Front-Office, sondern über Steuerung im Backoffice“, zielte auch Heinz-Dieter Düdder (SPD) auf Rolle der Amtsleitung ab.
Er wollte wissen, warum sich Spaenhoff keine Unterstützung aus der Abteilung Personal und Organisation geholt habe – oder vom RPA. „Ihren Hilferuf vernehme ich heute zum ersten Mal“, so Düdder. „Wenn wir es früher gewusst hätten, hätten wir früher reagiert.“
Entlastung: Mehr Personal und mehr Kontrollen für die Bürgerdienste
Zumindest beim Personalmangel soll zeitnah Entlastung erfolgen: Elf Stellen werden in Kürze nachbesetzt. Allerdings ist der Krankenstand bei den Bürgerdiensten deutlich höher als in anderen Bereichen.
Und Spaenhoff merkte nebenbei an, dass der Bedarf mittlerweile wohl höher sei als ursprünglich angenommen: „Wir benötigten nicht elf, sondern vermutlich 15 bis 16 Stellen“, gab er nebenbei zu Protokoll.
Utz Kowalewski (Linke & Piraten) hakte nach, ob die Themen Sicherheit und Bestandserfassung mittlerweile auch angegangen worden seien. Hier gab offenbarte der Zwischenbericht ja die größten Defizite.
Zumindest da konnte die Amtsleitung eine positive Botschaft vermelden. Die Sicherheitslücke sei kurzfristig geschlossen worden. „Wir haben ein dreistufiges Verfahren eingeführt – so sicher, wie es an keiner anderen deutschen Behörde gibt“, gibt Spaenhoff zumindest an dieser Stelle Entwarnung.
„Bis zum Fund des Ausweises hat niemand erkannt, dass es ein Hochrisikobereich ist. Niemand hat es als Hochrisikobereich betrachtet – da können sich alle an die Brust schlagen, die Verantwortung tragen“, ergänzte Reppin.
Politische Gremien befassten sich noch nicht mit personellen Konsequenzen
Reinbold forderte, wie zuvor auch Thomas Spieß (SPD), jetzt keine personellen Konsequenzen zu fordern. Schließlich läge erst der Zwischenbericht vor. Auch die Staatsanwaltschaft habe ihre Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.
Die Grünen hatten im Vorfeld in einem Antrag disziplinar- und arbeitsrechtliche Konsequenzen gefordert. Linke & Piraten waren in ihrem Antrag noch einen Schritt weiter gegangen und hatten gleich die Entlassung von Peter Spaenhoff gefordert.
Beide Anträge wurden ohne Entscheidung in die zuständigen Fachausschüsse für Personal und Bürgerdienste überwiesen. Dort soll man sich auch mit den beiden Anträgen der CDU befassen. Sie fordern umfassende Neuorganisationen bei den Bürgerdiensten.
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Reader Comments
Wolfgang Richter
Fehlte Personal oder Führung?
Keine Frage: Es fehlte Personal UND Führung. Schon dass Personal fehlt (nicht nur bei den Bürgerdiensten), zeigt die fehlende Führung. Führung heißt hier nur, mit möglichst wenig Personal steigende Anforderungen erfüllen zu wollen – in vielen Bereichen sind die Dienstpläne bereits die Notdienstpläne. Wiederholt durchgesetzte Kürzungen, Umorganisationen und Umsetzungen weisen keine Führungskompetenz nach, sondern Boxerqualitäten.
Eine große Koalition (ohne Koalitionsvereinbarung) besetzt die Führungsebenen bis ganz nach oben – da wird sich doch wohl ein persönliches Verfehlen ganz unten ermitteln lassen.
Wolfgang Richter
Linke & Piraten
Linke und Piraten bekräftigen Forderung nach Entlassung des Amtsleiters
Die Fraktion DIE LINKE & PIRATEN bekräftigt ihre Forderung nach der Entlassung des Amtsleiters der Dortmunder Bürgerdienste, Peter Spaenhoff. Linke und Piraten fühlen sich durch die neusten Prüfungsergebnisse des Rechnungsprüfungsamtes, die bei der Sondersitzung des Rechnungsprüfungsausschuss bekannt wurden, in ihrer Forderung bestätigt.
Die Problemfelder bei den Bürgerdiensten erstrecken sich nicht nur auf einen einzelnen Bereich, sondern umfassen mindestens den Dokumentenbestand Einwohnerwesen, den Dokumentenbestand Kraftfahrzeugwesen sowie die Einziehung von Gebühren und banale Selbstverständlichkeiten wie das Einhalten des Vier-Augen-Prinzips oder Mindeststandards bei Mitarbeiterschulungen“, so Fraktionsmitglied Carsten Klink, Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses der Stadt Dortmund.
„Der Amtsleiter behauptet in der Presse, der auffällige Mitarbeiter sei geschult worden, der Mitarbeiter hingegen bestreitet dies. Herr Spaenhoff spricht in der Ausschusssitzung von bis zu 16 fehlenden Mitarbeitern, nachbesetzt werden aber nur 11. Offensichtlich weiß in diesem Amt die linke Hand nicht, was die rechte treibt“, erklärt Carsten Klink weiter.
Da die Stadtverwaltung es nicht für nötig gehalten hat, die Höhe der nicht korrekt vereinnahmten Gebühren dem Rechnungsprüfungsausschuss von sich aus mitzuteilen, habe man eine entsprechende schriftliche Anfrage im Ausschuss gestellt, so Linke und Piraten. Der Antrag auf Entlassung des Amtsleiters Peter Spaenhoff wurde vom Rechnungsprüfungsausschuss zur abschließenden Entscheidung an den zuständigen Fachausschuss weitergeleitet. Weitergeleitet wurde auch der Antrag der Fraktion DIE LINKE & PIRATEN, ein internes Monitoring zur kontinuierlichen Überprüfung der Arbeitsabläufe in den Bürgerdiensten einzuführen.
Nicole Bender
Personalmangel???
Da wiehert aber kräftig der Amtsschimmel, denn
warum lehnt die Stadt Dortmund dann Bewerbungen von sofort einsetzbaren Mitarbeitern , die sich wegen Umzug nach Dortmund bewerben, rigoros ab? mit dem Verweis auf Einstellungsstopp.