Sieben Jahre Zwischennutzung: Umschlagplatz feiert Geburtstag und bangt um die Zukunft

Muss man den Bebauungsplan umsetzen, statt Freiraum zu erhalten?

Sieben Jahre ist es her: Im März 2018 eröffnete der Umschlagplatz an seinem ersten Standort am Hafenbecken – heute „Speicherplatz“. Nina Brinkmann

Mit den ersten Sonnenstrahlen hat auch der Umschlagplatz am Dortmunder Hafen wieder geöffnet. „Frohes Neues“ begrüßen sich die Gäste, als wäre es eine eigene Zeitrechnung. Der Frühling naht, die neue Saison beginnt und das bereits zum siebten Mal: Am heutigen Dienstag (18. März 2025) feiert der Umschlagplatz seinen 7. Geburtstag. „Könnt ihr denn nun bleiben?“ fragt ein Gast. Achselzucken. „Was soll ich den Gästen sagen?“, fragt sich Milena Rethmann, Inhaberin der kleinen Container-Oase.

Präsentationen, Konzepte, Budgets: Ideen sind willkommen, aber…

Seit sieben Jahren geht das jetzt so, seit sieben Jahren hat der Umschlagplatz den Status „Zwischennutzung“ und das bedeutet Ungewissheit aufgrund befristeter Verträge und kurzer Kündigungsfristen. Wer in so einen Standort investiert braucht gute Nerven und viel Idealismus. Rethmann hat beides. Sie hat ihr Herz an den Hafen verloren seit sie das erste Mal auf der Hafenbrücke stand und zum heutigen Speicherplatz hinüber schaute.

Richard Schmalöer und Lambert Lensing-Wolff bei der Präsentation des „Lensing Media Port"-Konzeptes. Foto Alex Völkel
2018: Richard Schmalöer und Lambert Lensing-Wolff präsentieren das „Lensing Media Port“-Konzept am alten Umschlagplatz. Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

„Da müsste man hin, habe ich zu meiner Schwester gesagt“, erinnert sich Rethmann. Das war 2009 und man sah noch die Reste der ehemaligen Strandbar Solendo. ___STEADY_PAYWALL___

2010 hat sie angefangen sich für einen Platz am Hafen zu bewerben: Hafen AG, Quartiersmanagement, Frauen-Forum, Wirtschaftsförderung etc.: „Ich habe Präsentationen gemacht, Konzepte geschrieben und Budgets geplant – viele haben mich unterstützt“, und trotzdem dauerte es sechs Jahre bis zum ersten Mietvertrag.

Es folgte: Betondecke verlegen, Stromanschluss herstellen, Toilettennutzung klären – zum Hafenspaziergang 2017 ein erster Probelauf: „Das war sofort ein voller Erfolg und hat mir Mut gemacht.“ Im März 2018 wurde eröffnet.

Der kleine Container war schnell beliebt, auch bei Politiker:innen und Planer:innen des neuen Hafenquartiers. Ideen und Konzepte wurden gern am Umschlagplatz präsentiert – nur der kleine blaue Container selbst, der kam in den Plänen nicht vor.

„Bleiben wir überhaupt lange genug für eine schwarze Null?“

2020 dann die Kündigung für den Standort. Warum eigentlich? „Schaut man sich die alten Bebauungspläne an, waren Gastronomie oder auch eine Art Marktplatz durchaus vorgesehen“, erinnert sich Rethmann. Sie hätte sich einen Kulturkiosk vorstellen können und ihr Angebot gern beibehalten – aber der Umschlagplatz musste weichen.

Milena Rethmann investiert Geld und Herzblut in die Nordstadt: Hier vor ihrem Grünen Salon. Daniela Berglehn | Nordstadtblogger

Das Angebot: ein Umzug, ein paar hundert Meter weiter. Klingt erstmal gut, aber es werden Tiefbauarbeiten erforderlich. Schotter muss aufgeschüttet werden, um ein Fläche zu begradigen, die auch schief hätte bleiben können – wenn es nach ihr gegangen wäre. Wieder heißt es Wasser und Strom regeln, Geld für Bauantrag und Co, die Container umsetzen lassen, Parkplätze ausweisen, ein Toilettenwagen …

Einen hohen fünfstelligen Betrag hat sie in den neuen Standort investiert – und das mitten im Corona-Jahr. Die Arbeit macht ihr Spaß, aber es ist ein hohes Risiko: „Das alles sieht improvisiert aus, aber es ist immer eine Vorleistung und immer verbunden mit der Frage: Bleiben wir überhaupt lange genug für eine schwarze Null?“

Flächen zur Zwischennutzung: Fluch oder Chance?

Dass der Umschlagplatz wichtig ist für die Entwicklung des Hafens, das würde auch Dominik Serfling sofort unterschreiben. Serfling ist Leiter der Stadtentwicklungsprojekte bei DSW21 und bei der Projektgesellschaft d-Port21 für die Vermarktung der Flächen zuständig. Am alten Solendo hat er Fußball geschaut: „Das alles hat uns inspiriert. Herr Walter, der Speicher 100 und natürlich der Umschlagplatz – sie waren es, die wichtige Impulse für die Entwicklung gegeben haben. Da haben wir gesehen, was es für Potenzial gibt.“

Dominik Serfling, beim 14. Bürger:innen-Dialog zum Hafenquartier Speicherstraße. Oliver Schaper

Klingt nach Eigentor. Erst wächst etwas heran, dann entdecken es Investoren und dann … „Nein“, findet Serfling. Er sei voller Respekt für Frau Rethmann und für die anderen Akteure am Hafen. Alle seien wichtig, damit es hier funktioniert, die Kreativen, die Gastronomie, „da wäre ich ja bekloppt, wenn ich das abschaffen wollte“.

Aber die Entwicklung, sie gehe eben immer weiter und auch die drei hätten doch schon von den neuen Aktivitäten, der Aufmerksamkeit und dem wachsenden Zuspruch der Besucher:innen profitiert.

Wie so oft ist eben alles eine Frage der Perspektive. Serfling ist auch mit Bedenken auf Seiten der Industrie konfrontiert, denn immerhin soll der Hafen ja auch weiterhin ein Industriestandort sein: „Kollegen haben mir immer gesagt: Sei bloß vorsichtig mit Zwischennutzung. Mir war das aber immer wichtig. Die Frage ist: Wie gehen wir miteinander um?“

„Wir werden sie auf keinen Fall vom Feld jagen.“

Befristung und kurze Kündigungsfristen sind für seine Planungen wichtig, für die von Rethmann und Co. problematisch – das gibt Serfling zu. Aber es gäbe ja auch immer wieder Optionsrecht und: „Wir werden sie auf keinen Fall vom Feld jagen.“ Überhaupt sei das doch auch aktuell alles gar kein Thema und selbst wenn: zunächst müsse es eine Ausschreibung geben, Bewerber:innen müssen ein Konzept für das Grundstück vorlegen, es folgen eine Jurysitzung, Antrags- und Genehmigungsverfahren.

Die Speicherstrasse im Planungsentwurf Cobe. Quelle: Büro COBE, Nordhavn / Kopenhagen

„Wenn man realistisch ist, wird noch viel Zeit vergehen“, so Serfling und findet das dann aber auch irgendwie schade. „Ich bin Entwickler. Mein Auftrag ist es, die beschlossenen Ideen und Konzepte umzusetzen und das fix.“

Liest man die Konzepte, ist dort viel von Vielfalt, Teilhabe und Kreativität die Rede – sieht er diese Kriterien denn nicht erfüllt? Gibt es darin keinen Ort für den Umschlagplatz? Serfling: „Wir haben die Promenade. Wir haben später mal den Siloplatz, einen Ort ähnlich dem, was wir am Umschlagplatz jetzt vorfinden. Wir haben zum Beispiel Flächen unter dem Gerüst der alten Knauf-Interfer-Halle.“ Er ist zuversichtlich eine Lösung anbieten zu können.

Kein Mut zur Lücke: Der Bebauungsplan wird umgesetzt

Einen Platz in einer anderen Immobilie? „Ich glaube nicht, dass ich mir die Miete da leisten kann“, gibt Rethmann zu Bedenken. Und es geht ihr auch noch um etwas anderes: sie will Freiraum erhalten. „Ich habe überlegt, das Grundstück selber zu kaufen, vielleicht eine Genossenschaft dafür zu gründen – aber das geht nicht, die Bebauung ist Pflicht.“

Flohmarkt, Kunst, Musik, Festivals, Yoga – der Umschlagplatz ist weit mehr als ein Biergarten. Leopold Achilles | Nordstadtblogger

Bürogebäude mit Wasserblick – für sie ist das eine verschenkte Chance: „Es muss doch gut sein für das Viertel, die Nachbarschaft. Das Nansen zum Beispiel, das passt hier super hin – aber Büros? Sitzt der Büroangestellte im Zweifel nicht auch lieber nach der Arbeit noch an der Hafenkante? Muss er vom Schreibtisch aus unbedingt den Kanal sehen?“

Und der Bedarf nach Freiraum wächst, das merkt sie jedes Jahr neu: „Es kommen so viele Anfragen.“ Flohmarkt, DJs, Kultur, Mini-Festival, Kindertage, Yoga – der Umschlagplatz ist offen für alle. Sie stellt den Platz kostenlos zur Verfügung, aus Prinzip, denn das sei die Idee des Umschlagplatzes: Wandel und Austausch.

Das diese Idee absolut im Einklang mit der Philosophie des Hafenkonzepts ist, das würde auch Serfling nicht abstreiten. Aber deswegen eine Abweichung vom Bebauungsplan? Für ihn undenkbar, vermutlich auch nicht finanzierbar. Aber er ist optimistisch: „Es wird weitergehen, nur anders. Irgendeine Kröte muss man immer schlucken, aber d.h. ja nicht dass es schlechter wird. Die Brücke, die Promenade – am Ende ist vielleicht noch viel mehr los und davon profitieren alle.“


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Reaktionen

  1. Petra

    Unfassbar. Alles wird zugebaut und kommerzialisiert. Frau Rethmann scheint das Herz am rechten Fleck zu haben. Gestalterinnen wie sie und die Bürgerinnen sollten die Stadt und die Nutzung der Flächen planen. Nicht irgendwelche Konzepter, die die Fläche weder kennen noch gelebt haben.

  2. DEWFan

    Mit Blick auf die alte Thier-Brache, welche der gleichnamigen Galerie weichen musste, ahne ich schon wie es ausgeht. Wir schaffen eine Gastromeile nach Dortmunder Art: etablierte und gut funktionierende Gastronomien werden ersetzt durch Restaurantketten, Systemgastronomien plus einem Bäckerei-Café. Und fertig ist das Ausgehviertel.

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