Eigentlich sollte die Vernehmung der BeamtInnen des kriminaltechnischen Dienstes vorm Landgericht Dortmund für Aufklärung darüber sorgen, ob der tatsächliche Ort des Geschehens untersucht worden war. Nach Abschluss der Beweisaufnahme am vierten Verhandlungstag in einem Vergewaltigungsprozess aus dem Jahre 2017 steht jedoch lediglich fest, dass die BeamtInnen keinerlei Spuren sicherstellen konnten. Außerdem bleibt weiterhin unklar, welche Rolle ein rätselhaftes Täterfoto spielen könnte, von dem das Opfer behauptet, die Polizei habe es ihr kurz nach der Tat vorgelegt und sie hätte den Täter darauf zweifelsfrei identifizieren können.
Spurensicherung verläuft ohne Ergebnis; Zeugin findet jedoch Haarbüschel
Im Juli 2017 war eine 51-jährige Frau nachts auf der Brunnenstraße in der Dortmunder Nordstadt überfallen, in einen Hinterhof an der Holsteiner Straße gezerrt und hier brutal vergewaltigt worden. Angeklagt ist ein 39-jähriger Rumäne, der die Tatvorwürfe vehement bestreitet.
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Bereits am dritten Verhandlungstag hatte sich der Verdacht von Rechtsanwalt Lukas Pieplow erhärtet, die BeamtInnen der Spurensicherung könnten den falschen Tatort untersucht haben. Hierbei untermauerte er seine Vermutung durch Tatortfotos, die er selbst gemacht hatte und die einen zweiten Zugang in den Hinterhof an der Holsteiner Straße offenbarten, von dem die Polizei keine Notiz genommen hatte.
Zudem wurde sein Verdacht durch die Aussage der Zeugin, die damals die Polizei alarmiert hatte, untermauert. Denn sie hatte entgegen der Erkenntnisse der Spurensicherung sehr wohl Haarbüschel am Ort des Geschehens, den ihr das Opfer beschrieben hatte, gefunden.
Keine neuen Erkenntnisse zum Foto, auf dem die Geschädigte den Täter identifizieren konnte
Weder die Befragung der Beamten des Wach- und Wechseldienstes noch die der Kripobeamten konnten die offenen Fragen des Gerichts endgültig ausräumen. Stattdessen bleibt vieles vage und ungenau. So konnte keiner der Beamten Angaben zu dem vom Opfer erwähnten Täterfoto machen.
Auch die Zeugin, die die Polizei alarmiert und sich anschließend um das Opfer gekümmert hatte, hatte die Behauptung des Opfers mit den Worten „Die Beamten haben ihr „irgendwas“ auf dem Handy gezeigt“ bestätigt.
Die Aufarbeitung des Falles gestaltet sich nicht zuletzt dadurch ziemlich kompliziert, dass viele verschiedene BeamtInnen in die Ermittlungen involviert waren und sich Zuständigkeiten immer wieder verschoben haben. Und auch die seit der Tat vergangene Zeit hat natürlich die Erinnerungen der Beteiligten getrübt.
Kriminaltechnische Untersuchung kann keinen eindeutigen Tatort feststellen
Die Geschädigte hatte bei der Polizei und vor Gericht angegeben, dem Täter dreimal mit einer Bierflasche auf den Kopf geschlagen zu haben, bis diese schließlich zerbrach. Diese Aussage wurde durch die heutigen Vernehmungen ohne Ausnahme bestätigt. Um so verwunderlicher für Rechtsanwalt Lukas Pieplow, dass keine Scherben sichergestellt wurden.
„Und verlangt es nicht der kriminalistische Instinkt, nach einer solchen Aussage, die darauf schließen lässt, dass der Täter durch die zerbrochene Flasche Verletzungen davon getragen haben könnte, sich bei den städtischen Krankenhäusern zu erkundigen, ob jemand mit einer in Frage kommenden Verletzung eingeliefert worden ist“, hinterfragt Pieplow.
Die BeamtInnen der Spurensicherung versicherten, man habe den gesamten Bereich des Hinterhofes an der Holsteiner Straße ausführlich und akribisch abgesucht. Nirgends seien jedoch Schleifspuren, Spuren eines Kampfes oder andere Beweise offensichtlich geworden. Auch den Hinweisen nach Haarbüscheln und Scherben sei ergebnislos nachgegangen worden.
Viele BeamtInnen in die Ermittlungen involviert; Missverständnisse nicht ausgeschlossen
Die ErmittlerInnen machten darauf aufmerksam, dass der Hinterhof an sich sehr vermüllt gewesen sei, so dass der Fund von Scherben, die natürlich auf dem Gelände gesichtet wurden, nur dann für sie von Belang gewesen wäre, wenn ein Ort des Geschehens erkennbar gewesen wäre. Da dies nicht der Fall war, wurde auch nichts sichergestellt.
„Wir schauen wirklich akribisch. Hätten sich am Tatort Haarbüschel befunden, hätten wir sie auch gefunden“, so eine Beamtin. Sie räumte jedoch ein, dass man den Hinterhofbereich zunächst nach Angaben der Kollegen vom Wach- und Wechseldienst abgesucht hätte und erst später im Krankenhaus mit dem Opfer selbst gesprochen habe.
Möglicherweise könne es hier zu einem Missverständnis bezüglich des eigentlichen Ortes des Geschehens gekommen sein. Auch wo die Kleidung des Opfers gefunden wurde und wie und wann die Spurensicherung in deren Besitz gelangt war, konnte nicht eindeutig von den Zeugen belegt werden.
Anwalt des Angeklagten will Beweisantrag zu eingeliefertem Patienten mit Kopfverletzungen stellen
Zu viele Ungewissheiten für Lukas Pieplow, den Anwalt des Angeklagten. Er hatte im Vorfeld des Verhandlungstages eine Anfrage an die Unfallambulanz des Klinikzentrums Nord in Dortmund gestellt und wollte wissen, ob in der Tatnacht Patienten eingeliefert wurden, die Verletzungen aufwiesen, die auf das Zerbrechen einer Flasche am Schädel zurückzuführen waren. Er erhielt positive Rückmeldung.
Aufgrund dieses mit dem Prozess korrespondierenden Behandlungsfalles, kündigte der Anwalt an, in der nächsten Sitzung des Gerichtes einen diesbezüglichen Beweisantrag stellen zu wollen, um die Identität des eingelieferten Patienten zumindest für das Gericht zu enthüllen. Ob sich neue Erkenntnisse daraus ergeben, wie genau er sich seine Verletzungen zugezogen hat, bleibt abzuwarten.
Der Prozess wird am kommenden Donnerstag, den 24. Januar 2019 fortgesetzt. Dann soll unter anderem eine ärztliche Gutachterin Aufschluss über die Verletzungen des Opfers geben.
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