SERIE Nordstadt-Geschichte(n): Vor 125 Jahren wurden die beiden ersten Spatenstiche für den Dortmunder Hafen getan

Der Dortmunder Hafen um 1900 (Slg. Klaus Winter)
Der Dortmunder Hafen um 1900 (Sammlung Klaus Winter)

Von Klaus Winter

Der Dortmunder Hafen ist heute ein Industrie- und Logistikstandort von internationaler Bedeutung und kann inzwischen auf eine lange Tradition verweisen. Seine Geschichte begann bereits rund vierzig Jahre vor der Inbetriebnahme im Jahr 1899. Denn die ersten Überlegungen, Dortmund über eine Wasserstraße mit dem Meer und somit mit der weiten Welt zu verbinden, stammten aus den 1860er Jahren. Hinter der Planungsdiskussion standen schwerwiegende wirtschaftliche Fragen: Die heimische Stahlindustrie konnte ihre Nachfrage nach Erzen nicht mehr vor Ort befriedigen, sondern musste die Bodenschätze mehr und mehr von weit entlegenen Orten importieren. Die Eisenbahn sah man nicht als das gewünschte Massentransportmittel. Günstige Frachtsätze erhoffte man sich vielmehr von der Binnenschifffahrt.

Selbst ostelbische Gutsbesitzer beschäftigten sich mit dem Dortmunder Hafen

Ein Großprojekt wie der Bau eines Kanals und Hafens war von reichsweitem Interesse. Die Eisenindustrie im rheinischen Revier und an der Saar wollte eine starke Konkurrenz im östlichen Ruhrgebiet möglichst vermeiden und war deshalb gegen einen Hafen in Dortmund. ___STEADY_PAYWALL___

Und die großen Gutsbesitzer im Osten des Reichs argwöhnten, dass über den Kanal außer Erzen auch Getreide nach Deutschland importiert würde. Militärstrategische Faktoren spielten bei der Frage nach einem Hafen für Dortmund ebenfalls eine Rolle.

Der Bau des Dortmunder Hafens wurde per Reichsgesetz beschlossen

So wurde erst am 9. Juli 1886 das Gesetz über den Bau eines Hafens für Dortmund verabschiedet. In anschließenden Verhandlungen wurde u. a. geklärt, welche Kosten der Staat und welche die Stadt Dortmund zu tragen hatte.

Die gesamten den Hafen betreffenden Baumaßnahmen wurden dem Leiter der Kanalbauabteilung Dortmund, dem Wasserbauinspektor Hermann Mathies übertragen. Seine Leistungen wurden später gewürdigt, indem man ein Hafenbecken nach ihm benannte.

Im Jahr 1893 wurden die Lagepläne für den Hafen öffentlich vorgestellt

Übersichtsplan mit Mathies-Hafen, 1925/30 (Slg. Klaus Winter)

Die Dortmunder konnten im September 1893 der Presse entnehmen, wie der Hafen angelegt werden sollte. Vorgestellt wurde sowohl die geplante –nie erreichte – Endausbaustufe, als auch die erste Version, die weniger Hafenbecken umfasste, als heute vorhanden sind.

Nachdem feststand, wo der Hafen gebaut werden sollte, kauften erste Interessenten Grundstücke in der Nachbarschaft. So erwarb zum Beispiel eine Gesellschaft aus Ruhrort im März 1894 eine Parzelle in der Nähe des geplanten Stadthafens, um hier ein „größeres Sägewerk“ zu bauen.

Es setzte sich in der Folgezeit immer mehr der Gedanke durch, mit der Enteignung der für den Hafen benötigten Grundstücke rasch zu beginnen, denn die Grundstückspreise stiegen kräftig. So zahlten die Union-Werke im Sommer 1894 pro Quadratrute des sogenannten „Taubeneiken“, einem Flurstück, fast das Doppelte dessen, was ein Jahr zuvor verlangt worden war.

Vor dem Baubeginn wurde die Tariffrage geregelt

Hafenansicht mit Altstadt im Hintergrund (Slg. Klaus Winter)

Am 1. Juni 1894 wurde das Städtische Hafen-Bauamt eröffnet. Es war untergebracht in dem Haus des Julius Spangenberg, Direktor der Dortmunder Aktien-Brauerei, Sedanstr. 15 (heute Schützenstraße). Mit dem Beginn der eigentlichen Hafenarbeiten rechnete man nicht vor dem Frühjahr 1895.

Tatsächlich hatten die Bauarbeiten im April 1895 noch nicht begonnen, als in der Mitte des Monats in Dortmund auf Veranlassung des Ministers der öffentlichen Arbeiten und der Finanzen eine hochkarätig besetzte Konferenz einberufen wurde.

Es sollte ausgelotet werden, wie die Grundsätze und Tarife zu bestimmen seien, nach denen nach Inbetriebnahme des Hafens die Schifffahrtsverhältnisse eingerichtet werden sollten. Kohlen- und Eisenindustrie sowie die Schiffbau- und Schifffahrtreibenden sollten sich auf die künftige Nutzung von Hafen und Kanal einstellen können.

Immobilienspekulanten sollten nicht auf ihre Rechnung kommen

Sonnenaufgang am Hafen (Slg. Klaus Winter)

Endlich lag auch der Enteignungsbeschluss vor, so dass mit dem Grundstückserwerb auf dem Hafengelände begonnen werden konnte. Man hoffte, dass die Grundstücksbesitzer der Abtretung ihrer Immobilien zustimmen würden, auch wenn die angebotene Entschädigung unter ihren Erwartungen liegen sollte.

Ende Mai wurde eine Besichtigung der insgesamt 172 für den Hafen benötigten Parzellen durch Vertreter der Königlichen Regierung in Arnsberg, einem Regierungsrat der Eisenbahndirektion Essen und Vertretern der Stadt durchgeführt. Auch die Grundstücksbesitzer waren eingeladen.

Neben Feldern, Gärten und Wiesen befanden sich auch einige mit Immobilien bebaute Grundstücke auf dem Hafenbauplatz. Dazu gehörte die Ernestische Wirtschaft, Sunderweg 139, die jährliche Mieteinnahmen in Höhe von 3.000 Mark einbrachte. Ihr Erwerb dürfte entsprechend teuer geworden sein. Im Übrigen mutmaßte die Presse, dass so mancher Spekulant nicht auf seine Kosten kommen würde.

Im Sommer 1895 wurden die Bauarbeiten ausgeschrieben

Ausschreibung von Arbeiten am Hafen (Dortmunder Zeitung, 27.07.1895)

Am 22. August 1895 rechnete man mit dem Beginn der Arbeiten „Ende dieser resp. Anfang nächster Woche“. In der „Dortmunder Zeitung“ erschien unter diesem Datum ein Artikel, indem man aus diesem Anlass einen „gewissen, offiziellen, kurzen Akt“ wünschte.

Darin hieß es auch: „Das übliche Festessen mit den obligaten unnützen und überflüssigen Tischreden ist dabei ja nicht erforderlich, sodaß die Ausgaben und Unkosten auf ein geringes Maß beschränkt bleiben.“

Tatsächlich wurde ein Ort für die Ausführung des offiziellen Ersten Spatenstichs ausgewählt. Doch der Termin dafür wurde auf Anfang Oktober verschoben.

 

Der tatsächlich erste Spatenstich war am 5. September 1895

„Der erste Spatenstich für den dortmunder Hafen ist gestern ohne Sang und Klang ausgeführt worden“, hieß es in einem Artikel der „Dortmunder Zeitung“, datiert 6. September d. J. Arbeiter hatten mit der Anlage eines Entwässerungsgrabens begonnen.

Zeichnung zur Pflasterung des Hafenufers (Der Hafen von Dortmund. Festschrift. Dortmund, 1899)

Eine weitere Rotte von Arbeitern verlegte Feldbahngleise, die bei der Zeche Westfalia einen Anschluss an das allgemeine Eisenbahnnetz erhielten. Die Feldbahn war für den Transport gewaltiger Erdmassen notwendig. Die 60 Meter breiten Hafenbecken mussten an einzelnen Stellen bis zu fünf Meter Tiefe ausgehoben werden.

Eine Arbeit war allerdings schon abgeschlossen: Am Haus des Wirts Kleffmann bei der Zeche Westfalia, war eine Probeböschung aus Bruchsteinen angelegt worden. Hier konnte sich jeder Spaziergänger einen ersten Eindruck vom künftigen Hafen verschaffen.

Viele Holländer gehörten zu den ersten Arbeitern

Bis zum Ende des Monats September war das Anschlussgleis der Feldbahn an das Eisenbahnnetz fertiggestellt. Ein „ganzer Wagenpark“ wartete hier auf seine Indienststellung.

Nahe der Union-Vorstadt wurde in Fachwerkbauweise eine Kantine errichtet. Sie bestand aus drei aneinandergrenzenden Gebäuden, von denen eines zweistöckig war. Gleich nach der Fertigstellung des ersten Hauses wurde es bereits von Arbeitern bezogen.

Die Zahl der Arbeiter belief sich zu der Zeit auf „nahezu hundert“. Unter ihnen waren viele Holländer. Insgesamt sollte sich die Zahl der Arbeiter in den dann kommenden Wochen noch erheblich erhöhen.

Spezialanfertigung für den offiziellen Ersten Spatenstich (Der Hafen von Dortmund. Festschrift. Dortmund, 1899)
Spezialanfertigung für den offiziellen Ersten Spatenstich (Der Hafen von Dortmund. Festschrift. Dortmund, 1899)

Am 9. Oktober 1895 erfolgte der offizielle erste Spatenstich

Auf Beschluss des Magistrats sollte der Beginn der Hafenbauarbeiten durch eine einfache Feier am 9. Oktober 1895 gewürdigt werden. Der Festakt sollte nachmittags 3 Uhr östlich der Unionvorstadt zwischen Sunderweg und Gneisenaustraße, „vor dem großen Trockenbagger“ stattfinden.

Im Mittelpunkt der Feier stand die Ausführung des symbolischen ersten Spatenstichs. Hierfür war in wenigen Tagen eigens ein besonderer Spaten hergestellt worden:

Sein Blatt war in Schalksmühle aus Stahl gefertigt, in Solingen poliert, damasziert, vernickelt und vergoldet worden. Er zeigte auf der einen Seite seines Blattes den Stadtadler, auf der anderen einen Anker. Der Stiel wurde nach einem Entwurf des Bildhauers Hirsch gefertigt. Er bestand aus Lindenholz und wurde von dem Goldarbeiter Tewes mit einem Silberband versehen.

Die Erinnerung an den offiziellen Baubeginn sollte ferneren Geschlechtern durch eine Gedenktafel sichtbar gemacht werden. Die Tafel wollte man zu einem späteren Zeitpunkt unweit der Stelle anbringen, wo der offizielle erste Spatenstich erfolgt war.

Offizieller Festakt vor tausenden Schaulustigen

Reichlich Prominenz fand sich am Festtag auf dem mit zahlreichen Wimpeln in den Dortmunder Farben geschmückten Hafenbaugelände ein. Um die Rednertribüne waren Fahnenstangen in dichter Folge eingerahmt. Dort wurde auch ein großer Übersichtsplan des Hafens zur Schau gestellt.

Tausende hatten sich hier versammelt, um dem Festakt beizuwohnen, den Rednern zu lauschen und Zeuge zu werden, wie der Oberbürgermeister Schmieding mit den Worten „Mit Gott, Glückauf!“ den Spatenstich mit dem eigens zu diesem Zweck angefertigtem Werkzeug ausführte. Er gab anschließend den Spaten weiter an andere Offizielle.

Festakt zum Ersten Spatenstich (Der Hafen von Dortmund. Festschrift. Dortmund, 1899)

Der Fotograf Weeck machte „eine Momentphotographie der Teilnehmer“, die sich als einziges Bilddokument dieses Ereignisses überliefert hat.

Die Arbeiter wurden bei der Feier mit Bier und Butterbroten bewirtet

Abschließend fand eine Nachfeier „in der großen Kantine des Herrn Mattschei“ statt. Dabei wurden nochmals Reden gehalten und Toasts ausgebracht. Letzter Redner war der Stadtverordnete Franz Möller, der den Wunsch aussprach, „es möge des öfteren die Gelegenheit zu gemeinsamen Thun aller Parteien sich finden.“

In der Feier hatte man die nicht vergessen, die die anstehende schwere Arbeit zu leisten hatten: Alle beim Hafenbau beschäftigten Arbeiter wurden auf Kosten der Stadt mit Bier und Butterbrot bewirtet.

 

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