Die Anlage des Hafens Dortmund in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts war zweifellos eine der bedeutendsten Investitionen in die Entwicklung Dortmunds. Dass der Abschluss der Bauarbeiten und die Inbetriebnahme entsprechend festlich begangen werden sollte, wird deshalb frühzeitig festgestanden haben. Natürlich hoffte man zu diesem Anlass auf die Anwesenheit hochrangiger Festgäste, und besonders gerne wollte die Stadtspitze den deutschen Kaiser und König von Preußen, Wilhelm II., in ihren Mauern begrüßen.
Wilhelm II. erhielt im Februar 1899 die Einladung der Stadt
Wann die Idee, das Kaiserpaar zur Hafeneinweihung einzuladen, tatsächlich entstanden war, ließ sich nicht feststellen. Aber allem Anschein nach ging man in Dortmund schon 1898 wie selbstverständlich davon aus, dass Wilhelm II. sich aus diesem Anlass in dem dann wiederhergestellten alten Rathaus in das nagelneue goldene Buch der Stadt eintragen würde.
Konkret wurde die Idee der Einladung wohl ab Februar 1899 verfolgt. Oberbürgermeister Schmieding erklärte in einer Magistratssitzung, dass nach einer Mitteilung des Oberhofmarschall-Amtes dem Kaiser die Einladung der Stadt vorgelegt worden war und dieser sich nicht abgeneigt gezeigt hätte, sie anzunehmen. Allerdings würde die Entscheidung wohl erst im Juni fallen.
Die Vorbereitungen des Festakts begannen früh
Ungeachtet der fehlenden definitiven Zusage begannen zu der Zeit bereits die Vorbereitungen für den hochrangigen Besuch. So befuhr bereits Anfang März 1899 ein Regierungsdampfer den Kanal, und es wurde ein Plan entwickelt und in der Presse vorgestellt, der den Ablauf des Festtages regelte.
Es stand aber auch fest, dass die Einweihung von Kanal und Hafen erst stattfinden könne, wenn durch einen probeweisen durchgeführten Schiffsverkehr sichergestellt war, dass im Hafen und auf dem Kanal alles reibungslos funktionierte.
Mit welchem Schiff kommt der Kaiser?
Mitte April 1899 ging die Nachricht durch die Presse, dass Einweihung und Kaiserbesuch nicht vor dem August zu erwarten seien. Man hoffte, dass das Ereignis jedenfalls vor den Beginn der Schulferien liegen würde. Derweil wurde öffentlich spekuliert, mit welchem Schiff Wilhelm II. wohl in den Dortmunder Hafen einfahren könnte.
Der Zeitungsleser erfuhr auch, dass die Entscheidung des Kaisers über eine Einladung gewöhnlich acht Wochen vor dem Termin bekanntgegeben würde. Sollte der Kaiser absagen müssen, würde er von dem Prinzen Friedrich Leopold von Preußen vertreten werden.
Wann kommt er denn nun?
In ihrer Ausgabe vom 29. Juni berichtete das Dortmunder Tageblatt, dass der Kaiser am 5. August in Dortmund eintreffen werde. Und die Dortmunder Zeitung teilte mit, dass der Kaiser bereits am 4. August kommen würde. Eine Woche später hieß es dagegen, dass der Termin noch gar nicht feststehen würde.
Die Unklarheit über den Tag der Ankunft Wilhelms II. in Dortmund störte natürlich den Ablauf der Vorbereitungen, die für den Festtag getroffen wurden. In diese mischte sich auch der Oberpräsident der Provinz Westfalen, der seinen Amtssitz in Münster hatte, ein. Anfang Juli besichtigte er mit einem Regierungs- und Baurat die Baustelle des Kaiserzeltes am Festplatz im Hafen.
Der Kaiser kommt nicht!
In der ersten Juli-Hälfte gingen die Organisatoren davon aus, dass der Kaiser am 3. August in Dortmund sein würde; der Herrscher hatte diesen Termin selbst bestimmt.
Die Bevölkerung wurde informiert, welche Straßen die kaiserliche Kutsche befahren würde, und aufgerufen, sich am Abend dieses Tages an einer festlichen Illumination zu beteiligen.
Doch am 19. Juli verbreitete sich rasch die Nachricht, der Kaiser wird doch nicht nach Dortmund kommen!
Oberbürgermeister akzeptierte Absage nicht
In einer geheimen Sitzung des Stadtverordneten-Kollegiums am nächsten Tag wollte Oberbürgermeister Schmieding die Hoffnung aber noch nicht aufgeben. Er schlug vor, den Festakt auf einen Tag zu verschieben, der dem Kaiser besser passen würde.
Umgehend wurde telegrafisch bei dem kaiserlichen Civil-Kabinett angefragt, ob diese Möglichkeit realistisch sei. Außerdem fuhren Schmieding und der Vorsitzende der Dortmunder Stadtverordneten-Versammlung, Brauns, nach Essen zur Villa Hügel, um sich mit Geheimrat Krupp abzustimmen, der sich auf den Besuch des Kaisers eingerichtet hatte.
Würde sich ein Ersatztermin jedoch nicht finden lassen, sollten die Feierlichkeiten in Dortmund wesentlich eingeschränkt werden und einen rein städtischen Charakter erhalten unter Verzicht auf hochrangige Ehrengäste. Derweil liefen die Arbeiten zur Ausschmückung der Stadt für den Festtag ruhig weiter.
Kommt der Kaiser doch?
Am 22. Juli erreichte den Oberbürgermeister ein Telegramm mit der Nachricht: Der Kaiser wolle zur Hafen-Einweihung kommen, bitte aber um eine Verschiebung des Termins. Sowohl der Minister des Innern als auch das Arbeitsministerium bestätigten dies.
Eine hochrangige Abordnung des Hofmarschall-Amtes besichtigte Ende Juli die Straßen, die der Kaiser passieren würde sowie das Hafengelände.
Außerdem wurde das Schiffshebewerk bei Henrichenburg in Augenschein genommen. Hier traf man auch auf den Geheimrat Krupp aus Essen, der die Abordnung nach Dortmund zurückbegleitete.
Der Kaiser kommt am 11. August!
Am 8. August konnte Kommerzienrat Brauns in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Stadtverordneten-Versammlung dem Kollegium ein Telegramm vorlesen, durch das der Magistrat vom Oberhofmarschallamt informiert wurde, dass der Kaiser am Freitag, 11. August an der Hafen-Einweihung teilnehmen würde.
Brauns schlug nach der Verlesung des Telegramms vor, die laufende Sitzung aufzuheben. Denn die Stadtverordneten, die auch einer Kommission rund um die Hafeneinweihung angehörten, sollten sofort an die Arbeit gehen können.
Die Fest-Vorbereitungen liefen auf Hochtouren
Zu tun gab es noch allerhand: An mehreren Stellen wurden Ehrenbogen aufgestellt, die Fahrtstrecke des Kaisers in eine via triumphalis verwandelt. Am Burgtor war eine Nachbildung des Stadttores entstanden, weshalb sogar die elektrische Leitung der Straßenbahn gekappt wurde, so dass die Sraßenbahn erst nach Beendigung der Feierlichkeit wieder bis zum Bahnhof fahren konnte.
Die Schaufenster wurden prächtig geschmückt, jeder Ladeninhaber wollte seinen Nachbarn übertrumpfen. Illuminationskörper wurden angebracht, Tribünen errichtet. Man rechnete mit einer regen Nachfrage nach den Sitzplätzen und somit mit guten Geschäften der Tribünenbesitzer.
Festtag der Taschendiebe
Auch bei einem anderen Geschäftszweig rechnete man mit guten Einnahmen: Nicht minder gute Aussichten hat auch die edle Zunft der Langfinger, für die das am Festtage herrschende Gedränge und Gewoge so recht die Gelegenheit bietet, ehrlichen Leuten die Taschen auszuplündern. Also Vorsicht, warnte ein Redakteur des Dortmunder Tageblattes in der Ausgabe vom 9. August 1899.
Eine Taschendiebstahl-Statistik vom Tage des Kaiserbesuchs ist nicht bekannt. Ansonsten berichtete die Tagespresse in den folgenden Tagen in epischer Breite von den Ereignissen rund um die Hafeneinweihung. Es war nicht alles so gelaufen, wie es sich die Organisatoren gedacht hatten, doch die Veranstaltung wurde allgemein als großer Erfolg gewertet.
Eine verdeckte Erinnerung an das Termin-Problem?
Die Absage und Terminverschiebungen Kaiser Wilhelms II. waren scheinbar rasch vergessen.
Aber ausgerechnet auf den 30 großen und 400 kleinen Silbermedaillen, die die Stadt nach einem Entwurfe des Professors Meyer in Karlsruhe bereits vor dem Festtag hatte prägen lassen, findet sich ein möglicher Hinweis darauf.
Denn der Inschrift „Einweihung des Hafens Dortmund“ folgt statt des Tagesdatums, das zu erwarten gewesen wäre, nur die Jahreszahl 1899.