Von Klaus Winter
Den „Löwenhof“ kennt man als Dortmunder, wenn auch vielleicht nicht jeder etwas mit diesem Namen anfangen kann. Seit Ende der 1990er Jahre war das Gebäude Sitz der Volkshochschule. Vor einigen Jahren geriet er zusätzlich in den Blickpunkt der Öffentlichkeit, weil er aufgrund baulicher Mängel außer Betrieb genommen werden musste. Das Gebäude mit der prächtigen neobarocken Architektur gegenüber der alten Hauptpost am Königswall hatte seinen Namen erhalten nach den beiden sitzenden Löwenfiguren, die noch heute die Hauptfassade zieren. Es wurde aber auch „Stahlhaus“ genannt und war Sitz der Fa. Heinrich August Schulte, Eisenhandel AG.
Heinrich August Schulte gründete Eisenhandel – Die Anfänge waren an der Kiel- und Nordstraße
Der frühe Werdegang des Heinrich August Schulte scheint nicht überliefert zu sein. Möglichweise war er identisch mit dem Kaufmann Heinrich Schulte, der um 1894 Teilhaber der Fa. Dittmann & Schulte, Eisen- und Eisenwarenhandlung en gros, Kielstr. 10, war.
Sicher ist aber, dass Heinrich August Schulte Anfang 1896 eine eigene Eisenhandlung gründete. Der entsprechende Eintrag in das Handelsregister erfolgte am 24. Februar 1896.
Der erste Sitz des neuen Unternehmens befand sich an der Kielstraße. In einem einfachen Fachwerkgebäude war dort ein Büro eingerichtet. Dazu gab es einen Lagerplatz.
Weil der Start der Eisenhandlung sich positiv entwickelte, wurde der vorhandene Raum rasch zu eng. Deshalb erwarb Schulte schon nach kurzer Zeit die Immobilie Nordstr. 28, auf der er einen Neubau für Büros und Wohnung errichtete.
Kooperation sicherte das Überleben – Schultes Handelsunternehmen wurde Aktiengesellschaft
Die Gründungsphase der Eisenhandlung Schulte fiel in die Krisenjahre 1899/1900. Um mit seinem jungen Unternehmen diese schwierige Zeit möglichst gut zu überstehen, setzte Heinrich August Schulte auf eine geschäftliche Kooperation. Schultes Partner wurde die Fa. Jacob Ravené Söhne & Co., Berlin. Gemeinsam gelang es, die Geschäftsbeziehungen auszuweiten. 1900 hatte Schulte bereits 20 Angestellte.
Zum 1. Oktober 1905 trat Viktor Toyka als Prokurist bei Heinrich August Schulte ein. Toyka hatte zuvor bei Ravené Karriere gemacht, indem er zum Handlungsbeauftragten aufgestiegen war. Mit ihm kam auch Albert Weinert nach Dortmund. Die beiden sollten später Führungsaufgaben übernehmen.
1906 wurde das Eisenhandels-Unternehmen von Heinrich August Schulte in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Das Aktienkapital belief sich auf 3.000.000 Mark. Dem Hauptsitz in Dortmund wurde das Zweiggeschäft von Ravené in Hannover angegliedert. Hannover wurde so zum zweiten Unternehmensstandort. Das Dortmunder Firmengelände war aufgrund der Erweiterung des Geschäftsbetriebes erneut zu klein geworden. Um die Kapazitäten zu erhöhen, wurden die Grundstücke Nordstr. 22-26 angekauft.
Heinrich August Schulte starb im Alter von 46 Jahren – Im Hafengebiet wurde ein großer Lagerplatz erworben
Am 16. März 1908 starb Heinrich August Schulte, der an der damaligen Kaiser Wilhelm-Allee (heute Hainallee) wohnte, im Alter von 46 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung. Er hinterließ seine Ehefrau und vier Kinder.
Unter den Todesanzeigen finden sich auch die des Dortmunder Kriegervereins und des Garde-Vereins Dortmund sowie des Verbandes reisender Kaufleute Deutschlands, Sektion Dortmund. Heinrich August Schulte fand auf dem Dortmunder Ostfriedhof seine letzte Ruhestätte.
Die Nachfolge von Heinrich August Schulte in der Unternehmensführung trat Viktor Toyka an. Ihm gelang es, die Geschäftsbeziehungen zu anderen Eisen-Handelsunternehmen auszubauen. Das erst kurz zuvor erweiterte Firmengelände an der Nordstraße erwies sich schon kurz nach dem Ankauf als zu klein. Auch fehlte ein eigentlich notwendiger Gleisanschluss an das Eisenbahnnetz.
Das Unternehmen sicherte sich deshalb 1908 zusätzlich am Hafen, Drehbrückenstr. 11 einen Lagerplatz für 20.000 t Material. In der Folge sprach man vom „Stadt-Lager“ und vom „Hafen-Lager“ des Unternehmens.
Lagerbestand brachte 5.000 Tonnen auf die Wage
Das Angebot der Fa. Heinr. Aug. Schulte, Eisenhandlung AG umfasste kurz vor dem Ersten Weltkrieg Stahlträger, Eisen-, Band- und Stabeisen, Bleche, Röhren aller Art, Armaturen, Installationsmaterial für Gas, Wasser und Dampf, Werkzeuge, Schrauben, Nieten, Drahtnägel, Bergwerks- und Hüttenbedarf und vieles mehr.
Der Lagerbestand betrug gemäß eines Werbeinserats aus dieser Zeit insgesamt 5.000 Tonnen. Zu der Zeit bildeten Viktor Toyka und Wilhelm Nacken sowie Max Busse in Hannover den Vorstand des Unternehmens. Es gab sechs Prokuristen, unter ihnen Albert Weinert.
Der Erste Weltkrieg brachte massive Einschnitte – Nach Kriegsende setzte ein Aufschwung ein
Wie in so vielen Fällen änderte sich die gute wirtschaftliche Stellung des Unternehmens auch bei Heinrich August Schulte mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. 120 Angestellte und 100 Arbeiter waren für die Firma zu der Zeit tätig. Ein Großteil wurde zum Militär eingezogen.
Große Schwierigkeiten bereitete aber auch eine von führenden Betrieben der Eisenindustrie ins Leben gerufene eigene Handelsorganisation, durch die nicht angeschlossene Unternehmen in schwere Bedrängnis gebracht wurden. Deshalb schloss sich Heinrich August Schulte 1917 der Deutsch-Luxemburger Bergwerks- und Hütten-AG, Abt. Dortmunder Union, Dortmund, an.
Nach Ende des Ersten Weltkrieges besserte sich die Lage für Heinrich August Schulte wieder. In Berlin wurde ein Zweiggeschäft gegründet. 1920 wurden weitere in Hamburg, Leipzig und Kassel ins Leben gerufen.
Der Vorstand bestand jetzt aus Viktor Toyka und Albert Weinert. Prokuristen waren in Dortmund, Hannover und Berlin tätig. Die Produktpalette war so vielfältig, wie sie es vor dem Krieg gewesen war.
Der Löwenhof wurde zum Stahlhaus – Lager und Löwenhof wurde wieder aufgebaut
Im Jahr darauf bezogen Vorstand und kaufmännische Angestellte der Heinr. Aug. Schulte AG den 1912/13 nach Plänen der Architekten Paul Lutter und Hugo Steinbach errichteten fünfgeschossigen „Löwenhof“ am Königswall, Ecke Hansastraße. Hier befanden sich im Erdgeschoss u. a. ein großes Restaurant und in der Etage darüber das bekannte „Elite-Café Löwenhof“.
In den oberen Etagen lagen Büroräume. Diese wurde im Jahr des 25jährigen Firmenjubiläums von Heinr. Aug. Schulte bezogen. Mit dem Einzug änderte sich auch das Erscheinungsbild des Löwenhofs zum Königswall, weil über den Löwenfiguren der Schriftzug „Stahlhaus“ anstelle des alten Schriftzuges „Löwenhof“ installiert wurde.
Der Löwenhof /das Stahlhaus brannte im Mai 1943 kriegsbedingt völlig aus. Auch der Lagerplatz am Dortmunder Hafen wurde zerstört. Alles wurde nach Kriegsende wieder aufgebaut. Nach 15 Monaten Wiederaufbau konnte auch der Löwenhof Ende 1949 wieder bezogen werden. Im Erdgeschoss gab es jetzt jedoch kein Restaurant mehr, sondern Ausstellungs- und Musterräume der Heinr. Aug. Schulte AG.
Ein Name verschwindet …
Die Ausstellung konnte nicht über den Verlust der Selbständigkeit des Unternehmens, das in der Nordstadt seinen Ursprung hatte, hinweg täuschen. Der erste Schritt wurde bereits mitten im Ersten Weltkrieg getan. Am 1. April 1926 war das Unternehmen dann mit der Dortmunder Union an die Vereinigten Stahlwerke AG, Düsseldorf übergegangen.
1954 ging die Heinrich August Schulte Eisen AG in die neu gegründete Handelsunion AG Düsseldorf auf. Diese wurde ab 1961 schrittweise durch die August Thyssen-Hütte AG übernommen und in Thyssen Handelsunion AG umbenannt.
Reader Comments
Ilse Engel
Ich habe Ihren Beitrag zu HAS sehr interessiert gelesen! Mein Vater hat mehr als 40 Jahre bei Heinrich August Schulte als Buchhalter gearbeitet, war im Betriebsrat und später im Aufsichtsrat. Er, meine Mutter und ich fühlten uns der Firma sehr verbunden. So war Ihr Beitrag heute für mich eine kleine Reise in die Vergangenheit! Danke!
Uli Rösler
Habe dort meine Ausbildung von 1967 bis 1969 absolviert und zwei Jahre als Jungangestellter gearbeitet. Die Firmengeschichte wurde uns im Werkunterricht vermittelt und deckt sich mit den o.g. Angaben. Das Gebäude, deren Architektur und Innenausstattung, damals auch die HV, habe ich von ganz unten bis ganz oben kennengelernt. Besonders hat mich der sog. Rittersaal (3. Etage Rtg. Hauptpost) damals beeindruckt.
P. S. Kann mich noch an einen BRV namens Scholz erinnern.