SERIE Nordstadt-Geschichte(n): Die frühen Jahre des Hindenburg-Realgymnasiums (heute Helmholtz-Gymnasium)

Ansicht der Hindenburg-Realgymnasiums um 1920/25. (Sammlung Klaus Winter)
Ansicht der Hindenburg-Realgymnasiums um 1920/25. (Sammlung Klaus Winter)

Von Klaus Winter

Um 1900 gab es in Dortmund mit dem traditionsreichen Stadtgymnasium, dem Bismarck-Realgymnasium und der Oberrealschule gerade einmal drei weiterführende Schulen. Für eine Stadt, deren Einwohnerzahl sich der 100.000er-Grenze näherte, war das Angebot an höherer Schulbildung demnach recht gering.

Gründung der neuen Schule als Verdienst des nördlichen Bürgervereins

Der Missstand drückte sich u. a. dadurch aus, dass das 1877/79 großzügig ausgeführte Gebäude der Oberrealschule am Hohen Wall kurz nach seinem 25jährigen Bestehen, im Schuljahr 1903, aus den Nähten platzte. Vier Klassen aus vier verschiedenen Jahrgängen mussten deshalb verlegt werden. Sie wurden zunächst in der damaligen Friedrich-Schule an der Schillerstraße untergebracht, unterstanden aber weiterhin dem Direktor der Oberrealschule.

Die Auslagerung von Klassen der Oberrealschule sollte sich als Startschuss für die Errichtung einer neuen höheren Lehranstalt in Dortmund erweisen – der ersten im Dortmunder Norden. Denn mit der Überweisung einer weiteren Klasse vom Hohen Wall zu Ostern 1904, wurden die nunmehr fünf Klassen zu einer eigenständigen Realschule zusammengefasst.

Dass die Gründung der neuen Schule im nördlichen Stadtteil erfolgte, wurde als Verdienst des nördlichen Bürgervereins angesehen. (In Dortmund bestanden damals mehrere Bürgervereine, die sich auf vielfältige Weise zum Wohle ihres Stadtbezirks einsetzten.)

Mit dieser Zeichnung vermittelte die „Dortmunder Zeitung“ in ihrer Ausgabe vom 30. März 1905 ihren Lesern einen ersten Eindruck von dem Schulneubau-Projekt an der Münsterstraße.
Mit dieser Zeichnung vermittelte die „Dortmunder Zeitung“am 30. März 1905 ihren Lesern einen ersten Eindruck von dem Schulneubau-Projekt an der Münsterstraße in der nördlichen Innenstadt.

Im März 1905 wurde ein Neubauprojekt an der Münsterstraße vorgestellt

Der Unterricht der neuen Realschule fand nun nicht mehr in der Friedrich-Schule statt, sondern in einem umgebauten Privathaus an der Münsterstraße. Das war aber wohl von Anfang an nur als Übergangslösung für einen kurzen Zeitraum vorgesehen.

Bereits im März 1905 wurde in der Tagespresse mit umfassenden Artikeln ein Neubauprojekt an der Münsterstraße, Ecke Haydnstraße vorgestellt, für das der Stadtbauinspektor Uhlig verantwortlich zeichnete.

Nach den Vorstellungen des Stadtbauinspektors sollte ein unsymmetrisches Ensemble aus Schule und Direktorenwohnhaus gebaut werden, dessen Schauseiten zur Münster- und zur Haydnstraße Stilelemente des Barocks aufweisen sollten.

Der Verzicht auf eine symmetrische Anlage wurde mit der Lage an dem gekrümmten Verlauf der Münsterstraße, den Maßen des Bauplatzes und der vorhandenen Wohnbebauung im Umfeld begründet.

Baukosten für Schule, Direktorenhaus und Nebenanlagen auf 597.000 Mark beziffert

Der Zeitungsleser wurde auch auf besondere Ausstattungsmerkmale hingewiesen: An der Straßenecke, wo das Gebäude bis an die Grundstücksgrenze reichen sollte, wurden die vom Schulbetrieb weniger in Anspruch genommenen Räume untergebracht.

Die Klassenzimmer dagegen lagen in dem nördlichen Gebäudetrakt und von der Straße abgewandt, so dass der Straßenlärm sich nicht ungünstig auf den Unterricht auswirken konnte.

Im Kellergeschoss (Deckenhöhe 3,30 m) sollte außer der Hausmeisterwohnung eine 290 qm große Turnhalle untergebracht werden, die den Schülern bei schlechtem Wetter als Pausenhalle dienen sollte.

Dagegen war die Aula mit einer Grundfläche von 300 qm im 2. Obergeschoss vorgesehen. Die Schule sollte zudem verschiedene Spezialräume erhalten, wie einen gemeinsamen Lehrsaal für den Physik- und Chemieunterricht und Zeichensäle im Dachgeschoss.

Die Baukosten für Schule, Direktorenhaus und Nebenanlagen wurden inklusive Straßenbaubeiträgen, Mobiliar und Lehrmittel mit 597.000 Mark beziffert.

Denkmalgeschützte Fassade in neuem Glanz: Natursteinfassade und Holzfenster des Helmholtz-Gymnasiums wurden in Handarbeit saniert.
Denkmalgeschützte Fassade 2016 in neuem Glanz: Natursteine und Holzfenster wurden in Handarbeit saniert.

Schule wurde nach nur 19 Monaten Bauzeit im April 1907 feierlich eröffnet

Zwei Jahre nach der Vorstellung des Bauprojekts und nach nur 19 Monaten Bauzeit wurde die Schule im April 1907 feierlich eröffnet. Zufrieden konnte man feststellen, dass die Baumaßnahme rund 20.000 Mark günstiger abgeschlossen worden war, als man veranschlagt hatte.

Vertreter der Stadt, die Lehrerschaft, die Eltern nahmen in großer Zahl an dem Festakt zur Einweihung der Schule teil. Stadtbaurat Kullrich eröffnete die Reihe der Festredner.

U. a. führte er aus: „Herr Oberbürgermeister Schmieding hat, bevor er den Schlüssel in die Hände des Direktors legte, ihm zu einer Besichtigung der einzelnen Räume zu folgen. Der Rundgang währte fast eine Stunde. Alle, die Gelegenheit hatten, den Innenbau zu sehen, waren erstaunt über die meisterhafte Anordnung des Ganzen. Ein solch modernes Schulhaus hat kaum eine andere Stadt der Provinz aufzuweisen.

Nach Stadtbaurat Kullrich betraten weitere Redner das Podium, u. a. Oberbürgermeister Schmieding, Professor Dr. Stoltz als Direktor der Oberrealschule und Direktor Schneider, der seine Antrittsrede als Leiter der neuen Schule hielt. Musikalische Beiträge rundeten die Feierlichkeit ab.

350 Schüler zogen in das markante Gebäude an der Münsterstraße ein

Als das noch heute diesen Abschnitt der Münsterstraße prägende Gebäude dem Schulbetrieb übergeben wurde, zogen 350 Schüler ein. Ein Teil von ihnen hatte vorher das Bismarck-Realgymnasium an der Luisenstraße besucht.

Dort war die Schülerzahl in den vergangenen Jahren ebenfalls stark gestiegen, weshalb auch hier Raummangel herrschte. So kam es, dass der Direktor des Realgymnasiums jährlich etwa 40 neuangemeldete Schüler an die neue Schule an der Münsterstraße überwies.

Davon berichtet die beinahe als Anekdote einzustufende Überlieferung, dass der Direktor des Bismarck-Realgymnasiums, Auler, die Schüler in den ersten Jahren immer persönlich zur Schule an der Münsterstraße führte.

Schüler aus dem Bismarck-Realgymnasiums hatten Angst vor der Nordstadt

Ein Blick in die patriotisch geschmückte Aula der Schule während des Ersten Weltkrieges. Auf dem Tisch ein hölzernes „Eisernes Kreuz“, in dem die Schüler gegen eine Geldspende einen Nagel einschlagen durften. Nagel-Aktionen dieser Art gab es im Ersten Weltkrieg in vielen Formen und waren auch an Schulen weitverbreitet. (Sammlung Klaus Winter)
Ein Blick in die patriotisch geschmückte Aula während des Ersten Weltkrieges. Auf dem Tisch ein hölzernes „Eisernes Kreuz“, in dem die Schüler gegen Geldspende einen Nagel einschlagen durften. (Sammlung Klaus Winter)

„Trotzdem konnte er es nicht verhindern, daß ihm unterwegs hin und wieder ein Junge, der von der nördlichen Schule trotz ihres schönen Gebäudes die schlimmsten Vorstellungen hatte, ausriß und sich irgendwo anders in Sicherheit brachte. […] Als aber die Jungen mit der Zeit merkten, daß die Lehrer an der nördlichen Schule keine Unmenschen waren, […] da war keine Überweisung von der einen zur anderen Schule mehr nötig“ und die Schule wuchs aus eigener Kraft.

Mit der Überweisung der Schüler von der Luisenstraße an die Münsterstraße fand neben dem Ortswechsel für diese kein Wechsel der Schulform statt. Vielmehr entstand an der Münsterstraße ein zweites Realgymnasium.

Auch hieran hatte der nördliche Bürgerverein mitgewirkt. 1909 hielt der Schuldirektor Schneider vor dem nördlichen Bürgerverein einen Vortrag über die verschiedenen Schulsysteme in der Stadt und empfahl „als den einfachsten Weg um zu einer neuen höheren Schule im nördlichen Stadtteil zu gelangen, die Verbindung der Realschule mit einem Reformrealgymnasium“, bei dem die unteren Klassen gemeinsam unterrichtet wurden, bevor die Trennung in den einen oder anderen Zweig erfolgte.

„Doppelanstalt“ hatte 36 Lehrer und  800 Schüler

Der nördliche Bürgerverein folgte der Argumentation des Direktors und überzeugte in der Folge den Magistrat der Stadt. Die „Doppelanstalt“ entwickelte sich prächtig. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre lehrten 36 Lehrer 800 Schüler!

Im Verlauf des Ersten Weltkriegs wurde die Schule nach dem damaligen Feldmarschall, dem späteren Reichspräsidenten Hindenburg benannt; zuvor hatte sie keinen Namen geführt.

An der Münsterstraße wurde Sport groß geschrieben. Die Schule war die erste höhere Lehranstalt in der Provinz Westfalen, in der ein für alle Schüler verbindlicher Spielenachmittag eingeführt wurde. Wohl deshalb war das Realgymnasium bei den Westfälischen Bannerkämpfen führend!

Innovationen auf dem Feld der flexiblen Unterrichtsgestaltung

Innovativ war die Schule auch auf dem Feld der flexibleren Unterrichtsgestaltung. Mit Zustimmung des städtischen Schulausschusses und der zuständigen staatlichen Behörden wurden die beiden obersten Klassen in einen sprachlichen und einen mathematischen-naturwissenschaftlichen Zweig aufgeteilt und den Schülern die Möglichkeit gegeben, nach ihrer Neigung sich für einen dieser beiden Zweige zu entscheiden.

Obwohl man damit nach eigener Einschätzung gute Erfahrungen machte, bestand die Wahlmöglichkeit nur wenige Jahre: „Leider wurde dieser der Jugend so sehr entgegenkommenden Einrichtung durch die allgemeine Reform der Lehrpläne 1925 ein jähes Ende bereitet.

August 1945

Die Stadt Dortmund fasst die Hindenburg-Oberschule und die Ludendorff-Oberschule zum Helmholtz-Gymnasium zusammen.

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Aufruf: Wir suchen alte Bilder, Postkarten
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Wir möchten in den nächsten Monaten weitere Nordstadt-Geschichte(n) veröffentlichen. Aber dafür sind wir auf Input angewiesen. Vor allem sind wir an alten Postkarten und Fotos aus der Nordstadt interessiert.

Gleiches gilt aber auch für Zeitzeugenberichte. So würden wir gerne auch mehr Bilder zu den Beiträgen zeigen und Erinnerungen  hören – letztere gerne als Kommentare zum Artikel.

Aber auch an Abbildungen von und aus  den Telekom- bzw. Postgebäuden an der Schützenstraße  sowie an der Krimkapelle sind wir interessiert. Kontakt: info@nordstadtblogger.de

 

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Reader Comments

  1. heavy Pete

    Ich schätze die journalistische Arbeit von den Nordstadtbloggern sehr. Für mich ist das eine wichtige Informationsquelle über mein Umfeld. Ich würde mich freuen wenn Sie im März etwas über die Krimkapelle in der Krimstraße schreiben könnten. Sie ist im zweiten Weltkrieg zerstört worden.

    Sie gehörte ursprünglich der römisch katholischen Kirche und ging an die reformierte sog. altkatholische Kirche über. Am 11. März wird die neue altkatholische Kirche für Dortmund und Umgebung, in Kley, geweiht daher wäre es schön von der Geschichte zu lesen.

    Die Altkatholische Diakonie hat u. a. auch den Förderverein der Grundschule Kleine Kielstraße unterstützt mein ich zumindest. Die Kirche ist sehr weltoffen und modern. Daher fände ich das schon schön wenn sie bekannter gemacht worden wäre.

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