Von Klaus Winter
Zur Zeit des Ersten Weltkrieges waren weite Teile der Nordstadt, die heute bebaut sind, noch Wiesen, Acker- und Gartenland. So stand an der Gut-Heil-Straße nur ein Haus an der Einmündung in die Münsterstraße, und Wohnhäuser befanden sich im nördlichen Winkel von Lortzing- und Burgholzstraße. Ansonsten gab es auf dem ganzen Gelände zwischen Burgholz-, Gut-Heil-, Magdeburger und Lortzingstraße nur die evangelische Harkortschule, Burgholzstraße 120. Nach Kriegsende – so der Plan der Stadtspitze – sollte sich das ändern.
Gesunde Wohnungen für die arbeitende Bevölkerung
Auf der freien, mehr als fünfzig Morgen großen Fläche zwischen Burgholz-, Gut-Heil-, Magdeburger und Lortzingstraße sollten gesunde Wohnungen für die arbeitende Bevölkerung entstehen.
Auch ein Marktplatz, Kirche und Schule waren geplant. Grüne Straßen sollten das Baugebiet erschließen und freie Plätze zur Auflockerung beitragen.
Der damalige Stadtbaurat Hans Strobel hat in seinem 1920 erschienen Buch „Dortmund. Bilder und Worte über Sein und Werden der Stadt“ die Idee dokumentiert. Es findet sich darin auch der Hinweis auf eine besondere Platzgestaltung.
Bäume und Blumen, Teich und Sitzbänke
Aufgrund einer Anregung aus der Bürgerschaft des nördlichen Stadtteils plante Stadtbaurat Strobel einen rechteckigen Platz. Mit einer Schmalseite sollte er an die Burgholzstraße stoßen, und zwar etwa dort, wo auf der gegenüber liegenden Straßenseite die Steigerstraße abzweigte.
Der neue Platz sollte von Bäumen und einer brüstungshohen Mauer mit eingearbeiteten Sitzbänken umrahmt werden und in seiner Mitte einen ebenfalls rechteckigen, blumengefassten Teich erhalten.
Ein Steinmosaik sollte das Highlight werden
Das Highlight des Platzes sollte aber zwischen Teich und Burgholzstraße liegen: ein quadratisches Steinmosaik, das von Symbolik nur so strotzte. Ein stilisierter Berg aus Kohlen, aus dessen Spitze Flammen schlagen, davor ein mit der Spitze nach oben zeigendes Reichsschwert, alles vor goldenem Hintergrund und in einem Kreis dargestellt, sollten in der Mitte des Mosaiks stehen.
Der Kreis war von zwei Friesen umgeben, die den Rand von Quadraten bildeten. Der innere Fries war vorgesehen als eine Aneinanderreihung von Kriegssymbolen wie Kanonen, Kriegsschiffe, U-Boote und anderes, aber auch Kriegsflaggen, das Eiserne Kreuz und das Rote Kreuz.
Das äußere Fries sollte dagegen Friedenssymbole aufweisen, die Handel und Industrie, Kunst und Wissenschaft, Rechtspflege und Volkswohlfahrt würdigten. Außerdem enthielt der Entwurf eine ganze Reihe Inschriften: Kriegszitate, die Namen deutscher Heerführer, die Orte großer Schlachten und andere.
Der Kunstgewerbeschullehrer Kaletsch fertigte in Zusammenarbeit mit dem Stadtbaurat Strobel den Ausführungsentwurf des Mosaiks in allen Details an. Die großformatige Zeichnung wurde am letzten Tag der Kriegsausstellung im Saalbau Fredenbaum ausgestellt.
Mosaik sollte zweites Kriegswahrzeichen der Stadt werden
Wegen des starken Bezugs zum andauernden Krieg, nicht zuletzt aber auch wegen seines kostspieligen Steinmosaiks sprachen einige von einem zweiten Kriegswahrzeichen der Stadt Dortmund.
Das erste Kriegswahrzeichen war der so genannte Eiserne Reinoldus am alten Rathaus im Zentrum der Stadt. Es handelte sich dabei um eine überlebensgroße hölzerne Reinoldus-Statue, in die gegen eine Spende zu Gunsten des Kriegsliebesdienstes Nägel eingeschlagen und kleine Täfelchen angebracht werden konnten.
Eine kleinere Kopie des zerstörten Reinoldus, die aber immer noch überlebensgroß ist, befindet sich heute im alten Stadthaus.
Kosten sollten durch Stiftungen gedeckt werden
Der neue Platz mit dem Steinmosaik, für den der Name Richard-Wagner-Platz vorgesehen war, sollte nicht allein auf Kosten der Stadt angelegt werden. Vielmehr war erwünscht, dass die Industrie, Handel und Gewerbe, aber auch die Bürgerschaft Stiftungen machten. Die Stadt selbst stellte 15.000 Reichsmark zur Verfügung.
Tatsächlich unterstützten lokale Industrieunternehmen das Vorhaben, so dass bald ein hoher fünfstelliger Betrag vorhanden war. Nach dem Krieg sprach man von 120.000 Reichsmark.
Unterstützung kam auch von dem Großgrundbesitzer Schulte-Witten aus Dorstfeld. Nach Verhandlungen mit dem Museumsdirektor Baum, schenkte er der Stadt das Grundstück, auf dem der Platz entstehen sollte.
Bauverbot und Planänderungen
Solange der Krieg andauerte, konnten die Arbeiten an dem neuen Platz jedoch nicht beginnen. Zu der Zeit galt ein militärisches Bauverbot. Nach dem Krieg hatte man dagegen andere Sorgen.
Im Jahre 1920 hieß es, dass mit Hilfe der eingegangenen Stiftungsgelder, die verzinsbar angelegt waren, die Anlage eines Erholungsplatzes an dieser Stelle erfolgen solle. Auch dieses Projekt wurde nicht realisiert.
Zwei Jahre später war die Rede davon, dass die vorhandenen Mittel zur Errichtung eines Gedächtnismales für die gefallenen Dortmunder Krieger auf dem Ehrenfriedhof des Südwestfriedhofes verwendet würden.
Das 1917 als Baugebiet ins Auge gefasste Gelände zwischen Burgholz-, Gut-Heil-, Magdeburger und Lortzingstraße ist längst bebaut. Die im Ersten Weltkrieg entwickelten Pläne hatten jedoch anders ausgesehen.