Von Klaus Winter
Das Burgholz ist ein uraltes Waldgebiet, das heute als solches aber nicht mehr wahrgenommen wird. Hier befand sich ab dem Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs hinein das „Forsthaus Burgholz“. Es lag an der Grenze der Nordstadt zu Eving, zwischen dem Nordfriedhof und den heutigen Straßen Am Zechenbahnhof und Burgholzstraße. Aber die aktuelle, erst in der Nachkriegszeit entstandene Straßenführung weicht erheblich von der älteren ab: Deshalb würde das Forsthaus, stände es noch, heute keine idyllische Waldlage mehr haben.
Oberbürgermeister Schmieding wünschte sich ein Schweizerlandhaus im Burgholz
Die Geschichte des Forsthauses begann 1890. Damals wurde das Burgholz an seiner Westgrenze um ein Grundstück erweitert, das vorher der städtischen Armenverwaltung gehört hatte. Das neue Gelände sollte in Art eines Waldparks hergerichtet und durch Anpassung des Wegesystems an das Burgholz angegliedert werden.
Der damalige Oberbürgermeisters Schmieding zeigte persönliches Interesse an der Entwicklung des Projekts. Er favorisierte die Idee, auf dem Erweiterungsgrundstück des Burgholzes ein „Schweizerlandhaus“ erbauen zu lassen und einen großen Rasenplatz mit einem Weiher und einem Springbrunnen anzulegen.
Stadbauinspektor Kullrich entwarf das Forsthaus
Aus dem Schweizerlandhaus wurde im Verlaufe der Planung ein „kleines Haus, welches als Wohnung für einen Flurschützen oder Waldwärter dienen könnte“. Dem sollte es gestattet werden, Erfrischungen wie Milch und Kaffee an Spaziergänger zu verkaufen.
Für den Aufenthalt der Gäste sollte an das Haus eine Halle angebaut werden. Dadurch erhielt das Gesamtbauwerk doch stattliche Ausmaße.
Das Forsthaus wurde schließlich nach Plänen des damaligen Stadtbauinspektors Kullrich errichtet. Anfang 1893 wurden die Bauarbeiten ausgeschrieben, zum 1. November war es bis auf kleine Restarbeiten fertiggestellt.
Polizeibeamter übernahm die Wirtschaft
Die Einrichtung war allerdings erst Anfang Juni 1894 vollständig beschafft. Trotzdem war das Forsthaus schon vor diesem Zeitpunkt ein Ausflugsziel. „Das neue Forsthaus im Burgholz war am Sonntagnachmittag recht zahlreich besucht“, hieß es Mitte Februar d. J. in einer Zeitung.
Erster Bewohner des Forsthauses war ab dem 1. Mai 1894 der Polizeisergeant Wilhelm Lehmann. Er wohnte zunächst mietfrei, nach einem Jahr wurde von der Stadt eine „mäßige“ Miete festgesetzt, die später verdoppelt wurde. Schließlich zahlte Lehmann auch Pacht für den Wirtschaftsbetrieb.
Lehmann übernahm nicht nur die Rolle des Wirts. Er blieb auch noch mehrere Jahre in polizeilichen Diensten, doch beschränkte sich seine Aufgabe in dieser Funktion auf die Aufrechterhaltung der Ordnung im Burgholz.
Stadt hatte Speise- und Getränkekarte festgesetzt
Das Forsthaus hatte eine von der Stadt festgesetzte Speise- und Getränkekarte. Zu niedrigen Preisen sollte der Gast Kaffee, Milch und Mineralwasser, Butterbrote und Eierspeisen erhalten. Familien hatten die Möglichkeit, ihren Kaffee in der Küche des Forsthauses selber kochen zu können.
Von der ursprünglichen Idee wich man aber noch vor der Eröffnung des Forsthauses ab und erweiterte das Angebot um Flaschenbier, Wein und „besseren Liqueur resp. Cognac“.
Erster Wirt starb 1903
1902 bemerkte Lehmann einen Forstfrevel im Burgholz nicht, weil er erkrankt war und das deshalb das Haus nicht verlassen konnte. Damit war er als Ordnungskraft nicht mehr tragbar. Da zu der Zeit die polizeiliche Aufsicht über das Burgholz mit der Wirtschaft im Forsthaus verbunden war, wurde Lehmann gekündigt.
Die Kündigungsfrist betrug ein Jahr. Doch Lehmann starb vor ihrem Ablauf im März 1903. Seine Witwe konnte noch bis zum 15. November 1903 im Forsthaus bleiben.
Vierzig Interessenten wollten Forsthaus übernehmen
Die freigewordene Stelle im Forsthaus wurde öffentlich ausgeschrieben. Die Resonanz war groß, denn vierzig Personen waren interessiert, die Wirtschaft im Burgholz zu übernehmen.
Neuer Wirt wurde der gelernte Koch Heinrich Kemper und mit ihm kamen Veränderungen: So wurde auf Kosten der Stadt im Forsthaus ein Schankbuffet mit Zapfanlage eingebaut und die bekannt mangelhafte Abwasserführung verbessert. Einen Telefonanschluss ließ sich Kemper auf eigene Kosten legen.
1909 weigerte sich das Städtische Elektrizitätswerk zunächst, das Forsthaus an das Stromnetz anzuschließen, da die Einnahmen in keinem Verhältnis zu den hohen Anlagekosten ständen; die Wirtschaft lag zu weit außerhalb. Kemper erhielt schließlich 1910 doch elektrischen Strom, weil er einer Pachterhöhung um 75 Mark zustimmte.
Mit dem Ersten Weltkrieg brachen magere Zeiten an
Im Verlaufe des Ersten Weltkrieges wurde Kemper Soldat. Etwa zwei Jahre fehlte er im Burgholz. Seine Ehefrau führte das Forsthaus unter erschwerten Bedingungen weiter. Das Forsthaus war im Wesentlichen eine Sommerwirtschaft.
Selbst in einem normalen Winterhalbjahr konnten kaum die laufenden Kosten erwirtschaftet werden. Denn außer Trauergesellschaften, die vom Nordfriedhof kamen, fanden sich dann kaum Gäste ein.
Unter Kriegsbedingungen verschärfte sich die Situation. Frau Kemper musste als Ersatz für ihren zum Militär eingezogenen Mann neues Personal einstellen, Kredite aufnehmen und doch feststellen, dass die Gäste ausblieben, weil die Kaffee- und Bierqualität immer schlechter wurden. Als Heinrich Kemper in das Burgholz zurückkehrte, nahm er eine Stelle als Hilfspolizist an, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen.
Wirt Kemper wurde als Forsthaus-Pächter in Frage gestellt
Die Stadt, die den Kempers mit Miet- und Pachtreduzierungen entgegengekommen war, wollte in den Nachkriegsjahren ihre Einnahme aus dem Forsthaus wieder erhöhen. Man versuchte es über einen neuen Pächter. 16 Interessenten meldeten sich, doch schließlich konnte Kemper im Forsthaus bleiben.
Heinrich Kemper starb am 27. Januar 1925. Die Witwe Hedwig Kemper übernahm, unterstützt von einem Verwandten, wie im Krieg die Führung des Forsthauses. Zum 31. März 1928 wollte die Stadt das Pachtverhältnis mit ihr lösen. Doch die Witwe kämpfte um ihre Existenz!
Witwe kann Pachtvertragsverlängerung erreichen
„Wir haben in der Kriegs-und Nachkriegszeit schwere Zeiten durchmachen müssen und dabei die Ersparnisse aus den früheren Jahren zugesetzt. Der Tod und die längere Erkrankungen meines Mannes haben ebenfalls größere Unkosten verursacht“, schrieb sie an die Stadt. Die Witwe hatte in den letzten Jahren sogar auf eigene Rechnung, von den letzten Reserven das Haus innen und außen streichen lassen.
Der Pachtvertrag wurde schließlich verlängert. Unterlagen im Dortmunder Stadtarchiv belegen, dass das zumindest bis 1934 der Fall war. Auch das „Örtliche Fernsprech-Verzeichnis für Groß-Dortmund“, Ausgabe Oktober 1942, kennt noch „H. Kemper, Gaststätte, Burgholzstr. 235“.
Das Ende des Forsthauses im Burgholz kam durch den – kriegsbedingten? – Ausfall von Grundwasserpumpen: Wie auf dem benachbarten Nordfriedhof war der Grundwasserspiegel auch hier oberflächennah. Das Forsthaus brach in sich zusammen.
Hedwig Kemper wohnte zuletzt bei Verwandten an der Bornstraße. Sie starb am 22. September 1947.