Von Klaus Winter
62 Bergleute hatten im August 1893 durch eine fürchterliche Schlagwetterexplosion auf der Zeche Kaiserstuhl, Schacht I, den Tod gefunden. Unglücke dieser Art und mit vielen Todesopfern waren im Ruhrgebiet mit seiner großen Zechendichte nicht selten. Und es war auch keineswegs ungewöhnlich, dass eine Zeche, auf der sich bereits einmal eine solche Katastrophe ereignet hatte, nochmals betroffen wurde. So traf es auch die Belegschaft der Zeche Kaiserstuhl Ende 1897 erneut.
Katastrophe ereignete sich kurz vor dem Weihnachtsfest
In Dortmund befassten sich viele mit den letzten Weihnachtsvorbereitungen, als am 22. Dezember 1897, kurz nach 6 Uhr abends die ersten Schreckensnachrichten durch die Stadt eilten. Auf der Zeche Kaiserstuhl II war ein Unglück geschehen.
In einem rasch herausgegebenen Extrablatt der „Dortmunder Zeitung“ hieß es, dass der Unglücksort auf der dritten Sohle und zwar in der nördlichen Bauabteilung des Flözes 12 lag. Es war bereits von 20 Todesopfern die Rede.
Helfer waren am Unglücksort vorhanden
Bergrat von Dassel, der sich gerade auf der Zeche aufhielt, übernahm mit dem Direktor Hilbck sofort die Leitung der Rettungs- und Bergungsarbeiten. Viele Bergleute stellten sich umgehend für diese gefährliche Aufgabe zur Verfügung. Auch benachbart gelegene Zechen wollten Hilfsmannschaften schicken, doch lehnte man diese Hilfe ab, weil genügend Helfer an Ort und Stelle waren.
Eine besondere Rolle bei der Rettungsaktion fiel dem Betriebsführer des Schachts Kaiserstuhl II, Heinrich Schulte zu. Durch sein umsichtiges Handeln rettete er weitere Leben und schuf die Ausgangsbasis für die einsetzenden Bergungsarbeiten.
Kaum hatte er die Explosion wahrgenommen, ordnete er an, den großen Pelzerschen Ventilator der Zeche, der eine maximale Leistung von 3.000 Kubikmeter pro Minute schaffte, auf die höchste Tourenzahl zu schalten. So sollte möglichst viel frische Luft in die Stollen geführt werden. Schulte dachte auch daran, zwei Mann abzustellen, die die Achsen des Ventilators fortwährend schmierten, damit der Ventilator nicht heiß lief und womöglich ausfiel.
Betriebsführer und Steiger leiteten die giftigen Nachschwaden ab
Die auf der zweiten Sohle, also oberhalb der Unglücksstelle arbeitenden, etwa 25 Bergleute wurden schnellstmöglich gewarnt, sich unverzüglich in Sicherheit zu bringen. Es bestand die Gefahr, dass die giftigen Gase von der dritten Sohle zur zweiten aufsteigen und weitere Opfer fordern könnten. Doch allen gelang rechtzeitig die Flucht.
Betriebsführer Schulte und Steiger Will, die mit den Verhältnissen in ihrem Schacht bestens vertraut waren, regelten persönlich die Luftströme unter Tage. Sie öffneten Wettertüren und schlossen andere und leiteten dadurch die Nachschwaden auf einen Wege, bei dem niemand einer Gefahr ausgesetzt wurde, aus der Grube. Dabei waren Schulte und Will selber Nachschwaden ausgesetzt.
Verletzte erhielten Erste Hilfe von herbeigeeilten Ärzten – Helfer drohte selber zu einem Opfer zu werden
Bereits kurz nach der Explosion konnten mehrere Verletzte, aber auch die ersten Leichen geborgen werden. Die Verletzten wurden in die Steigerstube gebracht und erhielten von drei herbeigeeilten Ärzten erste Hilfe. Gleichzeitig wurden die Krankenhäuser verständigt.
Bis etwa 19.30 Uhr waren acht Leichen und sieben Schwerverletzte aus der Grube geholt. Dann stockte die Suche nach den letzten acht Vermissten. Die Zerstörungen unter Tage erschwerten das weitere Vordringen der Hilfsmannschaften stark.
Was sich unter Tage für Dramen abspielte, zeigt diese Schilderung aus der „Dortmunder Zeitung“: Der Bergingenieur Putsch hatte sich bei den Rettungsarbeiten allein zu weit vorgewagt.
Der Steiger Emde bemerkte, dass Putsch nicht mehr zurückkehrte. Deshalb ging er diesem nach und fand Putsch, der auf einem Bergmann lag, der Opfer der Explosion geworden war.
Offensichtlich hatte der Ingenieur selber giftige Gase eingeatmet. Emde zog beide aus der Gefahrenzone. Es gelang ihm, Putsch wiederzubeleben. Doch für den von Putsch gefundenen Bergmann kam jede Hilfe zu spät.
Die Krankenhäuser konnten den Schwerverletzten nicht mehr helfen
Bis 23 Uhr waren 16 Tote und sieben Verletzte unter schwierigsten Bedingungen geborgen. Bergrat von Dassel und Direktor Hilbck hatten die Zeche nicht verlassen, bevor das letzte Unglücksopfer zu Tage gebracht worden war.
Je ein Verletzter war im Verlaufe der Nacht im Luisen- und im Johanneshospital verstorben. So dass die Zahl der Toten auf 18 stieg. Allerdings befürchtete man weitere Todesopfer, denn im Johanneshospital schwebten noch zwei Bergleute in Lebensgefahr. Beiden konnte nicht mehr geholfen werden.
Am Morgen des 23. Dezember wurden auch die Angehörigen der Verunglückten zu den Toten geführt. Hier spielten sich „herzzerreißende Szenen“ ab.
Unglücksopfer fanden ihre letzte Ruhestätte auf dem Ostfriedhof
Die Beisetzung der Verunglückten fand am Zweiten Weihnachtsfeiertag 1897 unter großer Teilnahme der Dortmunder Bevölkerung statt. Achtzehn Bergleute fanden ihre letzte Ruhestätte auf dem Ostfriedhof. Ihre Gräber liegen in Sichtweite der Stelle, an der die Opfer der Schlagwetterexplosion von 1893 bestattet worden waren.
Die Namen der Bergleute wurden auf einem monumentalen Grabmal verewigt. Wer das Denkmal angefertigt hat und wann es aufgestellt wurde, ist auf ihm nicht vermerkt. Die Schlagwetterexplosion von 1897 war nicht die letzte Katastrophe, der Bergmänner der Zeche Kaiserstuhl bei der Ausübung ihres Berufes zum Opfer fielen.