Die Auslandsgesellschaft setzt sich nicht nur für Völkerverständigung, Humanität und interkulturelle Toleranz ein. Sie lebt das auch. Bestes Beispiel sind Yoko und Horst Schlütermann aus Unna. Die Japanerin hat ihren deutschen Mann in einem Sprachkurs kennengelernt, den sie 1972 im Auftrag der Auslandsgesellschaft angeboten hat. Aus der Lehrerin und ihrem Sprachschüler wurde ein Paar, das nun seit über 40 Jahren miteinander verheiratet ist. Mehr Völkerverständigung geht kaum.
Ehepaar kümmert sich vor allem um die Opfer der Nuklearkatastrophe, die sich in Fukushima ereignet hat
Doch Yoko und Horst Schlütermann kümmern sich nicht nur um ihr eigenes Glück. Sie kümmern sich vor allem um die Opfer der Nuklearkatastrophe, die sich in Fukushima ereignet hat.
Und seit noch viel mehr Jahren bemühen sie sich um den Abbau von gegenseitigen Vorurteilen und Missverständnissen und wollen ein reales Bild vom so genannten Land der aufgehenden Sonne vermitteln.
Yoko Schlütermann erinnert sich schmunzelnd. „Als ich Anfang der 1970er-Jahre nach Deutschland kam, bin ich oft gefragt worden, ob es denn in Japan auch Autos oder Fernseher gäbe. Und oft ist mir das Vorurteil begegnet, dass ich aus einem Land ohne Bildung und Wohlstand komme. Da wurde ganz Asien in einen Topf geworfen.“
Umgekehrt war es nicht besser. Nicht wenige Japaner waren davon überzeugt, dass Deutsche Bayern sind, in Lederhosen herumlaufen und jodeln.
Mentalitätsunterschiede: Die Japaner sind wesentlich höflicher und zurückhaltender im Umgang
Heute sei man gegenseitig viel besser informiert, sagt Yoko Schlütermann. Doch nach wie vor würden Deutsche oft Japan und China verwechseln, vor allem beim Essen. Und nach wie vor gebe es gravierende Mentalitätsunterschiede.
Die freundliche Kurzform von Yoko Schlütermann lautet: Die Japaner sind wesentlich höflicher im Umgang. „Mit dieser deutschen Mentalität hatte ich jahrelang sehr große Probleme, zumal japanische Mädchen sehr zurückhaltend erzogen werden und auch nicht direkt ihre Meinung sagen.“
Immerhin: Die junge Yoko setzte sich gegenüber ihren Eltern durch und erkämpfte sich nach dem Studium ein Auslandsjahr in Europa. Bei einem Praktikum in einer Jugendherberge in Bielefeld wurde ihr die Dortmunder Auslandsgesellschaft als „tolle Sprachenschule“ empfohlen. Bald gab sie dort selbst Sprachkurse. Doch dass sie dort ihren späteren Ehemann kennen lernen und für immer in Deutschland bleiben sollte, ahnte die junge Frau damals nicht.
„Eine Diskriminierung von Japanern kann ich heute in Deutschland nicht mehr feststellen“
Viel ist seitdem passiert. „Eine Diskriminierung von Japanern kann ich heute in Deutschland nicht mehr feststellen“, sagt Yoko Schlütermann. „Ganz im Gegenteil. Unser Volk genießt eine hohe Sympathie.“ Ihr Mann nickt: „Die Japaner gelten als intelligent, fleißig und höflich. Und es hat sich längst herum gesprochen, dass es sich bei Japan um ein hoch zivilisiertes Land handelt.“
Umso größer war der weltweite Schock, dass sich in einem so modernen und fortschrittlichen Land die Nuklearkatastrophe von Fukushima ereignet. Yoko Schlütermann spricht von einer Dreifachkatastrophe und meint damit auch das Erdbeben und den Tsunami, die Japan 2011 erschütterten. Auch das Ehepaar Schlütermann war fassungslos – und zog seine Konsequenzen. Man änderte den Schwerpunkt der Arbeit in der Deutsch-Japanischen Gesellschaft.
Bis 2011 ging es dem Ehepaar vor allem um die Vermittlung der japanischen Kultur. Japanologen hielten Vorträge, es gab Kochkurse oder Ausstellungen. Auch heute noch gibt es Kulturveranstaltungen oder Workshops zum Manga-Lesen, die junge Menschen ansprechen. Aber vor allem kümmert sich die Deutsch-Japanische Gesellschaft um die Kinder aus dem japanischen Katastrophengebiet Fukushima.
Ehepaar sammelte 235.000 Euro: 750 Kindern Sommerferien auf Okinawa ermöglicht
„Wir arbeiten daran, dass Fukushima nicht in Vergessenheit gerät. Man hört heute kaum noch etwas über die Opfer, die immer noch leiden. Diese Menschen sind weiterhin der Radioaktivität ausgesetzt. 300.000 davon sind Kinder, bei denen auch verstärkt Schilddrüsenkrebs festgestellt wird“, sagt Horst Schlütermann, der sich mit seiner Frau selbst in Fukushima umgesehen hat.
Die Deutsch-Japanische Gesellschaft sammelt seitdem Spenden. Und sie staunt über die Hilfsbereitschaft, auf die sie trifft. Selbst von Schulklassen und Kindergärten kam Geld. Nach Veröffentlichungen im Internet trafen Spendengelder aus dem Sauerland ebenso wie aus Potsdam ein. „Mit einer solchen Hilfsbereitschaft haben wir nie gerechnet“, sagt Yoko Schlütermann.
235.000 Euro wurden bereits gesammelt, um bislang 750 Kindern Sommerferien auf der Insel Okinawa zu ermöglichen. „Dieser Ort liegt 2200 Kilometer von Fukushima entfernt. Dort können sich die Kinder erholen, ihr Immunsystem stärken und sich vor allem auch mal wieder in der Natur und am Meer aufhalten“, erklärt Yoko Schlütermann.
Unermüdlicher Einsatz für Kinder – Dortmunder Hilfsaktion geht weiter
Viele Organisationen und Privatpersonen unterstützen die Deutsch-Japanische Gesellschaft bei ihrem unermüdlichen Einsatz für die japanischen Kinder. Unverzichtbar sind dabei die Unterstützung einer Jugendherberge auf Okinawa und die Hilfe des internationalen Caritas-Verbandes, der eine kräftige finanzielle Unterstützung gewährt und dafür garantiert, dass die Gelder auch vor Ort ankommen.
Es versteht sich fast von selbst, dass die Deutsch-Japanische Gesellschaft klar Stellung gegen Atomkraft bezieht. „Da arbeiten wir auch mit anderen Organisationen zusammen. Etwa mit IPPNW (Ärzte gegen Atomkrieg) oder der Frauen-Friedensinitiative“, sagt Horst Schlütermann.
Auch ein Mahngang durch Dortmund am Jahrestag vom Atombombenabwurf in Hiroshima gehört dazu. „Wir wollen die Opfer nicht vergessen. Auch wenn wir hier nur eine kleine Gruppe sind“, sagt Horst Schlütermann. Nicht einmal 100 Japaner leben im Großraum Dortmund. Dagegen zählt Düsseldorf 8000 Japaner.
Warum dieser unermüdliche Einsatz? Woher nimmt das Ehepaar die Energie? Die Antwort: „Wir leben gut in dieser Gesellschaft. Da ist es doch selbstverständlich, dass wir etwas zurückgeben.“
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