Ein Gastbeitrag von Fabian Prochazka
Ob Migration oder Corona-Pandemie: Die großen gesellschaftlichen Krisen der vergangenen Jahre sind begleitet von Diskussionen um die Qualität des Journalismus und das Vertrauen der Bürger*innen in die Medien. Dabei entsteht häufig der Eindruck, die Medien hätten das Vertrauen der Bevölkerung verloren. Tatsächlich zeigen Langzeitstudien jedoch, dass das generelle Vertrauen der Deutschen in die Medien relativ stabil ist (Reinemann & Fawzi, 2016).
Die Lügenpresse-Debatte der vergangenen Jahre hat gesellschaftlich stark polarisiert
Seit den 1990er Jahren geben zwischen 30 und 50 Prozent an, großes oder sehr großes Vertrauen in die Medien zu haben. Unter dem Eindruck der Lügenpresse-Debatte der vergangenen Jahre hat sich das Vertrauen jedoch polarisiert: Sowohl die Gruppe mit sehr hohem, als auch mit sehr niedrigem Vertrauen ist größer geworden, weniger Menschen ordnen sich in der Mitte ein (Schultz et al., 2020).
Geringes Medienvertrauen ist vor allem verknüpft mit einer zynischen Haltung gegenüber der Politik und dem Gefühl, selbst keinen wirksamen politischen Einfluss nehmen zu können (weiterführend Prochazka, 2020). Damit konzentriert sich das Misstrauen in Journalismus stark unter Wähler*innen der AfD, bei politisch entfremdeten Nichtwählern und bei Menschen, die sich bei keiner der großen Parteien aufgehoben fühlen.
Gleichzeitig fühlen sich diese Menschen mit ihrer Meinung zu wenig in den Medien repräsentiert und wenden sich dann häufiger alternativen Nachrichtenportalen im Netz zu, die ihre ohnehin schon negativen Einstellungen gegenüber Medien und Politik weiter verstärken.
Gratwanderung: Vertrauen zurückgewinnen, ohne Rechtspopulist*innen das Wort zu reden
Für den Journalismus bedeutet das eine Gratwanderung: Um Vertrauen in solchen Milieus zurückzugewinnen, sollten Medien die gesellschaftlichen und politischen Probleme thematisieren, die hinter Wahrnehmungen mangelnder Repräsentation und Teilhabe stehen – ohne dabei Rechtspopulist*innen und den Feinden einer demokratischen Gesellschaft das Wort zu reden. Dabei benötigt es auch Veränderungen im Journalismus selbst. So sind etwa Redaktionen personell noch immer zu weniger homogen besetzt, Menschen aus Arbeiter*innenmilieus oder mit Migrationshintergrund sind deutlich unterrepräsentiert.
Besonders ausschlaggebend für Vertrauen und Misstrauen sind außerdem Vorstellungen darüber, wie journalistische Fehler zustande kommen. Während Personen mit hohem Vertrauen eher von unvermeidlichen, menschlichen Fehlern ausgehen, unterstellen Menschen mit geringem Vertrauen Journalist*innen absichtliche Manipulation, mangelnde Unabhängigkeit und Profitstreben.
Hier liegt ein wichtiger Ansatzpunkt, wie der Journalismus Vertrauen gewinnen kann: Journalistische Arbeitsprozesse müssen besser erklärt werden und transparenter sein, z.B. indem die Gründe für die Auswahl von Themen dargelegt werden. Das erhöht einerseits die journalistische Selbstreflexion, andererseits kann so pauschalen Manipulationsvorwürfen der Wind aus den Segeln genommen werden. Gerade in der Corona-Pandemie zeigt sich, wie wichtig das für gelingende öffentliche Debatten ist.
Der Serienteil ist ein Gastbeitrag aus dem Sondermagazin „Journalistische Verantwortung in der digitalen Gesellschaft“ der Auslandsgesellschaft.de. Er wurde ermöglicht durch eine Förderung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.
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