Auszeit für rund 1.850 „Fukushima-Kinder“ vor radioaktiver Umgebung

SERIE (4) – 75 Jahre Auslandsgesellschaft Dortmund: Die Deutsch-Japanische Gesellschaft

Marc Frese gratuliert Yoko Schlütermann zum Bundesverdienstkreuz.
Marc Frese gratuliert Yoko Schlütermann zum Bundesverdienstkreuz. Foto: Auslandsgesellschaft

Am 28. März 1949 fand im Hörsaal der Kinderklinik die Gründungsversammlung der „Gesellschaft der Freunde des Auslandsinstituts“ – der heutigen Auslandsgesellschaft.de statt. Dabei waren damals der Oberstudiendirektor, der Präsident der IHK, ein Vertreter des DGB sowie sechs weitere Mitglieder anwesend, die die Gesellschaft mit dem Ziel der Völkerverständigung gegründet haben. Das ist nun 75 Jahre her. Zu diesem Anlass erscheinen in einer Serie Gastbeiträge aus dem Jubiläumsmagazin der Auslandsgesellschaft.

1990 wurde die Deutsch-Japanische Gesellschaft in der Auslandsgesellschaft gegründet. 2002 habe ich die Leitung der Deutsch-Japanischen Gesellschaft übernommen. Seitdem verfolgen wir mit großem Einsatz unser Ziel, die japanische Kultur der Bevölkerung nahezubringen. So wurden viele bunte Veranstaltungen angeboten, wie z.B. Fachvorträge, Koto-Konzerte, Kochkurse, Teezeremonien, Ausflüge zu japanischen Einrichtungen in NRW usw…

Ein Gastbeitrag von Yoko Schlütermann

Dann passierte das, was niemand im Traum gedacht hätte. 2011 wurde Nordostjapan von einer dreifachen Katastrophe heimgesucht, bei der knapp 20.000 Menschen direkt oder indirekt den Tod fanden. Nach einem Seebeben Stärke 9.1, das bis zu 24 Meter hohen Tsunami-Wellen verursachte, explodierten drei Reaktoren des AKWs Fukushima Daiichi und eine Kernschmelze fand statt.

Die Dolmetscherin und Übersetzerin Yoko Schlütermann ist die Präsidentin der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in der Auslandsgesellschaft.
Die Dolmetscherin und Übersetzerin Yoko Schlütermann ist die Präsidentin der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in der Auslandsgesellschaft. Foto: Auslandsgesellschaft

Wir haben daraufhin unseren Aktivitätsschwerpunkt von heute auf morgen verlagert. Am 15. März 2011 wurde eine Pressekonferenz in der Auslandsgesellschaft einberufen, um die Bevölkerung auf die Katastrophe in Japan aufmerksam zu machen und um Hilfe für die Opfer zu bitten. Drei Tage später haben wir offiziell unser Projekt „Hilfe für Japan 2011“ für Fukushima-Kinder bekanntgegeben.

Wir wollten sie vor den radioaktiven Strahlen schützen und ihnen unbeschwerte Aufenthalte auf der Insel Okinawa, die von Fukushima ca. 2.200 km entfernt liegt, ermöglichen. Und die Auslandsgesellschaft stand die ganze Zeit voll hinter uns und unterstützte unsere Spendenaktivitäten tatkräftig.

Spenden sammeln für Fukushima

Der Appell in Dortmund löste eine große Spendenbereitschaft aus, sogar über NRW hinaus in ganz Deutschland. Von jeder Spenderin, jedem Spender, Spendergruppen und -organisationen waren wir tief beeindruckt, mit welcher Bereitschaft und welchem Ideenreichtum sie für unser Projekt Spenden gesammelt haben.

Yoko Schlütermann bei ihrem Protest gegen Atomkraft.
Yoko Schlütermann bei ihrem Protest gegen Atomkraft. Foto: Auslandsgesellschaft

Besonders in unserer Erinnerung geblieben sind unter anderem die Schüler:innen  der Evangelischen Grundschule Kleinmachnow bei Potsdam. Sie haben für Fukushima-Kinder sechsmal, also sechs Jahre, Sponsorenläufe organisiert und dabei insgesamt 16.471 Euro an Spenden gesammelt.

Der erste Kontakt kam im Frühling 2012 zustande. Die Leiterin der Evangelischen Grundschule Kleinmachnow, Frau Legien-Knapke, hatte eine große Überraschung für uns bereit und teilte mit, dass ihre Schülerinnen und Schüler für Fukushima-Kinder beim Sponsorenlauf Spenden gesammelt hätten.

Auf die Frage, wie sie auf unser Projekt „Hilfe für Japan“ gekommen sei, wurde uns mitgeteilt, dass man ganz bewusst das Thema mit Fukushima gewählt hat, was für sie – im Gegensatz zur Presse – noch nach wie vor von aktueller Brisanz sei. Sie hätte mit den Kindern im Vorfeld über das Projekt und die aktuelle Situation gesprochen.

Besonders stimmig war dabei für sie, dass ein Vorhaben ist, bei dem Kinder im Mittelpunkt stehen. Wir, die DJG Dortmund, sind auf ihre Einladung hin gern zu ihrer Schule gefahren, um über die aktuelle Lage Fukushimas zu berichten.

Dank eines Neunjährigen

Ich möchte an dieser Stelle den Eindruck eines neunjährigen Jungen, der 2011 mit den anderen 110 Fukushima-Kindern im Rahmen unseres Projekts Ferien auf Okinawa verbracht hat, zitieren:

„An die lieben Menschen in Deutschland! Dank Eurer Unterstützung konnte ich nach Okinawa kommen. Ich bin hier so glücklich. Auf Okinawa ist so viel Natur und die Luft ist sauber. Ich werde viel von dieser sauberen Luft auf Okinawa einatmen und mit 100facher Kraft nach Fukushima zurückkehren und vielen Menschen in Fukushima, die nicht nach Okinawa kommen konnten, meine Kraft geben. Vielen herzlichen Dank, dass Ihr für uns so viel Geld gesammelt habt. Solltet Ihr in Not geraten, sind wir für Euch da. Wir werden unser Bestes für Euch tun“.

Shura Ishizaki, 9 Jahre

Dank großartiger Unterstützung von so vielen Menschen, der größte Spender darunter war die Caritas International, sind bis heute ca. 1.32 Millionen Euro an Spenden zusammengekommen und inzwischen konnten ca. 1.850 Fukushima-Kinder Feriencamps auf Okinawa genießen. Auch 2024 sind Ferien für Fukushima-Kinder auf Okinawa geplant.

Bundesverdienstkreuz

Im März 2023 wurde mir vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland für mein „jahrzehntelanges Engagement im sozialen und kulturellen Bereich“, so der Wortlaut, verliehen. Das ist eine große Ehre für mich, und ich freue mich darüber, dass das gemeinsame Engagement vieler Menschen anerkannt und honoriert wurde.

Kinder aus Fukushima erholen sich auf der Insel Okinawa.
Kinder aus Fukushima erholen sich auf der Insel Okinawa. Foto: Auslandsgesellschaft

Sie sehen, dass das Fukushima-Desaster noch gegenwärtig ist. Die nächste Nuklearkatastrophe könnte schneller kommen, als man denkt. Das große Erdbeben auf der Noto-Halbinsel (ca. 400 km nordwestlich von Tokyo) mit einer Stärke sieben am 1. Januar 2024, wäre beinahe zur zweiten nuklearen Katastrophe Japans geworden, wenn das dort befindliche Shika-AKW in Betrieb gewesen wäre.

Glück im Unglück, zynisch gesagt, dass das Erdbeben jetzt gekommen ist, denn dieses AKW sollte noch in diesem Jahr wieder in Betrieb genommen werden. Eine nukleare Katastrophe kann jederzeit geschehen, solange man auf Reaktoren nicht verzichten will. Deutschland hat bereits den ersten Schritt getan aus der Atomenergie auszusteigen.


Sascha Fijneman | Nordstadtblogger

Der Serienteil ist ein Gastbeitrag aus dem Jubiläumsmagazin „75 Jahre Auslandsgesellschaft“ der Auslandsgesellschaft.de. In diesem Magazin hat die Auslandsgesellschaft 75 Jahre in die Dekaden aufgeteilt,
dann das allgemeine Geschehen, der Stadt Dortmund und das, was in der Auslandsgesellschaft passiert ist, dargestellt.


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