Zwei weitere Verhandlungstage sind im Mordprozess Nicole-Denise Schalla am Landgericht Dortmund vergangen – der letzte sogar an einem Samstag (!). Neue Erkenntnisse haben sie nicht eingebracht. Es wurde verkündet, dass keine Krankenhausakten mehr über die Operationen des Angeklagten an beiden Händen existieren. Die Verteidigung hatte den Umstand in die Verhandlung eingebracht, dass Ralf H. aufgrund von Handball-Verletzungen Anfang der 90er Jahre an beiden Händen operiert worden sei, wodurch er nicht mehr richtig greifen könne. Daraus folgerte sie, dass der Angeklagte das Opfer nicht so stark gewürgt haben könne, dass diesem sogar das Zungenbein brach. Auch der damals behandelnde Hausarzt ist bis dato nicht auffindbar. Aus diesem Grund beantragte Wahlverteidiger Dreier am zwölften Verhandlungstag ein unabhängiges ärztliches Gutachten.
Verteidigung beantragt unabhängiges ärztliches Gutachten bezüglich der Handverletzungen
Denn Röntgenbilder und Narbengewebsuntersuchungen könnten hier Licht ins Dunkel bringen und es möglich machen, den Zeitpunkt der operativen Eingriffe nachzuvollziehen und deren Folgeerscheinungen gegebenenfalls zu attestieren.
___STEADY_PAYWALL___
Auch bei der Arbeitsagentur kam das Gericht nicht weiter. Ralf H. soll ebenfalls aufgrund seiner Handverletzungen eine ihm vom Amt vermittelte Stelle als Bäcker aufgegeben haben. Bei der Korrespondenz mit der Arbeitsagentur sei es zu einem Missverständnis gekommen und man habe intern nach einem Mitarbeiter gesucht und nicht nach Akten zu Ralf H.. Das Gericht wird hier weiter nachhaken.
Die Verteidigung stellte am zwölften Verhandlungstag weitere Beweismittelanträge. Da auch die als Sachverständigen geladenen RechtsmedizinerInnen aus München und Dortmund eine sekundäre oder tertiäre Übertragung der DNA des Angeklagten im Laufe der Verhandlungen nicht völlig ausschliessen konnten, will die Verteidigung Aufklärung darüber haben, welche Polizei- und LKA-Beamten mit den Spurenträgern in Berührung gekommen sind.
Staatsanwaltschaft und Nebenklage sprechen sich für Zurückweisung der Anträge aus
Neben der DNA des Angeklagten war in mindestens einem Fall auch Zellmaterial eines LKA-Beamten gefunden worden. Die Verteidigung will aufklären, wie es zu solchen Kontaminationen gekommen sein kann. Ein weiterer Antrag bringt den Fall Schalla in Verbindung mit einem anderen Mordfall aus Hagen.
Der Antrag blieb für die Öffentlichkeit recht nebulös, da Dreier sich auf psychologische Gutachten in der Fallakte bezog, die bisher noch nicht in der Hauptverhandlung thematisiert wurden. Es bleibt abzuwarten, was hieraus wird.
Staatsanwaltschaft und NebenklägerInnen beantragten einhellig die Zurückweisung der Anträge. Es sei verwunderlich, dass die Handverletzungen des Angeklagten erst jetzt und nicht schon zu Beginn des Prozesses Gegenstand der Verhandlung würden.
Frühere Taten sprechen gegen die körperliche Einschränkung des Angeklagten
Außerdem sprächen die Taten, die Ralf H. nach den Operationen begangen habe und für die er auch verurteilt worden sei, gegen die Ausführungen der Verteidigung, denn da hätten ihm seine Probleme mit dem Daumenschluss letztlich nicht im Wege gestanden.
Bezüglich der Anträge zum DNA-Material seien die von der Verteidigung gezogenen Schlüsse äußerst spekulativ. Des Weiteren sei es aufgrund der vergangenen Jahre äußerst schwierig, heute in Erfahrung zu bringen, welche Beamten beim LKA und Polizei mit den Spurenträgern in Verbindung gekommen seien.
Man sehe hier jedoch keine konkreten Anlässe von Fahrlässigkeit oder gar Absicht und beantrage daher die Zurückweisung. Das Gericht wird bis zum nächsten Verhandlungstag am 3. Juni über die Anträge entschieden haben.
Weitere Informationen:
- Zu Beginn des gestrigen Verhandlungstages bestand zunächst Uneinigkeit über die Zulässigkeit des Termins. Verteidiger Dreier stellte diese aufgrund der Tatsache, dass der Termin, der aus organisatorischen Gründen ausnahmsweise auf einen Samstag fiel, nicht online auf den Seiten des Landgerichtes eingetragen und somit die Öffentlichkeit nicht ausreichend informiert worden sei, in Frage.
- Nach kurzer Beratung kam das Gericht jedoch zu dem Schluss, dass durch die Bekanntgabe des Termins während der Hauptverhandlung, die Veröffentlichung in der Presse und die Tatsache, dass wieder zahlreiche interessierte ZuschauerInnen dem Prozess beiwohnten, die Öffentlichkeit ausreichend informiert worden sei und setzte die Verhandlung fort.
Mehr zum Thema bei nordstadtblogger.de: