Von Susanne Schulte
Seit 25 Jahren laden Dortmunder Innenstadtgemeinden alle Menschen, die sich angesprochen fühlen, zu einen kostenlosen Frühstück ein. Der Start war am 28. Februar 1999 in Gemeindehaus St. Joseph an der Münsterstraße. Zum Jubiläum stattete Nordstadtblogger der Gemeinde einen Besuch ab.
Aus einem Pilotprojekt wurde ein zuverlässiges Angebot
Die Arbeit fürs Sonntagsfrühstück beginnt nicht erst am selben Tag um 8 Uhr morgens. Bereits am Freitag sind die ehrenamtlichen Gastwirt:innen unterwegs, um einzukaufen, zur Tafel zu fahren, um zu gucken, was dieser Verein an Lebensmitteln erübrigen kann, und um die Tische im Gemeindehaus St. Joseph zu rücken und einzudecken.
„64 Plätze haben wir in diesem Raum“, sagt Barbara Kohls, „bereiten aber immer mehr als 100 Teller vor“. Und was auf die Teller kommt, erklärt sie, sei Standard. Brot, Brötchen, Käse, Wurst und ein gekochtes Ei. Marmelade und Margarine stehen auf den Tischen, und wer keine Wurst möchte, bekommt einen Teller nur mit Käse. Seit Jahren ist das geübte Praxis – und den Gästen scheint es zu schmecken.
„Pfarrer Reinhard Ellbracht, der Wohnungslosenseelsorger hatte damals die Idee für dieses Angebot“, erzählt Thorsten Kaczinski. Während der gesamten Fastenzeit sollten damals evangelische und katholische Gemeinden abwechselnd das Sonntagsfrühstück vorbereiten – und taten das auch. Die Fastenzeit war nach sieben Wochen vorbei, das Sonntagsfrühstück blieb.
Doch in den vergangenen 25 Jahren hat sich einiges geändert: „Die evangelischen Gemeinden sind aus unterschiedlichen Gründen ‚raus, jetzt sind nur noch die katholischen Pfarrverbünde dabei.“ Die evangelischen Gemeinden hatte keine Räume und kein Personal mehr. Bis auf Reinoldi. Dort erwartet man einmal im Monat am Sonntagnachmittag die Besucher:innen zum Kaffeetrinken.
Aus abrechnungstechnischen Gründen musste zwischenzeitlich ein Verein gegründet werden, dessen Vorsitzender Kaczinski ist. „Gemeinden laden ein“, nennt sich der Verein. Weil eine Einladung auf aufmerksame Gastger:innen schließen lässt, werden alle Gäste am Tisch bedient.
An diesem Sonntag, dem letzten im Januar, sind an der Münsterstraße neben Barbara Kohls im Einsatz: Johannes Kirsch, Michael Kasperczyk, Sissi Gockel, Marion Koch, Adelheid Ruhl, Sony, Peter Suhrmann und Angelika Vogel.
Außerdem gehören zum Team: Michael Gockel, Gaby Kasperczyk, Eva und Hubertus Kinkel. Die meisten haben ihr Erwerbsleben hinter sich, einige wohnen nicht oder nicht mehr im Bezirk der Gemeinde, aber alle kommen zuverlässig alle acht Wochen zum Einsatz ins Gemeindehaus.
Barbara Kohls: „Die Arbeit tut mir auch gut“
Michael Kasperczyk war schon beim ersten Frühstück 1999 dabei, Barbara Kohls kam Ende 1999 dazu. Mittlerweile wohnt sie südlich des Hellwegs, „aber ich bin immer noch hier zuhause“, sagt sie. Kohls hat erlebt, dass in anderen Nordstadt-Gemeinden ebenfalls das Frühstück im Programm stand. Der Mangel an Ehrenamtlichen, die Zusammenlegung von Gemeinden, die andere Nutzung der Gebäude sorgten während all der Zeit dafür, dass in der Nordstadt nun lediglich in St. Joseph die Sonntagsbrötchen auf den Tisch kommen.
Barbara Kohls macht seit damals mit, „weil ich etwas mit meinem Mann zusammen tun wollte und was mir Spaß macht.“ Ihr Mann kann jetzt nicht mehr mithelfen, aber sie ist immer dabei. „Es tut mir auch gut. Ich merke, dass ich gebraucht werde.“
Die 73-Jährige wird nicht nur am Sonntag gebraucht. Sie ist auch die Delegierte aus der St. Joseph-Truppe für die regelmäßigen Organisationstreffen des Vereins, an denen unter anderem die Termine in den einzelnen Gemeinden abgesprochen werden. Vom Einkaufen, Tische rücken und Kuchen backen ganz zu schweigen.
Thorsten Kaczinski, der Vereinsvorsitzende, ist an diesem Sonntag lediglich da, um einzuspringen, wenn die Ehrenamtlichen mal ihre Arbeit unterbrechen, um mit Nordstadtblogger zu sprechen. Er selbst gehört seit Jahren zur festen Gruppe im Thomas-Morus-Haus an der Amalienstraße.
Dort, in der Gemeinde der Liebfrauenkirche, ist er groß geworden, hat später Jugendarbeit gemacht und beim Sonntagsfrühstück geholfen. Als Gabi Teepe, die sich anfangs um die Organisation der stadtweiten Sonntagsfrühstücke kümmerte, einen Nachfolger suchte, fragte sie Kaczinski. Und der ist nun seit 15 Jahren für die Organisation zuständig und für die Öffentlichkeitsarbeit.
Fürs Frühstück werden jeden Sonntag rund 300 Euro gebraucht
Etwa 300 Euro, weiß er, braucht jede Gruppe, die für die Sonntage einkauft. Manchmal gibt es Geld von der Gemeinde, wie bei St. Joseph, manchmal fällt die Unterstützung der Tafel großzügig aus. „Da müssen wir nehmen, was wir kriegen können.“ Das ist mit den Jahren immer weniger geworden. Für diesen Sonntag war es der Kartoffelsalat.
Bäcker wie Beckmann spenden Brot und Brötchen – das haben sie Annemarie Dahlmann zu verdanken. Die frühere Bäckereibesitzerin aus der Nordstadt war auch im Team der Helfer:innen und hatte das Team von St. Joseph mit kostenlosen Brötchen versorgt. Diese Tradition führte die Nachfolge – die Bäckerei Beckmann – fort.
Der Verein kann das Angebot nur halten, weil er Spenden bekommt. In der Probstei-Kirche ist regelmäßig ein Teil der Kollekte für den Verein bestimmt. „Manchmal bin ich echt am Anschlag“, sagt Kaczinski und meint damit den Kontostand des Vereins. „Dann muss ich betteln gehen.“
Barbara Kohls und ihre Kolleg:innen haben die Jahre über gemerkt, dass zu den wohnungslosen Menschen, an die die Einladung sich ursprünglich richtete, mittlerweile Familien gekommen sind, Frauen, Männer und Kinder mit internationalem Hintergrund, die zwar ein Dach überm Kopf haben, aber am Ende des Monats kaum noch Geld, um Lebensmittel einzukaufen. Und sie alle sitzen gerne im großen Saal des Gemeindehauses.
Sie werden am Tisch bedient, können sich vom Tablett noch mehr Wurst und Käse nehmen und die Kaffeekannen auffüllen lassen. Heute gibt für alle noch einen Yoghurt und eine Birne. Die Gäste wissen das zu schätzen. Kaum jemand geht, ohne sich zu verabschieden. „Vielen Dank für Speis‘ und Trank. Ich wünsche einen schönen Tag noch“, sagt ein Mann und verbeugt sich gegenüber den Helfer:innen.
Oft mehr als 100 Gäste folgen der sonntäglichen Einladung
Die vorbereiteten 100 Teller sind nach einer Stunde alle verteilt, und noch immer kommen Gäste. Die Ehrenamtlichen haben die Arbeit unter sich gut aufgeteilt. Die eine kocht Kaffee, andere packen Käse und Wurst auf die Teller, weitere bieten auf Tabletts den Besucher:innen mehr Aufschnitt an. Morgens um 8 Uhr ist Schichtbeginn, um 9 Uhr treten die Gäste ein, um 11 Uhr endet das Frühstück und das große Aufräumen beginnt.
„Wenn wieder alles sauber ist, setzten wir uns gemütlich zusammen und frühstücken“, sagt Barbara Kohls. „Dafür backe ich immer einen Kuchen.“ Das hat sie dieses Mal auch getan. Während sie trotz des Gespräches rund um sich herum alles im Blick hat, will sie eine Information nicht vergessen zu erzählen.
„Doris Lohmann ist mit ihren 83 Jahren die älteste von uns und seit Anfang an dabei. Sie ist immer dann im Einsatz, wenn wir Personalnot haben.“ Auch im Thomas-Morus-Haus arbeitet an den Sonntagmorgenden seit 25 Jahren eine unermüdliche Helferin: die weit über 90jährige Reinhild Große.
Die nächsten Termine für das Sonntagsfrühstück, zu dem alle Menschen willkommen sind, wurden wie folgt festgelegt: Morgen, 4. Februar, Heilig Geist, Neuer Graben 162; 11. Februar, St. Suitbertus an der Annenstraße 16; 18. Februar kein Frühstück, jedoch nachmittags Kaffeetrinken in St. Reinoldi; 25. Februar, Propstei im Probsteihof; 3. März, St. Bonifatius an der Bonifatiusstraße 3. März Thomas-Morus-Haus an der Amalienstraße 3.
Mehr Informationen:
- Das Spendenkonto des Vereins „Gemeinden laden ein“ bei der Dortmunder Volksbank hat die IBAN DE 26 4416 0014 6588 2850 00.
- Wer mehr über die Arbeit als Ehrenamtliche:r an den Sonntagen wissen will, ruft Thomas Kczinski an, Telefon 0176-87620070.
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!