„Seebrücke“-Demonstration in Dortmund: Gemeinsam gegen europäische Abschottungspolitik und für solidarische Städte

Bereits im August hatte die „Seebrücke“ zahlreiche AktivistInnen mobilisiert um für Solidarität mit Geflüchteten und gegen die Kriminalisierung von SeenothelferInnen zu demonstrieren. Foto: Alex Völkel
Bereits im August hatte die „Seebrücke“ zahlreiche AktivistInnen mobilisiert, um für Solidarität mit Geflüchteten und gegen die Kriminalisierung von SeenothelferInnen zu demonstrieren. Fotos: Alex Völkel

Seit der Gründung der „Seebrücke“-Bewegung Ende Juni 2018 waren bereits über 150.000 Menschen in Europa auf der Straße, um gegen die inhumane EU-Abschottungspolitik zu demonstrieren – auch in Dortmund. Die aktuelle Situation im zentralen Mittelmeer ist für das Bündnis nicht haltbar und fordert nach wie vor Menschenleben. Während die absoluten Zahlen rückläufig sind, ist die Todesrate auf einem Rekordhoch. Aus diesem Grund ruft die „Seebrücke“ am kommenden Samstag, den 15. Dezember 2018, zur Demonstration in Dortmund auf, um gegen die europäische Abschottungspolitik und für solidarische Städte auf die Straße zu gehen und Flagge zu zeigen.

Der nächste Sommer kommt bestimmt: „Seebrücke“ will Erinnerung an Flüchtlinge wach halten

Die „Seebrücke“ fordert Solidarität und Humanität.
Die „Seebrücke“ fordert Solidarität und Humanität.

Jetzt, in den kalten Wintermonaten, ist der Strom von Flüchtlingen merklich kleiner geworden. Weniger verzweifelte Menschen wagen sich aus Nordafrika über das Mittelmeer. Doch der Anteil derjenigen, die bei dem Versuch der Überfahrt ertrinken, steigt und beträgt augenblicklich 20 Prozent. Kentern sie in ihren meist seeuntüchtigen Booten, sind ihre Überlebenschancen im eiskalten Wasser äußerst gering, da die Körper innerhalb kürzester Zeit unterkühlen.

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Das Sterben auf dem Weg nach Europa sei nicht hinnehmbar, betont die Dortmunderin Anja Sportelli; aus dieser Einstellung sei „Seebrücke“ entstanden, so die engagierte Mitorganisatorin der Dortmunder Demonstration. Was das Netzwerk befürchtet: dass in der Lücke, die staatlicherseits durch die europäische Abschottungspolitik hinterlassen worden ist, im Sommer, wenn mehr Flüchtlinge zu erwarten sind, wieder viel mehr Menschen sterben werden.

Dafür will „Seebrücke“ ein Bewusstsein bilden, auch durch Rückendeckung der Schiffe, die jetzt in den Häfen blockiert werden. Und Anja Sportellis Bündnispartner Hagen Dorgathen ergänzt, dass die EU versuche, die Flüchtlinge immer weiter von den eigenen Grenzen fernzuhalten. In dem Maße, wie dies gelinge und die Menschen in größerer Distanz zum europäischen Festland sterben würden, desto weniger Öffentlichkeit entstehe innerhalb Europas darüber. Auch hier will „Seebrücke“ andere Zeichen setzen.

„Seebrücke“ wird von einer breiten Basis zivilgesellschaftlicher AkteurInnen getragen

Die OrganisatorInnen der Demo in Dortmund: Clara Dornseifer, Joachim Spehl, Anja Sportelli, Hagen Dorgathen und Amelie Bastuck. Foto: Thomas Engel
OrganisatorInnen der Demo in Dortmund (v.l.): Amelie Bastuck, Hagen Dorgathen, Clara Dornseifer, Joachim Spehl und Anja Sportelli. Foto: Thomas Engel

Die „Seebrücke“ ist eine internationale Bewegung, getragen von verschiedenen Bündnissen und AkteurInnen der Zivilgesellschaft. Sie solidarisieren sich mit allen Menschen auf der Flucht und fordern von der deutschen und europäischen Politik sichere Fluchtwege, eine Entkriminalisierung der Seenotrettung und eine menschenwürdige Aufnahme der Menschen, die fliehen mussten oder noch auf der Flucht sind. 

Die „Seebrücke“ konstatiert, dass, nachdem im September 2018, dem letzten noch aktiven Rettungsschiff die Flagge entzogen worden war, jede/r fünfte Flüchtende auf hoher See starb. Einige Boote seien von der sogenannten libyschen Küstenwache aufgegriffen worden. Dies bedeute für die Menschen eine erzwungene Rückführung in eine Spirale aus Haft, Gewalt, Missbrauch, Folter und Versklavung – unterstützt und gebilligt von der EU, welche die libysche Küstenwache materiell unterstütze und ausbilde.

Dieser menschenverachtenden Praxis stellen sich die Mitglieder der „Seebrücke“ entgegen. Für sie bedeutet die Seenotrettung eine völkerrechtliche Verpflichtung, laut derer Gerettete innerhalb einer angemessenen Zeit an einen sicheren Ort zurückgebracht werden müssten. Im Juni sei beispielsweise das Rettungsschiff „Lifeline“ mit 234 teils erkrankten Menschen tagelang am Einlaufen in sichere Häfen gehindert worden.

Für die Entkriminalisierung der HelferInnen und Solidarität mit Flüchtenden

Malta und Italien nähmen somit Gefahr für Leib und Leben der Schutzsuchenden billigend in Kauf. Aktuelle Entwicklungen würden zeigen, dass Schiffe in Seenot den zivilen Rettungsschiffen nicht gemeldet würden. Zudem würden an der Seenotrettung beteiligte Menschen vor Gericht angeklagt.

Durch dieses bewusste Erschweren und die Kriminalisierung der Seenotrettung werde eine große Hürde für Hilfeleistungen aufgebaut. Die „Seebrücke“ stellt klar: Seenotrettung ist kein Verbrechen, sondern humanitäre Pflicht und darf deshalb nicht vor Gericht verhandelt werden.

„Seebrücke“ hofft auf symbolischen Solidaritätsakt der Stadt Dortmund

In Zeiten, in denen sich rechtspopulistische Meinungen immer mehr durchsetzen und sogar der UN-Migrationspakt angefochten wird, ist es für das Bündnis an der Zeit, sich im Sinne einer humanitären Politik mit Flüchtenden und Helfenden zu solidarisieren.

Neben „Seebrücke“ sind als Organisatoren an der Demonstration unter anderem beteiligt: die Flüchtlingspaten, Train of Hope, Grüne Jugend, DGB, Refugees Welcome, Autonome Antifa 170, der Evangelische Kirchenkreis, Referat „Gesellschaftliche Verantwortung“, und der ASTA der TU Dortmund. Als Hauptredner der Veranstaltung wird Mike Schöpping von der zivilen Seenotrettungsinitiative Seawatch vor Ort sein.

Natürlich kann die Kommune aus rechtlichen Gründen keine Flüchtlinge im Alleingang aufnehmen. Daher wünschen sich die AktivistInnen in diesem Zusammenhang seitens der Stadt  einen symbolischen Akt, durch den sich Dortmund zum sicheren Hafen für Flüchtlinge erklärt – wie dies bereits in Köln und Düsseldorf geschehen ist und worüber in Bochum gegenwärtig diskutiert wird. Weitere Forderungen sind:

  • sichere Fluchtwege
  • eine Unterstützung und Ausweitung von staatlicher und privater Seenotrettung
  • die Freisetzung der Seenotrettungsschiffe
  • die Entkriminalisierung der HelferInnen, die auf dem Mittelmeer Menschenleben retten.

Die Demonstration wird am Samstag, den 15. Dezember 2018, um 13 Uhr am Platz der Alten Synagoge in der Dortmunder Innenstadt beginnen. Von hier aus führt die Route weiter über die Hansastraße, den Hiltropwall, den Hohen Wall bis zum Westentor. Auf der Kampstraße wird es eine Zwischenkundgebung geben, bevor der Demozug sich über den Freistuhl zum Ziel auf den Platz der Deutschen Einheit zubewegen wird.

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