Von Alexander Völkel
Schulentwicklungsplanung ist speziell in der und für die Dortmunder Nordstadt ein schwieriges Geschäft. Denn es kommen überproportional viele neue SchülerInnen durch Zuwanderung von außen hinzu. Besonders die Nordstadt-Grundschulen platzen aus allen Nähten. 16 Container-Klassen wurden an vier der sieben bestehenden Grundschulen bereits aufgestellt, um dem aktuellen Bedarf gerecht zu werden. Rechnerisch entspricht dies bereits dem Bedarf einer weiterer Grundschule. Doch weitere SchülerInnen werden in den nächsten Jahren hinzukommen. Daher liegen jetzt Planungen für den Bau von zwei zusätzlichen Grundschulen vor.
16 Klassenräume fehlen schon jetzt – 425 weitere Schulplätze werden benötigt
Seit 2015 sind die SchülerInnenzahlen u.a. bedingt durch die Zuwanderung und den demographischen Wandel insbesondere in der Nordstadt stark angestiegen. Zusätzlicher Schulraum konnte durch die Aufstellung von mobilen Raumeinheiten an vier der sechs Grundschulen als Sofortmaßnahme oder durch Ausschöpfung von räumlichen Kapazitäten im Bestand geschaffen werden.
Und die SchülerInnenzahlen steigen weiter: Im jetzt beendeten Schuljahr waren 2775 Kinder in der Primarstufe in der Nordstadt. Bereits im Schuljahr 2020/21 rechnet die Schulverwaltung mit 3200 Kindern. Damit wären – neben den jetzt schon fehlenden und durch mobile Lösungen abgefederten Bedarfe weitere 425 Grundschulplätze.
Dass Container keine Dauerlösung sind, darin sind sich Oberbürgermeister, Schuldezernentin Daniela Schneckenburger und Liegenschaftsdezernent Jörg Stüdemann einig. „Die bildungspolitischen Ziele müssen sich in einem guten Raumkonzept wiederfinden. Wie im gesamten Stadtgebiet muss auch in der Nordstadt den Ansprüchen der Kinder und Eltern vor Ort Rechnung getragen werden“, so Daniela Schneckenburger. „Die Schulen in der Nordstadt müssen ausreichend Raum und Platz an Lern-und Spielflächen für die Kinder bieten.“
„Die nördliche Innenstadt wird geprägt durch den größten Bevölkerungszuwachs in unserer Stadt und eine sehr hohe Dynamik“, so Oberbürgermeister Ullrich Sierau. „Diese Situation stellt die Stadt vor besondere Herausforderungen, die wir mit guten Planungsprozessen meistern. In diesem Falle durch eine gute Versorgung mit Bildungseinrichtungen.“
Die Schulleitungen sind in den Prozess der Bedarfsermittlung eingebunden
Im Fokus der Entwicklung der schulischen Infrastruktur steht zwar aktuell die Nordstadt, jedoch wird die Schulentwicklung stadtweit im Laufe des 1. Quartals 2019 fortgeschrieben. Ergebnisse der umfassenden Bedarfs- und Bestandsanalyse werden im Herbst 2018 vorliegen und den städtischen Gremien im vierten Quartal vorgestellt.
Dabei wurde nicht über die Köpfe der Schulen hinweg geplant – im Gegenteil. Der Fachbereiche Liegenschaften und Schule haben ein Pilotprojekt an allen Nordstadt-Schulen gestartet. „Wir sind den Prozess sehr systematisch und gemeinsam mit den Schulleitungen angegangen“, betont Thomas Ellerkamp, Leiter des Fachbereichs Liegenschaften.
Unter Moderation der „Assmann-Gruppe“ stellt sich ein Projektteam, in dem die Fachbereiche Schule und Liegenschaften vertreten sind, gemeinsam der anspruchsvollen Aufgabe, ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept für die Schullandschaft der Nordstadt zu entwickeln.
Die Nordstadt-Schulleitungen sind an diesem Prozess intensiv beteiligt: „Die pädagogische Perspektive ist wichtig. Jede Schule hat besondere Anforderungen“, verdeutlicht Martina Raddatz-Nowack, Leiterin des Fachbereichs Schule. „Die Schulleitungen fühlen sich mitgenommen und ernst genommen in den Prozessen.“
Die beiden zusätzlichen Schulen würden frühestens 2023 bezugsfertig
Das Konzept wird sowohl für die Grundschulen als auch für die weiterführenden Schulen aufgelegt. Ein erstes Zwischenergebnis zeigt schon jetzt: Bestehende Schulgrundstücke stoßen bald platztechnisch an ihre Grenzen, so dass sich mit Sicherheit sagen lässt, dass es Bedarf für mindestens einen weiteren Grundschulstandort in der Nordstadt gibt.
Schon deshalb wird seitens der Verwaltung einerseits der Neubau der dreizügigen Lessing-Grundschule im Hafen-Quartier vorangetrieben (Fertigstellung frühestens 2021), als auch der Abriss der alten Anne-Frank-Gesamtschule an der Burgholzstraße forciert. Nach Freimachung des Grundstücks stehen hier ca. 15.000 Quadratmeter Entwicklungsfläche zur Verfügung.
Dann könnten sowohl in der Burgholzstraße als auch im Neubaugebiet im Bereich der Stahlwerkstraße (Westfalenhütte) zusätzliche Grundschulen entstehen, um die bisherigen und zukünftigen Bedarfe abzufedern. Denn Grundschulen sollen auch nicht beliebig groß werden, weil sonst die Umsetzung der pädagogischen Konzepte erschwert wird. Mehr als vier bis fünf Züge soll eine Grundschule nicht haben. Die Brinkmann-Realschule kommt – durch die Containerklassen – aber bereits schon jetzt auf sechs.
Auch in den folgenden Jahren werden weitere temporäre Klassenräume benötigt
Allerdings würde – sollten beide Neubauprojekte in der Burgholz- als auch der Stahlwerkstraße beschlossen werden – der Druck auf die bestehenden Schulen noch wachsen. Denn diese würden frühestens 2023 fertig – doch bis dahin müssen 425 weitere Schulplätze an Grundschulen geschaffen werden.
Bereits jetzt gibt es 16 Container-Klassen an vier Schulen: sechs an der Brinkmann-, vier an der Nordmarkt-, vier an der Libellen- und zwei an der Diensterweg-Grundschule. Die weiteren fehlenden Klassen müssen also ebenfalls noch temporär geschaffen werden. Der Fachbereich Liegenschaften schaut sich daher die Bestandsgebäude intensiv an, ob dort nicht nur temporäre, sondern auch feste Anbauten geschaffen werden können.
Perspektivisch kann dabei auch der vielleicht bis 2021 realisierte Neubau der Lessing-Grundschule am Sunderweg helfen. Der bestehende Altbau könnte zeitweise noch genutzt werden, um die zusätzlichen Bedarfe zumindest zeitweise abzudecken. Perspektivisch wird das alte Gebäude an der Gneisenaustraße allerdings abgerissen. Damit soll Platz für eine weitere Kita geschaffen werden, die ebenfalls dringlich benötigt wird.
Sekundarstufe I: Schneckenburger rechnet stadtweit mit ein bis zwei neuen Schulen
Natürlich hat die Stadt auch die weiterführenden Schulen im Blick – denn hier werden, wenn auch stärker über die Gesamtstadt verteilt – zusätzliche SchülerInnen „aufschlagen“. Doch dort sieht die Stadt keine ganz so großen Probleme wie bei Kitas und Grundschulen. „Die Betrachtung der Sekundarstufe I wird komplizierter, weil die Kinder nicht mehr allein die Schule ihres Stadtbezirks besuchen. Daher müssen wir das Gesamtstädtische betrachten“, betont Schneckenburger. „Stadtweit sehe ich den Bedarf von ein bis zwei weiteren Schulen.“
Auch an den bestehenden weiterführenden Schulen in der Nordstadt gibt es Erweiterungen und Planungen. „Es gibt ein Raumprogramm für jede Schulform und auch hier an bestehenden Schulen Ergänzungsmaßnahmen. Auch da ist nachverdichtet worden – u.a. fehlen Kursräume.“
Doch die Anne-Frank-Gesamtschule kann nach ihrem Um- und Erweiterungsbau eine weitere Eingangsklasse bilden. Nach Jahren der Kritik am baulichen Zustand und der Situation insgesamt hat sich dort vieles positiv verändert: „Die Schule hat sich hervorragend regeneriert und ist im Wachstumsprozess.“ Möglich ist der Abriss des Altbaus – hier soll eine neue Grundschule entstehen – weil die Gesamtschule die sanierten Gebäude der ehemaligen Vinckeschule übernehmen konnte.
Die Schule am Hafen – die letzte Hauptschule mit zwei Standorten in der Nordstadt – hat sich stabilisiert. Auch hier gibt es, wie bei der Getrud-Bäumer-Realschule, Sanierungs- und Modernisierungsbedarf. Abgeschlossen ist hingegen die Sanierung des Helmholtz-Gymnasiums. Doch auch hier gibt es Raumbedarf. Hier soll geprüft werden, ob es Umfeld noch Räume gibt, die nutzbar sind.
Bei den Förderschulen soll nach der Inklusionsdebatte erst mal Ruhe einkehren
Keine Veränderungen sind derzeit in der Förderschullandschaft geplant. NRW hat – nach dem Regierungswechsel – beim Thema Inklusion auf die Bremse getreten. Dies soll zur Stabilisierung in der Förderschullandschaft führen – so auch bei der Kielhornschule im Borsigplatz-Quartier.
Denn die Pläne der rot-grünen Landesregierung – Sierau spricht hier von „Missmanagement“ – hätten landesweit zu „Flurschäden“ in der Schullandschaft geführt. „Für die Zukunft des Gebäudes der Kielhornschule kann ich mir alles mögliche vorstellen. Aber wir wollen erst mal im Interesse der Kinder und Lehrer Ruhe einkehren lassen. Auch die Eltern sind in den vergangenen Jahren wuschig gemacht worden“, so Sierau.
Sorgen um die Finanzierung der Neubauprojekte in der Nordstadt macht man sich bei der Stadt offensichtlich nicht. Denn auch vor den neuen Förderprogrammen von Bund und Land hatte die Stadt rund 50 Millionen Euro in die Sanierung des Schulbestands investiert. Durch Durch die beiden „Kommunalinvestitionsförderungsgesetze“ (KIV i und II) des Bundes sowie des Landesprogramms „Gute Schule 2020“ wird ein dreistelliger Millionenbetrag in die Stadtkasse gespült.
Doch diese Mittel sind verplant – unabhängig von den möglichen Schulneubauten. „Doch damit wurde ganz viel Kapazität im städtischen Haushalt frei“, betont Raddatz-Nowack. Dieser sei dadurch massiv entlastet worden. Daher könnte sich die Stadt offenbar den Neubau der beiden Grundschulen in der Nordstadt leisten. Kein kleiner Brocken: Mit bis zu 20 Millionen Euro pro Schule könnten die Kosten zu Buche schlagen.
Doch das Geld sei gut investiert: „Wenn Bildung ein Schlüssel für die Zukunft ist, sind wir in der Nordstadt schon gut bedient“, zieht Sierau ein positives Fazit der Planungen.
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Reaktionen
Querdenker
Wo steht eigentlich geschrieben, dass Grundschule vormittags stattzufinden hat?
Kann nicht darüber nachgedacht werden- anstatt der Geburtenentwicklung nur hinterherzuhecheln- Klassen eben auch statt von 08.00- 12.00/13.00 Uhr eben in den dann größtenteils freien Räumlichkeiten bspw. von 14.00- 18.00 Uhr zu unterrichten?
Ähnliche Überlegungen könnte man in Bezug auf fehlende Betreuungsplätze für Kinder im vorschulischen Bereich in Bezug auf –Voraussetzung: räumlich geeignete Jugendfreizeitstätten oder Kultureinrichtungen, die im Vormittagsbereich nicht oder nur spärlich genutzt werden., anstellen.