Wirtschaftsförderung und d-Port21 laden zum 15. Bürger:innen-Dialog

Schöne, neue Nordstadt: Nördliche Speicherstraße wird als ein „beständiger Erlebnisort“ geplant

Schöne, neue Stadtentwicklung
Die Nördliche Speicherstraße, u.a. mit dem Speicher 100, dem Event-Schiff Herr Walter und dem Umschlagplatz. Benito Barajas

Von Sandra Danneil

Die Macher:innen rund um die Entwicklung des Hafenquartiers Speicherstraße sind sich lange einig: Der Ort soll für Alle sein. Dortmunds Stadtteil der Zukunft soll aber auch Arbeitsplätze schaffen, die das Quartier aus dem Soll ins Ist holen sollen. Wie mit all diesen ‚Solls‘ nun weiter verfahren wird, möchten die Teilnehmer:innen beim 15. Bücher:innen-Dialog erfahren. Viele Interessierte kamen in die Akademie für Theater und Digitalität. Nach zehnmonatiger Pause wollen sie nun mit den Akteuren über Maßnahmen und Anmaßungen im Hafenquartier „Nördliche Speicherstraße“ diskutieren.

Ratsbeschluss über die Bebauung „Nördliche Speicherstraße“

Das vom ehemaligen Theaterintendanten Kay Voges initiierte Vorzeigemodell der Akademie für Theater und Digitalität ist an diesem Donnerstagabend die perfekte Kulisse für Gespräche über realisierte Zukunftsvisionen. Wie Bestandsarchitektur mit neuen Gewerbekonzepten wiederbelebt werden kann, zeigt die Ausbildungsstätte als wichtiger Bestandteil gelungener Umsetzung in der südlichen Speicherstraße. ___STEADY_PAYWALL___

OB Westphal informiert Gäste über den Sachstand beim 15. Dialog in der Akademie für Theater und Digitalität
OB Westphal informiert die Gäste in der Akademie für Theater und Digitalität über den Sachstand. Oliver Schaper

Während die Dortmunder Hafen AG gemeinsam mit d-Port21, einem Tochterunternehmen der DSW21, hier schon seit 2017 die drei Herzklappen aus Gewerbe, Digitalität und Kultur implantiert, hängt die nördliche Seite am Beatmungsschlauch sogenannter „Zwischennutzung“.

Dabei sind der Speicher 100, der etablierte Umschlagplatz von Gastronomin Milena Rethmann und Oliver Buschmanns Herr Walter das eigentliche Herz-Kreislaufsystem des nördlichen Quartiers. Was soll sich nun ändern?

OB Thomas Westphal: „Hier geht’s richtig munter weiter“

Durch den einstimmigen Ratsbeschluss eines Wiederbelebungsplans der nördlichen Speicherstraße (NSB berichtete im Oktober 2024), nimmt nun auch der Vermarktungsprozess Geschwindigkeit auf. „Hier geht’s nun richtig munter weiter“, flötet Oberbürgermeister Westphal optimistisch.

Die Julius Ewald Schmitt GmbH zeigt Pläne für den Gebäudekomplex Speicherstraße 41–45, die bis 2027 umgesetzt werden sollen.
Die Julius Ewald Schmitt GmbH zeigt Pläne für den Gebäudekomplex Speicherstraße 41–45, die bis 2027 umgesetzt werden sollen. Visualisierung: Wiemann Architekten Ingenieure

Für das expressionistische Backsteinobjekt Speicherstraße 41-45 gaben von zehn Interessenten sechs ein realistisches Angebot ab. Am Ende machte ein Dortmunder das Rennen.

Das private Wohnungsunternehmen Julius Ewald Schmitt GmbH und Co. KG ist bekannt dafür, in die Nachhaltigkeit von Bestandsarchitektur zu investieren und mit viel Liebe und noch mehr Geld zu sanieren. Die Entwürfe für den markanten Gebäudekomplex aus den 1920ern präsentiert Christian Schmitt, Geschäftsführer der Unternehmens, höchstpersönlich.

„Ursprünglich, aber kaputt“ – Nordstadtunternehmer sieht Backsteinruine mit Potenzial

„Der moderne Nutzungsmix aus Gastro, Start-Ups und etablierten Unternehmen braucht viel Fantasie“, findet Schmitt. „Aber das Erhalten von Bestandsarchitektur liegt uns am Herzen.“ Besonders sind die Krampfaderputzfassade und die Rundbögen. „So eine Liebe zum Detail findet man heute nicht mehr. Das ist eine Backsteinruine mit viel Potenzial“, erklärt der Immobilienunternehmer aus der Nordstadt.

Christian Schmitt, Geschäftsführer der Julius Ewald Schmitt GmbH sieht in der Speicherstraße 41-45 eine "Backsteinruine mit Potential".
Christian Schmitt, Geschäftsführer der Julius Ewald Schmitt GmbH, sieht in der Speicherstraße 41-45 eine „Backsteinruine mit Potential“. Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Laut Gerüchten liegt der Invest bei zweieinhalbtausend Euro pro Quadratmeter. Wenn jemand so viel Geld in die Hand, da muss die Liebe wirklich echt sein. Denn Erträge können solche Kosten nahezu unmöglich decken.

„Und der Zeitplan?“, möchte eine Teilnehmerin wissen. „Wenn es nach uns ginge, dann würde es schneller gehen,“ scherzt Schmitt und kalkuliert den baulichen Zeitrahmen auf drei bis vier Jahre.

Ein Umschlagplatz für Alle – oder doch nicht?

Das Hafenquartier versteht sich als ein beständiger Erlebnisort „für Alle“, wie das von Männern gemalte Bühnenbild an diesem Abend an diversen Stellen betont. „Dabei ist es das doch jetzt schon!“, protestiert die geschäftstüchtige Milena Rethman im Gespräch mit Nordstadtblogger. Die Betreiberin diverser erfolgreicher Gastronomien in der Nordstadt ist unterwältigt vom Outcome des Bürger:innendialogs, denn die Pläne betreffen sie ganz persönlich.

Der Umschlagplatz ist ein Stück gelebte Stadtentwicklung
Am Umschlagplatz entsteht seit 2016 lebendige Nordstadtkultur BENITO BARAJAS

„Der Umschlagplatz nimmt seinen Namen ernst“, verteidigt Rethmann ihre Idee als dessen Inhaberin. „Hier existiert schon ein Ort für Festivals, Flohmärkte und Ausstellungen und dieser Ort ist natürlich gewachsen. Viele haben den Umschlagplatz als Sprungbrett ihres Start-Up benutzt und inzwischen eigene Firmen gegründet.“

Seit dem ersten Pitch 2016 ist der Umschlagplatz dieser viel besprochene Erlebnisort, der von der Vielfalt seiner Nutzer lebt. Hier zeigen die Menschen aus dem Quartier ihre Ideen, kommen für kreativen Austausch und Frischgezapftes zusammen und sind gelebte Stadtteilkultur.

Bildungseinrichtungen sind vom Tisch. Und jetzt?

Während Oliver Buschmanns Eventschiff, Herr Walter, in jedem der Entwürfe ein Bestandteil der Bebauungspläne bleiben durfte, sieht der Rat offenbar keinen Platz mehr für den Umschlagplatz.

Am Umschlagplatz an der Speicherstraße entsteht Kultur "aus sich selbst heraus", findet Betreiberin Melina Rethmann.
Am Umschlagplatz an der Speicherstraße entsteht Kultur „aus sich selbst heraus“, findet Betreiberin Melina Rethmann. Foto: Leopold Achilles für nordstadtblogger.de

Für die Erschließung des Areals an der Speicherstraße 64 musste die umtriebige Geschäftsfrau in der Vergangenheit Beträge im höheren sechsstelligen Bereich für Tiefbauarbeiten (Wasser, Strom) in die Hand nehmen und hat ihre Bierpreise trotzdem nie erhöht. „Der Platz sollte in den ursprünglichen COBE-Plänen für ein Berufskolleg weichen“, erklärt sie. „Das ist aber lange vom Tisch.“

Das Offensichtliche zielführend zu übersehen wurde in die professionellen Hände des „Placemaker:innen“-Büros LOOP –  gelegt. Denn die Konzeption für die Quartiershalle scheint zu ignorieren, dass es mit dem Umschlagplatz etwas ganz Ähnliches bereits gibt – wenn auch nicht so aufgeräumt wie in den 3D-Renderings.

Quartiershalle wird Lunge des Hafenquartiers

Das bizarre Skelett präsentieren der Stadtplaner, Dr. Christoph Meyer zum Alten Borgloh, und der Loop-Architekt, Veit Knickenberg, als einen in jeder Hinsicht zugigen Standort für inhabergestützte Haus-in-Halle-Betriebe. Denn die Entwürfe erlauben viel Luft zum atmen, so ohne Dach.

Nördliche Speicherstraße, Interfer-Hallengerüst entsteht das Quartiersherz der Zukunft
Aus dem alten Interfer-Hallengerüst soll das „Quartiersherz der Zukunft“ entstehen. Foto: Klaus Hartmann für Nordstadtblogger.de

Die Devise der Place:maker: Co-working und Digitale Nomaden? Ja, aber nicht für Großmieter. Ateliers und Werkstätten? Auch, aber abends auch Yoga. Franzbrötchen-Basilikum-Eis und Matcha-Latte?

Auf jeden Fall, aber bitte keine Systemgastronomie. Kleine Start-Ups und Gewerbetreibende brauchen dafür voraussichtlich ebenso viel Kleingeld wie in anderen touristisch relevanten Naherholungsgebieten Dortmunds.

„Hebel zur Disziplinierung“ sichern den Erfolg

„Unsere Machbarkeitsstudie beweist ein herausforderndes Marktumfeld“ schlussfolgert Stadtplaner Meyer zum Alten Borgloh. Herausfordernd seien zum Beispiel die Zurückhaltung von Kreditgebern oder die Unermesslichkeit der Baukosten. „Aber dass sich keine Kräne drehen, wird sich ändern“, interveniert Knickenberg.

Rendering der Neuen Quartiershalle
Schöne, neue Quartiershalle: So könnte es einmal aussehen. LOOP – CREATING PLACES

Der Architekt ist überzeugt, dass ein „kuratiertes Mieterbild“, „vertikale Kommerzialisierung“ und ein städtisches Vorkaufsrecht „Hebel zur Disziplinierung“ schaffen, die den Erfolg des Projekts sichern. „Ein Quartier lebt von der Vielfalt der Nutzer. Und die definieren das Angebot.“

Am Ende des 15. Bürger:innendialogs stehen Gewerbetreibende wie Rethmann und Buschmann wieder am Anfang. Die Ungewissheit über den Erhalt dessen, was schon da ist, aber vielleicht nicht bleiben darf, dürfte auch in den kommenden Jahren ein Thema für die mehr oder weniger hitzigen Diskussionen bleiben.

Für mehr Infos: speicherstrasse.com/


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Reader Comments

  1. A. W.

    „…sieht der Rat offenbar keinen Platz mehr für den Umschlagplatz“

    Da verstehe ich die ständigen „Diskussionen“ nicht. Wieso mehr? Es war von Anfang an klar und deutlich als temporäre Lösung mit kurzen Laufzeiten angedacht und so wird es auch sein.

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