Nachdem der Angeklagte im Schalla-Prozess am vergangenen Montag (25. Januar 2021) wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, stieß die Entscheidung des Gerichts gegen die erneute Ausstellung eines Haftbefehls nicht nur bei den Angehörigen des Opfers auf großes Unverständnis. Auch in den sozialen Netzwerken reagierten die Menschen vielfach fassungslos. Das Oberlandesgericht Hamm hatte Ralf H. im Juli letzten Jahres aus der Untersuchungshaft entlassen, da es die lange Haftdauer (der Angeklagte saß seit seiner Verhaftung im Sommer 2018 ein) angesichts des schleppenden Prozessverlaufs als unverhältnismäßig eingestuft hatte.
Fassungslosigkeit bei den Angehörigen des Opfers und in den sozialen Netzwerken
Durch diesen Verzicht auf Erlass eines erneuten Haftbefehls bleibt der 55-jährige Angeklagte Ralf H. vorerst auf freiem Fuß, bis das Urteil rechtsgültig ist. Da die Verteidigung bereits angekündigt hat, ein Revisionsverfahren anzustreben, ist nicht absehbar, wann dies der Fall sein wird. Am Montag war Ralf H. vom Landgericht des mittlerweile 27 Jahre zurückliegenden Mordes an der damals 16-jährigen Schülerin Nicole-Denise Schalla schuldig gesprochen worden. ___STEADY_PAYWALL___
Als „zweifelhaft“ hatte Staatsanwalt Felix Giesenregen die Entscheidung des OLG Hamm vom letzten Jahr schon in seinem Plädoyer in der vergangenen Woche bezeichnet. Des Weiteren hatte er dargelegt, dass der Angeklagte in den Augen der Anklage nichts mehr zu verlieren habe, wodurch im Falle der drohenden Verurteilunghohe Fluchtgefahr bestehen würde. Durch Einreichung einer Beschwerde aufgrund der Ablehnung des Erlasses eines Haftbefehls untermauert die Staatsanwaltschaft nun ihre Position.
Das Schwurgericht unter Vorsitz von Richter Thomas Kelm hatte die Entscheidung am Montag damit begründet, dass man das Urteil des OLG Hamm zu akzeptieren habe, außerdem habe sich der Angeklagte Ralf H. auch am letzten Verhandlungstag dem Verfahren gestellt, obwohl die potentielle Inhaftierung im Raum gestanden hätte. Hierdurch sei die von der Staatsanwaltschaft angeführte Fluchtgefahr stark entkräftet worden.
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird im Rahmen eines Abhilfeverfahrens von der zuständigen Kammer des Landgerichts geprüft. Sollte sie das Ersturteil als rechtmäßig erachten, muss erneut das Oberlandesgericht Hamm entscheiden. Ansonsten kann sie die Entscheidung durch einen Abhilfebescheid aufheben und den Haftbefehl erlassen.