Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club Nordrhein-Westfalen (ADFC NRW) und die Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“ verlangen eine Verkehrswende in NRW – und einen Radverkehrsanteil von 25 Prozent bis zum Jahr 2025. Das ist eine der Forderungen, die ExpertInnen bei der dreitägigen Jahrestagung in Dortmund an eingeladene LandespolitikerInnen richten.
Radschnellweg Ruhr erzeugt als Leuchtturmprojekt viel Aufmerksamkeit
Diesel-Fahrverbote, Feinstaub-Alarm, Stau-Rekorde und Verkehrs-Infarkt – so sieht die Realität auf den Straßen im Ruhrgebiet aus. Gelsenkirchen und Essen haben es nicht geschafft, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, um die gefährlichen Stickoxide in ihren Straßen zu senken. Jetzt hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Fakten geschaffen: Diesel-Fahrverbote für beide Städte ab Juli 2019. Weitere Fahrverbote in Ruhrgebietsstädten sind zu erwarten.
Anstatt konsequent auf die Förderung von Fahrrad-, Fußverkehr sowie ÖPNV zu setzen, verschlafen nach Ansicht des ADFC die Ruhrgebiets-Kommunen die Verkehrswende und vernachlässigen sträflich die Alternativen zum Auto. In einem Pressegespräch hat der ADFC NRW vorgestellt, wie die Förderung des Fahrrads als Verkehrsmittel ein Teil der Lösung dieser Probleme sein kann.
„Es darf nicht sein, dass das Ruhrgebiet die Verkehrswende verschläft. Jetzt sind die Städte im Ruhrgebiet in der Pflicht zu handeln und sich für den Radverkehr stark zu machen“, betont Thomas Semmelmann, Vorsitzender des ADFC NRW und Mit-Initiator der Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“.
„Wir sind davon überzeugt, dass saubere Luft nur mit weniger Autos geht“
Der Radschnellweg Ruhr habe als Leuchtturmprojekt bereits viel Aufmerksamkeit und Vorschusslorbeeren bekommen: „Mit unserer Volksinitiative ,Aufbruch Fahrrad’ haben wir konkrete Maßnahmen formuliert, die das Fahrrad als Alternative zum Auto attraktiv machen. Wir sind davon überzeugt, dass saubere Luft nur mit weniger Autos geht“, sagt Thomas Semmelmann.
Blechlawinen quälen sich durch die Innenstädte, es gibt massive Grenzwertüberschreitungen und gerichtlich angeordnete Dieselfahrverbote. Nach Gelsenkirchen und Essen könnte es auch bald Dortmund treffen.
„Kaum jemand denkt an die Menschen, die in den Kommunen leben müssen und die unter den Schadstoffbelastungen leiden. Die Städte sind autogerecht gebaut worden. Fußgänger und Radfahrer wurden nicht berücksichtigt, sondern an den Rand gequetscht“, skizziert Semmelmann die Herausforderungen.
„Aus unserer Sicht ist die Lösung weniger Autoverkehr in den Städten. Es geht darum, Autofahrten zu vermeiden, unabhängig, ob es Benziner oder Diesel sind. Dann bräuchten wir über Verbote nicht reden“, so Semmelmann. Der Ausbau des ÖPNV sei dabei wichtig. Doch die effektivste und auch preisgünstigste Lösung – zumindest im Vergleich zu Straßen- bzw. Autobahnbauprojekten – sei die Förderung des Radverkehrs.
Radverkehrs-Expertise trifft sich beim NRW-Forum in Dortmund
Das „ADFC NRW-Forum“ thematisiert vom 23. bis zum 25. November im Jugendgästehaus Adolph Kolping in Dortmund diese und andere Aspekte. In diesem Rahmen trifft sich die gesammelte Radverkehrs-Expertise aus ganz Nordrhein-Westfalen und diskutiert aktuelle Entwicklungen des Radverkehrs in NRW, insbesondere des Ruhrgebiets.
Das Finale bildet die politische Podiumsdiskussion zum Thema „Aufbruch Fahrrad“, bei der mit den verkehrspolitischen SprecherInnen die aktuellen Verkehrsprobleme beleuchten werden. Die Botschaft ist klar: „Die massive Förderung des Radverkehrs ist die Lösung. Hier gibt es riesiges Potential. 25 Prozent der Fahrten sind kürzer als zwei Kilometer, weitere 25 Prozent bis fünf Kilometer. Wenn nur die Hälfte umsteigt, hätten wir kein Chaos mehr auf den Straßen“, macht der ADFC-Vorsitzende deutlich.
Doch das Radwegenetz sei bisher nur Stückwerk, weil die Straßen und die Städte für das Auto geplant worden seien. „Es geht darum, den Verkehrsraum neu aufzuteilen, Autofahrern Platz wegzunehmen und sichere und komfortable Radwege zu schaffen, damit man guten Gewissens sein Kind auf die Straße lassen kann und nicht Angst haben muss“, so Semmelmann. „Doch die Realität ist eine andere. Die Zahlen zeigen: Es gibt nur elf Prozent Radverkehr in Deutschland.“
Europäische Nachbarn machen Deutschland vor, wie es besser geht. In Holland liegt der Anteil bei rund 30 Prozent. „Wenn man sich da die Infrastruktur anschaut, sieht man, warum der Anteil so hoch ist.“ Doch unter dem Druck der Bevölkerung und der Gerichte denken Städte um.
Berlin hat ein erstes Mobilitätsgesetz, dazu gibt es Radentscheide in mehreren Städten.
Initiative „Aufbruch Fahrrad“ sieht 25-Prozent-Anteil als realistisch an
In NRW hat man die Initiative „Aufbruch Fahrrad“ ins Leben gerufen. Damit verbunden ist ein ganzer Maßnahmenkatalog: Die Forderung nach 25 Prozent Radverkehrsanteil bis 2025 ist mit zahlreichen auch baulichen Maßnahmen verknüpft. Dazu 1000 Kilometer neue Radschnellwege, 300 Kilometer neue überörtliche Radwege, dazu mehr Expertise in den Behörden, sichere Radverkehrsanlagen, die Förderung von Lastenrädern für Unternehmen und Privatleute.
„Wir gehen mit plakativen Forderungen in die Diskussion, um eine entsprechende Motivation zu erzeugen“, so Semmelmann. „Ich habe das Gefühl, dass die Kommunen wirklich versuchen, den Radanteil hochzubringen. Es ist die schnellste und preisgünstigste Möglichkeit.“
„Die 25 Prozent sind durchaus realistisch. Kopenhagen hat übrigens den Radverkehr gefördert, weil man kein Geld für den Ausbau der Stadtautobahn hatte. Stattdessen wurde der Radverkehr gefördert, das war deutlich billiger“, berichtet ADFC-Vorstand Michael Kleine-Möllhoff, zuständig für Radschnellwege und Infrastruktur.
„Wir als ADFC haben viele Lösungen, die nicht gleich Millionen kosten. In Duisburg wird diskutiert, ob man 330 oder 660 Millionen Euro für einige Kilometer Autobahn ausgeben soll. Mit einem Bruchteil des Geldes könnte man den Radverkehr auf 25 Prozent bringen“, so Kleine-Möllhoff. Das zeigt der Radschnellweg Ruhr zwischen Mülheim und Essen. Dies sei zwar auch ein Millionen-Projekt. „Aber manchmal muss man Millionenprojekte fordern, damit man ernst genommen wird. Die 180 Millionen Euro dafür werden ein Vielfaches an Nutzen stiften“, ist sich der Experte sichern.
Dortmund auf dem richtigen Weg – Cargobikes als Lösung für die City
Für die Entwicklung des Radverkehrs in Dortmund ist der Dortmunder ADFC-Vorsitzende Werner Blanke sehr zuversichtlich: „Die Förderung des Radverkehrs ist in den Köpfen angekommen. Der Masterplan Mobilität 2030 beinhaltet das Rad als einen der wichtigsten Punkte, weil es einfach und kostengünstig ist“, so Blanke. Denn E-Autos seien keine Lösung: „Die müssen auch irgendwo hin. Aber es ist kein Platz mehr für weitere Autos in den Städten.“
Auch die Wirtschaftsförderung habe das Thema Cargobike auf dem Schirm, um den Verkehr in der City anders abzuwickeln. Jetzt gehe es darum, die Geschäftsleute zu überzeugen. Transportunternehmen würden auf Cargobikes setzen, wenn sie dadurch Vorteile haben, zum Beispiel eine ganztägige Lieferung in der City. Auch Geschäftsleute könnten sich zusammentun. Denn nicht jeder brauche eigene Bikes – das würde auch das Abstellen und Laden erleichtern.
„Quartierslösungen sind in vielen Städten bereits in Arbeit. Es geht um Verleihsysteme und sichere Abstellorte“, macht Semmelmann deutlich. Das bestätigt auch Jörg Althoff vom ADFC in Essen. „Es gibt verstärkt Anfragen von Privatleuten, die aber nicht wissen, wo sie Cargobikes parken können.“ Aktuell gibt es für die Anschaffung von Lastenrädern 1000 Euro Förderung.
„Die Unfallzahlen und Unfalltoten unter RadfahrerInnen sind nicht hinnehmbar“
Am Wochenende wird man sich über diese und andere Maßnahmen unterhalten. 100 Aktive sind dazu in Dortmund zusammengekommen. Dabei sind auch Experten u.a. aus Berlin, um neue Impulse zu geben. „Mit der Volksinitiative erhoffen wir uns Input, um ihn in die Kreisverbände zu tragen“, erklärt ADFC-Vorstand Michael Kleine-Möllhoff, zuständig für Radschnellwege und Infrastruktur.
„Wir haben da viel Expertise und können vor Ort Lösungen und Ideen einbringen. Wir können auch Handlungsempfehlungen geben, wie man Radverkehr sicherer machen kann. Denn die Unfallzahlen und Unfalltoten sind nicht hinnehmbar“, sagte er mit Blick auf die fehlenden Abbiegeassistenten insbesondere bei LKW.
Eine Steigerung des Radverkehrs sorgt nach Ansicht des ADFC automatisch für mehr Sicherheit: „In Holland wissen Autofahrer, dass beim Abbiegen Radfahrer neben einem sind“, betonen die AFDC-Mitglieder.
Diversity und Frauengerechtigkeit sowie Fahrradparken als Themen
Auch das Fahrradparken steht im Fokus eines Workshops. Ohne attraktive und vor allem sichere Abstellmöglichkeiten werde die Verkehrswende nicht gelingen. „Wenn ich nur mit alten Möhre in die Stadt fahre, weil ich Angst vor Diebstahl habe, macht das das Radfahren nicht attraktiver. Wir wollen es aber fördern“, betont Kleine-Möllhoff.
Ein weiterer Workshop beschäftigt sich mit Diversity und Frauengerechtigkeit. Es geht um einen anderen Blickwinkel auf die Themen. Mittlerweile gibt es in vielen Verbänden Frauenbeauftragte. Bei den nächsten Wahlen sollen mindestens 40 Prozent Frauen in die Vorstände. Denn dort sind sie bislang unterrepräsentiert, obwohl fast die Hälfte der ADFC-Mitglieder Frauen sind.
„Dass Frauen mitreden, ist wichtig in der praktischen Arbeit. Sie haben eine andere Sichtweise auf viele Fragen – bei Technik, Ordnung, Sicherheit, Beleuchtung oder sozialer Kontrolle“, so Kleine-Möllhoff. Außerdem benutzen mehr Frauen als Männer im Alltag das Fahrrad“, ergänzt Werner Blanke (ADFC Dortmund).
Mehr Informationen:
- Die Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“, die der ADFC NRW gemeinsam mit dem Kölner Verein „Radkomm“ ins Leben gerufen hat, fordert den Anteil des Radverkehrs auf 25 Prozent bis 2025 zu steigern. Mindestens 66.000 Unterschriften innerhalb eines Jahres sind erforderlich, damit sich der Landtag NRW mit der Volksinitiative und ihren Forderungen für mehr Radwege und Sicherheit im Straßenverkehr beschäftigen muss.
- Der ADFC NRW e.V. ist mit über 41.000 Mitgliedern der größte Landesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs. In knapp 40 Kreisverbänden und 100 Ortsgruppen sind wir vor Ort aktiv.
- Er setzt sich für eine umweltfreundliche Verkehrspolitik ein, organisiert gemeinsame Touren und berät in allen Fragen rund um das Fahrrad.
- Als Landesverband wirbt er in Politik, Ministerien und Verbänden für eine Verkehrspolitik, die die Potentiale des Fahrrads ausschöpft.
- Dabei steht die Entwicklung einer umfassenden Radverkehrsinfrastruktur im Mittelpunkt: ein einheitliches Radverkehrssystem für Alltags-, Freizeit- und Urlaubsradfahrerinnen und -fahrern mit hohen Qualitätsstandards und guten Serviceeinrichtungen.
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Peter Fricke
Am 26. November findet der erste Dortmunder Aufbruch-Fahrrad-Stammtisch
statt. Wir treffen uns um 18 Uhr im Taranta Babu in der Humboldtstraße 44.
Der Stammtisch ist offen für alle. Ihr sammelt schon Unterschriften und habt kreative
Ideen für neue Aktionen? Kommt vorbei und erzählt davon! Ihr wisst noch gar
nicht so genau, worum es überhaupt geht und möchtet Aufbruch Fahrrad
kennenlernen? Hereinspaziert!
Neue Gesichter sind herzlich willkommen!
Ihr kommt vorbei? Klasse, dann bringt noch eine weitere Person mit! Je mehr
mitmachen, desto erfolgreicher wird Aufbruch Fahrrad.
Aufbruch Fahrrad (Pressemitteilung)
Mobile Weihnachtsmärkte auf Lastenrädern: Aufbruch Fahrrad feiert Halbzeit: Mit Glühwein und Gebäck für besseren Radverkehr in NRW
Die Volksinitiative Aufbruch Fahrrad sammelt Unterschriften für besseren Radverkehr in Nordrhein-Westfalen. Am 16. Dezember wird es genau sechs Monate her sein, dass die erste Unterschrift ihren Weg auf einen Bogen fand. Und es verbleiben noch genau sechs Monate, bis der einjährige Sammelzeitraum mit der letzten Unterschrift endet.
Zum Abschluss des ersten Halbjahres finden gleichzeitig in verschiedenen Städten in ganz Nordrhein-Westfalen mobile Weihnachtsmärkte statt.
In Dortmund geht es um 14 Uhr am Friedensplatz los. Mit weihnachtlich geschmückten Fahrrädern, Nikolausmützen auf dem Kopf, Weihnachtsbäumchen auf den Gepäckträger, Glühwein und Gebäck fährt der Tross von einem Platz zum nächsten, um dort die Halbzeit zu feiern.
Der mobile Weihnachtsmarkt ist offen für alle, die Fahrräder, Glühwein oder Gebäck mögen. Ganz besonders willkommen sind Menschen mit weihnachtlich geschmückten Fahrrädern – vor allem, wenn es Lastenräder sind.
Wo der mobile Weihnachtsmarkt gerade ist, wird am 16. Dezember live unter aufbruch-fahrrad.de/weihnachtsmarkt auf einer Karte angezeigt. Der weltweit erste Weihnachtsmarkt mit Live-Tracking gibt also auch Nachzüglern eine Chance.
Ziele der Volksinitiative Aufbruch Fahrrad sind ein Fahrradgesetz für NRW und mehr Verkehrssicherheit auf Straßen und Radwegen. Werden innerhalb eines Jahres 66.000 Unterschriften gesammelt, muss sich der Landtag mit den Forderungen befassen: Tausend Kilometer Radschnellwege bis 2025, eine Million Abstellanlagen für Fahrräder, kostenlose Mitnahme im Nahverkehr und bessere Radinfrastruktur in den Kommunen. Die ausführliche Liste aller Forderungen ist nachzulesen unter aufbruch-fahrrad.de.
Hintergrund:
Die Volksinitiative ist ein Instrument der direkten Demokratie in Deutschland. Um eine Volksinitiative erfolgreich durchzuführen, müssen die Initiatoren eine festgelegte Zahl von Unterschriften (66.000 in NRW) von wahlberechtigten Unterstützerinnen und Unterstützern vorlegen.
Ein buntes Aktionsbündnis aus Einzelpersonen, Fahrradinitiativen und Umweltschutzgruppen sammelt in ganz Nordrhein-Westfalen Unterschriften für die Volksinitiative Aufbruch Fahrrad. In Dortmund wird das Aktionsbündnis Aufbruch Fahrrad getragen von verschiedenen Einzelpersonen, von Studierenden der TU und der FH, den Dortmunder Ortsgruppen von Greenpeace und BUND, dem VCD, dem ADFC und den Fahrradinitiativen VeloKitchen und VeloCityRuhr.
ADFC, FUSS, VCD und VeloCityRuhr (Pressemitteilung)
Verkehrsverbände: Zahl der Fahrradabstellplätze in Dortmund nicht halbieren
Der Rat der Stadt Dortmund soll am 21. Februar erstmalig eine Stellplatzsatzung beschließen, in der die Zahl der Fahrradabstellplätze geregelt werden soll. Die Vorlage der Verwaltung orientiert sich in weiten Teilen an der Mustersatzung, die von den Kommunen in NRW gemeinsam erarbeitet wurde. Die Werte für Fahrradabstellplätze in Dortmund wurden jedoch pauschal um 50% gekürzt.
Die Mustersatzung sieht für Fahrradabstellplätze eine Spannweite vor, zum Beispiel zwei bis vier Abstellplätze je 100 qm Bruttogeschossfläche bei Mehrfamilienhäusern oder ein Radstellplatz je 30 bis 40 qm Nutzfläche in Verwaltungsgebäuden. Die einzelne Kommune soll abhängig von der örtlichen Situation einen Wert innerhalb dieser Spannweite wählen. Die Spannweite deckt die gesamte Bandbreite ab: Von Städten, die seit Jahren erfolgreich den Radverkehr fördern bis hin zu Städten und Kommunen im Sauer- und Siegerland mit objektiv schwierigerer Ausgangslage. Einerseits hätte Dortmund als Großstadt mit relativ günstiger Topografie, Siedlungs- und Bevölkerungsstruktur bei konsequenter Förderung des Radverkehrs das Potenzial für überdurchschnittliche Radverkehrsanteile, andererseits hat Dortmund den Radverkehr bisher nur halbherzig und nicht sehr erfolgreich gefördert. Es wäre also sachgerecht, für Dortmund den Mittelwert der Spannweite anzusetzen.
Die Vorlage setzt stattdessen eine pauschale Kürzung um 50% an, obwohl die Verwaltung die Mustersatzung selbst gemeinsam mit den übrigen Kommunen erarbeitet hat.
Die Verkehrsverbände ADFC, FUSS, VCD und VeloCityRuhr lehnen diese Kürzung strikt ab. Würde die Stadt eine Spannweite, die sogar Kommunen im Sauerland berücksichtigt, um 50% kürzen, ließe das nur den Schluss zu, dass die Stadt ihre eigenen Pläne zur Erhöhung des Radverkehrsanteils nicht ernst nimmt. Eine solche Kürzung stünde auch im klaren Widerspruch zur Mitgliedschaft der Stadt Dortmund in der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte (AGFS).
Die Verbände bieten Politik und Verwaltung Gespräche zur Stellplatzsatzung an. Sie hätten diese gern im dafür vorgesehenen Rahmen geführt: Der Beirat Nahmobilität, in dem die Verbände vertreten sind, soll Politik und Verwaltung laut Geschäftsordnung bereits in einem frühen Stadium zu Themen von erheblicher Bedeutung für die Qualität der Nahmobilität beraten.
Leider wurde der Beirat trotz klarer Zusage nicht bei der Erarbeitung der Stellplatzsatzung beteiligt. Bei Zeitdruck hätte dazu auch die Möglichkeit einer außerordentlichen Beiratssitzung bestanden.
Die Verbände bedauern, dass der Beirat Nahmobilität von Teilen der Verwaltung offenbar nicht ernst genommen wird.
Abstellplätze sind für den Radverkehr von entscheidender Bedeutung. Ein hoher „Reiseantrittswiderstand“, was nichts anderes bedeutet als das Fahrrad zu Hause auf die Straße zu bringen, wurde von den Kommunen in NRW als eines der relevantesten Hindernisse für die Fahrradnutzung erkannt. Auch am Ziel der Fahrt wirken schlechte Abstellmöglichkeiten als Widerstände für die Radnutzung. Mit einer ausreichenden Zahl von Abstellplätzen könnte die Stadt Dortmund diese Widerstände reduzieren. Weil die Anlage von Abstellanlagen langfristig wirkt, muss auch der künftige Bedarf eingeplant werden.
Wenn einzelne ansiedlungswillige Unternehmen die Ansicht vertreten, die Werte seien für sie zu hoch, kann dies auf Stichhaltigkeit geprüft und ggf. im Bebauungsplan berücksichtigt werden. Es ist abwegig, deswegen eine pauschale Kürzung auch für Mehrfamilienhäuser, Lebensmittelgeschäfte und Studierendenwohnheime vorzunehmen. „Wer etwa bei Kleingärten unterstellt, dass es fünf mal mehr Abstellplätze für Pkw als für Räder braucht, der hat die Verkehrswende schon vorzeitig aufgegeben“, kritisiert Werner Blanke vom ADFC.
Die Verkehrsverbände bemängeln an der Vorlage zudem Schlupflöcher zur weiteren Reduzierung der Abstellplätze und sie vermissen Regelungen für Lastenräder, Anhänger und zu Anschließmöglichkeiten als Schutz vor Diebstahl aus Kellerräumen.
„Jetzt sind Taten gefragt“: Wahlprüfsteine: Parteien bekennen sich zur Radverkehrsförderung (PM)
„Jetzt sind Taten gefragt“: Wahlprüfsteine: Parteien bekennen sich zur Radverkehrsförderung
Dortmund. Alle demokratischen Parteien in Dortmund sagen, dass sie sich für den Fuß- und insbesondere Radverkehr einsetzen wollen. Das ist ein Ergebnis der Antworten auf die Wahlprüfsteine, die das Klimabündnis Dortmund gemeinsam mit den Parents for Future im Vorfeld der Kommunalwahlen zum Thema Nahmobilität an die demokratischen Ratsfraktionen und weitere Parteien verschickt hat.
Die Parteien wollen dabei allesamt auch radfahrende Kinder und Ungeübte besser berücksichtigen und streben dazu eine stärkere Trennung von Radfahrenden und Autos an. „Nach diesem erfreulich klaren Bekenntnis sollten schnell Taten folgen, zum Beispiel mit dem Bau von geschützten Radfahrstreifen“, findet Peter Fricke von VeloCityRuhr.
Es gibt auch Unterschiede zwischen den Parteien, so will etwa die CDU den Radverkehr lieber über Nebenstraßen führen. „Auch an Hauptstraßen muss es gute Radverkehrsanlagen geben, denn sie sind oft die direktesten Verbindungen und die dortigen Wohnungen und Geschäfte müssen gut mit dem Rad erreichbar sein“, meint Fricke dazu.
„Es gibt weitere bemerkenswerte Unterschiede“, kommentiert Lorenz Redicker vom VCD (Verkehrsclub Deutschland, wie VeloCityRuhr Mitglied im Klimabündnis Dortmund) und verweist etwa auf die Themen Parkraumüberwachung oder die Bereitstellung von Geld und Personal.
Beispiel Verkehrsüberwachung: Grüne, Linke, Piraten, FBI und die neue Partei DOS unterstützen die von den Verbänden angemahnte deutliche Aufstockung des Personalbestands auf das Niveau vergleichbarer Städte. SPD und CDU hingegen weichen aus: Die SPD betont allgemein, dass sie nie für einen Abbau des städtischen Personals gewesen sei, die CDU verweist auf die vor einem Jahr beschlossene Aufstockung um 12 Personen. „Das aber reicht bei weitem nicht aus“, betont Redicker: „Falschparken ist ein elementares Problem für die Verkehrssicherheit von Fußgängern und Radfahrern.“ Mindestens 100 zusätzliche Stellen benötige die Stadt in den kommenden Jahren, so Redicker, schließlich habe Düsseldorf mehr als dreimal so viel Personal, Köln gar sieben Mal so viel.
Unterschiede gibt es auch beim Geld, wo die meisten befragten Parteien sich an Kopenhagen orientieren wollen, das 30 € pro Einwohner*in und Jahr fürs Rad investiert, während CDU und SPD sich zurückhaltend geben. Dass die Stadt im Juli zehn neue Planstellen für den Radverkehr geschaffen hat, halten die Verbände für einen wichtigen ersten Schritt, dem weitere folgen sollten. Die Parteien sehen das unterschiedlich: Die CDU möchte keine abstrakte Diskussion über die nötige Stellenzahl führen und die SPD findet, den Bedarf werde die Entwicklung zeigen. Sie verweist außerdem darauf, dass sie es war, die die zehn neuen Stellen durchgesetzt hat. Die Grünen sind der Meinung, dass eine weitere personelle Verstärkung dringend nötig sei, und Linke und Piraten möchten außerdem Stellen aus dem Autobereich für den Rad- und Fußverkehr umwidmen.
„Die Personalfrage ist entscheidend“, so Fricke. Mit dem aktuellen Personalbestand werde der Plan scheitern, bis 2030 ein gutes Radverkehrsnetz zu bauen. Darum sei es wichtig, nun zügig weitere Stellen einzurichten und nicht zu warten, bis man vor dem Scherbenhaufen stehe.
„Am Ende kommt es auf die Taten an, nicht auf die Worte“, sagt Redicker. „Daran werden wir die Parteien nach der Wahl messen.“